

Faktencheck zum Kettenbrief Schützt ständiges Wassertrinken vor einer Coronainfektion?
Wo Krankheit droht und gleichzeitig Informationen und einfache Lösungen fehlen, sind Verschwörungstheorien, Wunderheiler und Kettenbriefe nicht weit. So auch im Fall des Coronavirus.
Auf WhatsApp und in sozialen Medien machen derzeit Ratschläge die Runde, wie man sich angeblich vor einer Infektion schützen kann - gerne verschickt von besorgten Müttern. Auch die Anleitung für einen Selbsttest auf das Virus enthält der Text. Aber taugen diese Tipps? Ein Faktencheck.
Wahre Gefahr: Falsche Gesundheitsinformationen
Der Ratschlag zum Wassertrinken stammt angeblich von einem Experten: "Exzellente Beratung durch japanische Ärzte, die Covid-19-Fälle behandeln. Jeder sollte sicherstellen, dass Ihr Mund und Hals feucht und niemals trocken ist", heißt es, grammatikalisch nicht ganz sauber, in der Nachricht. Darauf folgt der Hinweis, alle 15 Minuten ein paar Schlucke Wasser zu trinken, um sich vor einer Coronainfektion zu schützen.
Die Begründung: "Selbst wenn das Virus in Ihren Mund gelangt, das Trinken von Wasser oder anderen Flüssigkeiten spült es durch Ihre Speiseröhre in den Magen. Dort angekommen, tötet die Magensäure das Virus ab. Wenn Sie nicht regelmäßig genug Wasser trinken, kann das Virus in Ihre Luftröhre und in die Lunge gelangen. Das ist gefährlich."
Coronavirus: Coronaviren sind eine Virusfamilie, zu der auch das derzeit weltweit grassierende Virus Sars-CoV-2 gehört. Da es anfangs keinen Namen trug, sprach man in den ersten Wochen vom "neuartigen Coronavirus".
Sars-CoV-2: Die WHO gab dem neuartigen Coronavirus den Namen "Sars-CoV-2" ("Severe Acute Respiratory Syndrome"-Coronavirus-2). Mit der Bezeichnung ist das Virus gemeint, das Symptome verursachen kann, aber nicht muss.
Covid-19: Die durch Sars-CoV-2 ausgelöste Atemwegskrankheit wurde "Covid-19" (Coronavirus-Disease-2019) genannt. Covid-19-Patienten sind dementsprechend Menschen, die das Virus Sars-CoV-2 in sich tragen und Symptome zeigen.
Tatsächlich gefährlich sind jedoch derart unseriöse Gesundheitsinformationen. Zwar infiziert das neuartige Coronavirus die Atemwege, wenn es ihm gelingt, über Mund, Nase oder Tränenkanäle in den Körper vorzudringen. Je nachdem, wie stark sich das Virus in den Zellen im Rachen oder in der Lunge ausbreitet, kann es gefährlich werden.
Durch Wassertrinken lässt sich das allerdings nicht verhindern. Hat es das Virus in den Mund geschafft, ist es zu spät.
Seife zerstört die Zellhülle des Virus
Entscheidend ist stattdessen zu verhindern, dass der Erreger überhaupt erst in den Körper gelangt. Gesundheitsbehörden weltweit wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC und das deutsche Robert Koch-Institut (RKI) empfehlen statt Mundspülungen deshalb gründliches Händewaschen mit Seife - mindestens 20 Sekunden lang oder so lange, wie es dauert, zwei Mal "Happy Birthday" zu singen.
Die Fetthülle des Virus wird dadurch – ähnlich wie die Ölreste in einer Pfanne beim Abwasch – aufgelöst, der Erreger geht kaputt. Andere Keime, die das Einseifen überstehen, verschwinden beim Abspülen im Abfluss.

Gegen regelmäßiges Wassertrinken ist selbstverständlich trotzdem nichts einzuwenden. Es ist Teil einer gesunden Ernährung. Wer sich aber fälschlicherweise durch ständiges Wassertrinken vor einer Coronainfektion geschützt fühlt und deshalb das Händewaschen vernachlässigt und weniger Abstand zu Kranken hält, erhöht sogar sein Risiko zu erkranken. Es gilt: Abstand halten - vor allem zu hustenden und niesenden Mitmenschen.
Selbsttest des Grauens
Ständiges Trinken ist nicht der einzige Tipp, den Freunde und Verwandte derzeit in guter Absicht durchs Netz schicken. Mit Verweis auf angebliche Experten aus Taiwan enthält der WhatsApp-Kettenbrief auch die Anleitung für einen Selbsttest auf das Coronavirus.
"Die Experten aus Taiwan bieten eine einfache Selbstkontrolle an, die wir jeden Morgen durchführen können", heißt es in der Nachricht. "Atmen Sie tief ein und halten Sie den Atem für mehr als 10 Sekunden an. Wenn Sie die Untersuchung ohne Husten, ohne Beschwerden, ohne Prallheit oder Engegefühl usw. erfolgreich durchführen, beweist dies, dass keine Fibrose in den Lungen vorliegt, was im Grunde genommen auf keine Infektion hinweist."
Davor wird erklärt, dass die Inkubationszeit angeblich bis zu 20 Tage beträgt. Es dauert demnach nach einer Infektion fast drei Wochen, bis Symptome auftreten. Wenn eine Person "Fieber und/oder Huster hat und ins Krankenhaus geht, ist die Lunge normalerweise zu 50 % fibrös und es ist recht spät!", heißt es weiter.
Lungenfibrose ist kein Corona-Symptom
Doch die Information hat, neben anderen Fehlern, eine entscheidende Schwachstelle, die auch den Test als Unsinn entlarvt: Eine Fibrose ist kein Hinweis für eine beginnende Coronainfektion - zum Glück!
Von einer Lungenfibrose sprechen Mediziner, wenn das Bindegewebe zwischen Lungenbläschen und Blutgefäßen vernarbt und dadurch härter und unflexibler wird. Die Lunge kann sich beim Atmen dann nicht mehr so weit ausdehnen, das Atmen fällt schwerer. Je nach Ausmaß macht sich das zunächst durch Luftnot und trockenen Husten beim Sport bemerkbar. Ist die Krankheit ausgeprägter, treten die Symptome auch im Ruhezustand auf.
"Eine Lungenfibrose kann nicht geheilt werden, da die narbigen Veränderungen des Lungengewebes sich nicht mehr zurückbilden können. Es handelt sich um eine sehr schwere Krankheit, die in zahlreichen Fällen zum Tod führt", schreiben die Lungenärzte im Netz . Hätten alle Coronainfizierten eine Fibrose, bevor sie überhaupt Symptome entwickeln, gäbe es deutlich mehr schwere Verläufe und Todesfälle.
Zum Glück ist das nicht der Fall. Zwar kann sich im Zuge einer schweren Lungenentzündung, die auch vom neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 ausgelöst werden kann, in seltenen Fällen eine Fibrose entwickeln. Das betrifft aber nur weit fortgeschrittene und längst im Krankenhaus behandelte Fälle mit schwerem Verlauf und keine unentdeckt Infizierten. Eine Lungenentzündung würde sich, lange bevor sie zur Fibrose führt, durch Fieber, Schüttelfrost und Husten bemerkbar machen.
Weder WHO noch CDC noch das RKI nennen eine Fibrose als Corona-Symptom. Das RKI schreibt stattdessen, eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus könne "zu Symptomen wie Fieber, trockenem Husten, Schnupfen und Abgeschlagenheit führen, auch über Atemprobleme, Halskratzen, Kopf- und Gliederschmerzen und Schüttelfrost wurde berichtet. Einige Betroffene leiden an Übelkeit und Durchfall".
Inkubationszeit von maximal 14 Tagen
Bevor nun jemand auf die Idee kommt, den Test zu nutzen, um sich auf eine Lungenfibrose zu testen: Auch das wird nicht funktionieren. Zwar fällt es schwerer, die Luft anzuhalten, wenn die Lungenkapazität verringert ist, möglich ist es aber - je nach Ausprägung - auch mit Fibrose. Gelingt der Test, ist die Erkrankung nicht sicher ausgeschlossen. Misslingt er, ist das umgekehrt kein Beleg für eine Fibrose.
Luftanhalten kann aus vielen Gründen schwerfallen: Allergien sind eine mögliche Ursache, hinzu kommen andere Infektionen oder Asthma. Kein seriöser Arzt wird seine Patienten zehn Sekunden die Luft anhalten lassen, um sie auf eine Lungenerkrankung zu testen, schreiben die Faktenchecker vom Portal "Snopes" .
Dass die Inkubationszeit für das Coronavirus Sars-CoV-2 bei maximal 14 Tagen liegt statt bei 20, wie in der WhatsApp-Nachricht behauptet, erscheint da fast als vernachlässigbares Detail. "Bitte führen Sie in kritischen Zeiten jeden Morgen in einer Umgebung mit sauberer Luft einen Selbsttest durch!", heißt es am Ende der WhatsApp-Nachricht. Das können Sie sich guten Gewissens sparen.