Borreliose Achtung, Zecken auf der Suche nach Blut!

Es ist wieder Zeckenzeit. Eine Borrelieninfektion kann unbemerkt verlaufen - oder Haut, Gelenke und Nervensystem angreifen. Die Diagnose ist oft schwierig, der Leidensweg lang. Eine frühzeitige Antibiotikatherapie verspricht gute Heilungschancen.
Zecke auf Grashalm: Selbst wenn der Stich frühzeitig erkannt wird, bleibt die Diagnose Borreliose schwierig

Zecke auf Grashalm: Selbst wenn der Stich frühzeitig erkannt wird, bleibt die Diagnose Borreliose schwierig

Foto: Patrick Pleul/ dpa

Sie sind wieder da, möglicherweise waren sie in diesem milden Winter nie ganz weg: Zecken auf der Suche nach einer Blutmahlzeit. Nach dem Waldspaziergang, dem Versteckspiel im Gebüsch oder der Wanderung durch hohe Gräser wird es demnächst des Öfteren zu bösen Überraschungen kommen. Hoffentlich schon dann, wenn die Zecke gerade erst zugestochen hat. Denn zu diesem Zeitpunkt stehen die Chancen gut, dass noch keine sogenannten Borrelia-burgdorferi-Bakterien auf das Opfer übertragen wurden.

Schätzungsweise jede dritte Zecke trägt diese für Menschen potentiell gefährliche Fracht in sich. Die Infektionsrate bei einem Zeckenstich liegt aber nur zwischen 1,5 und 6 Prozent - auch deshalb, weil das menschliche Immunsystem mitunter schnell mit den Erregern fertig wird. Je länger die Zecke aber saugt, desto größer ist das Risiko, dass Borrelien in den Menschen gelangen. Zecken verhaken sich gern in warmen, gut durchbluteten Körperregionen wie etwa der Kniekehle oder dem Genitalbereich. Diese Stellen sind oft schlecht einzusehen, so dass Zecken dort mitunter tagelang unentdeckt bleiben können.

Thomas Fuchs* hat genau das vor rund 20 Jahren erlebt. Als er schließlich die Zecke entdeckte, wurde sie im Krankenhaus entfernt. Damals dachte niemand in der Ambulanz an die medizinisch noch wenig bekannten Borrelien. Die typische Wanderröte, von Ärzten als Erythema migrans bezeichnet, trat nicht auf. Doch etwa eineinhalb Jahre später konnte der sportliche Dreißigjährige kaum noch Treppensteigen: Sein rechtes und linkes Knie waren abwechselnd stark geschwollen und schmerzten heftig.

Die Symptome sind leicht zu verwechseln

Seine Frau erinnerte sich schließlich daran, dass sie über solche Symptome bereits im Zusammenhang mit einem Zeckenstich gelesen hatte. Thomas Fuchs machte seinen Arzt auf die mögliche Ursache seiner Beschwerden aufmerksam. Und tatsächlich war der daraufhin veranlasste Bluttest auf Borrelien-Antikörper im Blut positiv. Aufgrund der vorhandenen Antikörper und der typischen Gelenkbeschwerden stellte der Arzt die Diagnose Lyme-Arthritis . Dabei handelt es sich um eines der Spätstadien einer Borrelien-Infektion.

Weil die Symptome so unterschiedlich ausfallen, oft erst Wochen oder Monate nach einem Zeckenstich auftreten und mitunter den Erscheinungsbildern anderer Krankheiten ähneln, unterlaufen Ärzten immer wieder Fehler bei der Diagnosestellung. Mitunter dauert es viel zu lang, bis die Beschwerden den richtigen Namen und die Betroffenen eine wirksame Therapie bekommen. Wie häufig eine Borreliose gar nicht erkannt wird, ist unklar.

Eines der dabei auftretenden Probleme ist, dass Antikörpertests mitunter zu früh gemacht werden. "Die Tests selbst sind ziemlich empfindlich", sagt Volker Fingerle vom Nationalen Referenzzentrum für Borrelien in Oberschleißheim. "Aber sie können nur dann Antikörper nachweisen, wenn diese auch auftreten." Erst drei bis sechs Wochen nach einem Zeckenstich wird ein Bluttest positiv. Zudem treten die sogenannten IgM-Antikörper auch nur bei jedem zweiten Patienten mit einer Wanderröte auf, sagt der Neurologe Hans-Werner Pfister, stellvertretender Leiter der Neurologischen Klinik am Klinikum Großhadern, das zur Ludwig-Maximilians-Universität gehört. "Zum Glück ist aber die Wanderröte selbst ein eindeutiges klinisches Zeichen für eine akute Borrelieninfektion", so Pfister. Allerdings tritt sie nur bei 70 bis 90 Prozent der Betroffenen auf.

Verschiedene Formen von Borreliose

Eine früh erkannte Borreliose ist mit Antibiotika heilbar. "Wenn ausreichend mit einem Antibiotikum behandelt wurde und der Patient das Medikament richtig eingenommen hat, ist nicht zu erwarten, dass die Borreliose chronisch wird", sagt Pfister. "Resistenzen der Borrelien gegen die eingesetzten Antibiotika sind nicht bekannt."

Eine falsche oder zu späte Diagnose kann für die Betroffenen allerdings heftige Folgen haben: Bleibt die medikamentöse Behandlung aus, können Folgeschäden an den Gelenken und den Nervenzellen auftreten, die mitunter zu chronischen und nur schwer therapierbaren Schmerzen führen.

Denn außer der Lyme-Arthritis gibt es noch andere Spätformen der Borreliose, so etwa die seltenere chronische Neuroborreliose, bei der Nervenzellen in Rückenmark oder Gehirn aufgrund einer Entzündung geschädigt werden können. Quälende, brennende Schmerzen sind die Folgen, Schmerzmittel kommen kaum dagegen an. Zudem können Taubheitsgefühle, Bewegungsstörungen oder auch eine Lähmung des Gesichtsnerven, eine sogenannte Fazialisparese, auftreten.

Die Bakterien können außerdem auch die Haut befallen: Ganze Hautbereiche verfärben sich dann bläulich, werden dünn und faltig wie Zigarettenpapier. Mediziner sprechen von einer Acrodermatitis chronica atrophicans.

Thomas Fuchs hingegen hatte Glück: Nachdem der Arzt die Borrelien-Infektion festgestellt hatte, folgten vier Wochen einer konsequent durchgeführten Antibiotikatherapie. Am Ende war Fuchs beschwerdefrei.

*Name von der Redaktion geändert.

Die wichtigsten Fakten zur Borreliose

Wie kann man die Infektion erkennen?Ist eine Borreliose heilbar?Hinterlässt die Infektion eine lebenslange Immunität?

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