CMD Die richtige Hilfe bei Kieferbeschwerden

Wenn der Biss nicht stimmt: Etliche Menschen leiden an Beschwerden der Kaumuskulatur oder des Kiefergelenks. Dennoch ist die kraniomandibuläre Dysfunktion (CMD) keine Volkskrankheit. Die wichtigsten Fakten im Überblick.
Patientin mit Schmerzen: Die Symptome breiten sich manchmal im ganzen Kopf aus und können auch starke Kopfschmerzen hervorrufen

Patientin mit Schmerzen: Die Symptome breiten sich manchmal im ganzen Kopf aus und können auch starke Kopfschmerzen hervorrufen

Foto: Corbis

Vorsicht vor Patienten-Fragebögen

Knacken im Kiefergelenk, Schmerzen beim Kauen: Eine sogenannte craniomandibuläre Dysfunktion, kurz CMD (cranio bedeutet Schädel, Mandibula ist der Unterkiefer), muss nicht gleichbedeutend sein mit Erkrankung. Ein Krankheitswert sollte den Leitsymptomen einer CMD deshalb erst dann beigemessen werden, wenn der Patient darunter leidet - wenn er also wegen Schmerzen einen Arzt aufsucht.

Deshalb warnen Experten vor CMD-Fragebögen , die in Arztpraxen oder im Internet kursieren. Sie seien häufig nicht geeignet, Personen mit einer bisher nicht diagnostizierten CMD verlässlich herauszufiltern, sagt Jens Türp von der Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin und Myoarthropathien an der Universität Basel. Türp hatte einen "Selbsttest-Fragebogen" des selbsternannten CMD-Dachverbandes wissenschaftlich untersucht, anschließend wurde der Test aus dem Netz genommen.

CMD ist auch keine keine neue Volkskrankheit, wie teilweise behauptet wird. Nach Untersuchungen ist zwar bei einem Anteil von bis zu 75 Prozent der Nicht-Patienten ein CMD-Befund festzustellen, behandlungsbedürftig ist aber nur sehr ein kleiner Teil. Für Deutschland ging man vor einigen Jahren von rund drei Prozent aus, eine Untersuchung aus Wittenberg kam 2008 auf 16 Prozent.

Therapiemöglichkeiten bei CMD

CMD kann viele verschiedene Ursachen haben, die Gewichtung der einzelnen Faktoren ist unklar. Betroffene haben Schmerzen in der Kaumuskulatur, im Bereich vor den Ohren und/oder im Bereich der Kiefergelenke. Begleitsymptome können Kieferschmerzen, Zahnschmerzen und Ohrenschmerzen sowie Kopf- und Gesichtsschmerzen sein. Auch ein verstärktes Zähneknirschen (Bruxismus) kann auftreten. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Die Therapie bei CMD wird unterteilt in eine klinische und eine instrumentelle Funktionsanalyse. Wichtig ist ein abgestuftes Diagnose- und Therapiekonzept. Das Einfache sollte also zuerst gemacht werden. Das heißt: Zuerst wird der Patient untersucht, ganz klassisch mit Augen und Händen sowie mit einem Gespräch. Der Arzt oder Zahnarzt untersucht Muskelgruppen auf Spannung und Schmerzen, das Kiefergelenk auf Schmerz und Knacken sowie die Zahnbeziehung zueinander.

Erst danach können, falls nötig, Instrumente zum Einsatz kommen. Mit elektronischen Messsystemen können der Bewegungsumfang des Unterkiefers, die Koordination der Bewegungen und die Zentrierung des Unterkiefers bei Zahnkontakt in der Ausgangsposition ermittelt werden.

Viele der möglichen Begleiterkrankungen können jedoch andere Ursachen haben. "Rückenschmerzen, Tinnitus oder Schwindelgefühle sind weit verbreitet, ein kausaler Zusammenhang zu Schmerzen in Kiefergelenk oder Kaumuskulatur ist wissenschaftlich nicht belegt", sagt Türp.

Und die Lokalisation der Schmerzen sei nicht einfach: "Ein ausstrahlender Schmerz der Kiefermuskeln kann wie ein Kopfschmerz vom Spannungstyp empfunden werden, oder ein Kopfschmerz kann als Kaumuskelschmerz fehlinterpretiert werden." Gerade solche Schmerzen sind laut Türp oftmals kaum von CMD-Schmerzen im Schläfenmuskel zu unterscheiden.

Grundsätzlich können zwar einzelne Fehlstellungen oder Entzündungen (Gingivitis/Parodontitis) eine Rolle spielen, meist sind aber andere Faktoren entscheidend: Überlastung, psycho-sozialer Stress, Ängste oder Depressionen. All das kann zu Schlafstörungen, Verspannungen oder verstärktem Zähneknirschen führen. Die Behandlung sollte somit auch die Psyche und Faktoren wie Beruf, Partnerschaft oder Medikamenteneinnahme einbeziehen.

Stress oder Allgemeinerkrankungen können sich laut Alfons Hugger von der Westdeutschen Kieferklinik an der Universität Düsseldorf im Kausystem manifestieren: "Wir müssen also mehr beachten als die akute Kau-Problematik." Bildgebende Verfahren von Röntgen bis CT sind nur dann nötig, wenn der Patient dauerhaft Schmerzen hat und konservative Methoden ohne Erfolg geblieben sind.

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