Corona-Daten Entscheidung im Blindflug

Die Corona-Zahlen über die Feiertage und den Jahreswechsel schwanken stark. Dennoch dienen sie jetzt als Grundlage für politische Entscheidungen. Was lässt sich aus den aktuellen Daten herauslesen?

Kurz nach Weihnachten, am 29. Dezember, machte eine Horrorzahl die Runde in Deutschland. Binnen 24 Stunden wurden 1129 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus bekannt. Ein trauriger Höchstwert in der schon fast ein Jahr grassierenden Pandemie.

Kurz davor und danach gaben andere Zahlen hingegen scheinbar Anlass zur Hoffnung. Die Zahl der bestätigten Neuinfektionen lag am 27. Dezember sowie am 3. Januar so niedrig wie lange nicht. Für den 3. Januar meldete das Robert Koch-Institut 9847 neue Fälle, erstmals seit Ende Oktober lag der Wert überhaupt wieder unterhalb der Marke von 10.000.

Doch was ist die Ursache für diese scheinbar widersprüchlichen Entwicklungen? Wie bereits vorab angekündigt und bei den meisten Meldungen auch mitgenannt, kam es wegen der Feiertage zu mitunter erheblichen Schwankungen der Fallzahlen.

So kommt es zu schwankenden Test- und Fallzahlen

Arztpraxen, Gesundheitseinrichtungen und auch die Behörden waren über die Feiertage, ähnlich wie sonst an den Wochenenden, schwächer besetzt. Zudem dürften sich Menschen an den Feiertagen anders verhalten haben als sonst. Bei leichten oder unklaren Symptomen ist es vorstellbar, dass sie nicht sofort zum Arzt oder ins Testzentrum gegangen sind und stattdessen den Test auf die Zeit nach den Feiertagen verschoben haben. Oder aber sie machten aus Vorsicht einen Schnelltest, dessen Ergebnisse allerdings nicht in die offiziellen RKI-Zahlen einfließen.

In der Folge kam es also zunächst zu weniger Tests und nach den Feiertagen womöglich auch zu mehr Tests und Staus in den Laboren. Das ist eine wahrscheinliche Erklärung für die Schwankungen bei den gemeldeten Zahlen.

Wie stark der Weihnachtseffekt sich auf die Zahl der durchgeführten Tests auswirkt, zeigt folgende Grafik. Die Zahl der wöchentlichen Corona-Tests lag in der Weihnachtswoche so niedrig wie zuletzt im August vergangenen Jahres.

Solide interpretierbar sind Daten zu Neuinfektionen erst dann, wenn Arztpraxen, Labors und Gesundheitsämter wieder normal arbeiten und ein Zeitraum betrachtet werden kann, der nicht durch Feiertage verzerrt wird. Das wird frühestens Ende dieser Woche möglich sein. Das RKI ist sogar noch vorsichtiger und erklärt auf Anfrage: »Eine belastbare Bewertung hinsichtlich der epidemiologischen Entwicklungen wird frühestens Ende nächster/Anfang übernächster Woche möglich sein.«

Die Krankenhausstatistik

Durch die Feiertage weitaus weniger beeinflusst als die Fallzahlen wird die Krankenhausstatistik. Die Behandlung der Corona-Patienten ging auch während der Feiertage unvermindert weiter. Betrachtet man die Zahl der Corona-Intensivpatienten, so zeigt sich auch über die Feiertage ein Anstieg:

Erstmals seit Herbst kam es dabei allerdings zuletzt an mehreren Tagen zu rückläufigen Zahlen. Das Wachstum der Zahl der Patienten in Intensivbehandlung scheint sich zumindest abzuschwächen.

Hierbei gilt es allerdings, auch die Zeitverzögerung zwischen Infektion und beginnender Intensivbehandlung zu beachten. Diese liegt im Mittel bei grob zehn bis elf Tagen . Die Entwicklung der Patientenzahlen in Intensivbehandlung zum Jahresanfang spiegelt also noch das Infektionsgeschehen von vor Weihnachten wider.

Es besteht somit zwar die vorsichtige Hoffnung, dass der zweite Shutdown die Zahl der schweren Fälle zumindest gebremst hat. Ob die Maßnahmen aber ausgereicht haben, um die Patientenzahlen zu reduzieren, werden erst die kommenden Tage und Wochen zeigen. Gleiches gilt für die Frage, wie Familienfeiern und Reisen an den Weihnachtstagen und zum Jahreswechsel das Infektionsgeschehen beeinflusst haben.

Zusammenfassung

Die Datenlage für die anstehende Entscheidung über die Fortsetzung der Corona-Maßnahmen ist insgesamt mit einiger Unsicherheit behaftet. Es gibt grobe Anzeichen, dass das Infektionsgeschehen durch den zweiten Shutdown mindestens gebremst wurde. Welche Auswirkungen das Weihnachtsfest selbst hatte, lässt sich bislang kaum sagen.

Klar ist jedoch, die Zahlen liegen auch aktuell deutlich über dem angestrebten Wert von maximal 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche und sind damit zu hoch für eine Nachverfolgung der Infektionen durch die Gesundheitsämter. Zudem mahnt die sich in Großbritannien verbreitende, mutierte Coronavirus-Variante, die auch schon in Deutschland nachgewiesen wurde, zur Vorsicht. Alle Zeichen stehen somit auf einer Verlängerung der aktuell gültigen Maßnahmen.

Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels wurde die Zeitspanne von Infektion bis beginnender Intensivbehandlung mit circa sieben Tagen angegeben. Nach aktuellem Stand des Wissens liegt diese allerdings im Mittel eher bei zehn bis elf Tagen. Wir haben die Textstelle entsprechend angepasst.

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