DAK-Analyse von Krankenhausdaten Deutlich mehr Jugendliche müssen wegen Depressionen ins Krankenhaus

Ein großer Krankenkassenreport zeigt: Im vergangenen Jahr wurden rund ein Drittel mehr Jugendliche wegen Depressionen und Essstörungen in Kliniken behandelt. Experten sprechen von einem »stillen Hilfeschrei«.
Nach Angaben der DAK wurden Mädchen häufiger als Jungen wegen Essstörungen im Krankenhaus behandelt (Symbolbild)

Nach Angaben der DAK wurden Mädchen häufiger als Jungen wegen Essstörungen im Krankenhaus behandelt (Symbolbild)

Foto: Masha Raymers / Getty Images

Einige denken nur noch ans Essen, andere sind niedergeschlagen, antriebslos: In den Jahren der Coronapandemie ist die Zahl der Jugendlichen gestiegen, die wegen Depressionen und Essstörungen im Krankenhaus behandelt wurden. Das geht aus einer am Freitag veröffentlichten Auswertung der Krankenkasse DAK  hervor.

Laut Krankenkasse analysierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dafür alle Krankenhausaufenthalte aus den Jahren 2019 bis 2021 von bei der DAK versicherten Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren. Die Analyse basiert demnach auf anonymisierten Daten von knapp 800.000 Kindern und Jugendlichen. Mehrfacheinweisungen wurden nicht berücksichtigt, ebenso flossen ambulante Behandlungen nicht in die Auswertung ein.

Demnach stieg der Anteil der 15- bis 17-Jährigen, die 2021 wegen einer depressiven Episode im Krankenhaus waren, im Vergleich zum Vorjahr um 28 Prozent. Mit Essstörungen waren im vergangenen Jahr 17 Prozent mehr Jugendliche im Krankenhaus als noch 2020. Im Vergleich zu 2019 stiegen die Krankenhausaufenthalte wegen Essstörungen 2021 sogar um 40 Prozent. Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren wurden demnach deutlich häufiger wegen Depressionen oder Essstörungen im Krankenhaus behandelt als Jungen.

Kleine Kinder wegen Bindungsstörungen in Behandlung

In der Altersgruppe der 15- bis 17-Jährigen wurden 2021 demnach 42 Prozent mehr Jugendliche wegen einer emotionalen Störung in der Klinik behandelt als noch 2020. So lag die entsprechende Hospitalisierungsquote 2020 durchschnittlich noch bei 85 Fällen je 100.000, 2021 lag sie hingegen bei 120 Fällen je 100.000. Unter emotionale Störungen fallen nach Angaben der Krankenkasse etwa Trennungsängste und soziale Ängstlichkeit. Die Fallzahlen seien hier jedoch niedriger als die der Depressionen und Essstörungen.

Seltener im Krankenhaus behandelt wurden Teenager dagegen etwa wegen psychischen und Verhaltensstörungen durch Alkohol. Auch sogenannte somatoforme Störungen sind zurückgegangen, dabei leiden Betroffene unter Beschwerden wie Schmerzen oder Übelkeit, die jedoch nicht auf organische Krankheiten zurückzuführen sind.

Auch der Anteil von Schulkindern zwischen zehn und 14 Jahren, die mit einer somatoformen Störung im Krankenhaus waren, ging 2021 im Vergleich zum Vorjahr zurück. Zugenommen hat der Analyse zufolge jedoch auch in dieser Altersgruppe der Anteil derer, die wegen Depressionen oder Essstörungen in die Klinik mussten.

Unter den Kindern von fünf bis sieben Jahren hat demnach unter anderem der Anteil derer zugenommen, die mit einer Störung sozialer Funktionen, zum Beispiel Bindungsstörungen, oder Entwicklungsstörungen stationär behandelt wurden.

»Der starke Anstieg bei Depressionen oder Essstörungen ist ein stiller Hilfeschrei, der uns wachrütteln muss«, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK zu der aktuellen Analyse. »Wir dürfen nicht länger zuschauen, sondern müssen dem Thema Kinder- und Jugendgesundheit endlich mehr Gewicht geben und handeln.«

Wieland Kiess, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Leipzig, sagt, dass der Report belege in sehr eindrucksvoller Weise, wie häufig inzwischen psychische und psychosomatische Auffälligkeiten und Erkrankungen gerade im Jugendalter in unserer Gesellschaft geworden seien. »Es ist zu erwarten, dass die Zahl psychischer Erkrankungen und Problemfelder auch in Zukunft weiter steigen wird.«

Kiess warnt in einem von der DAK veröffentlichten Statement  jedoch auch davor, kausale Schlussfolgerungen zu ziehen: »Schwankungen bei Krankenhausaufnahmen, Veränderungen des Gesundheitsverhaltens oder der Inanspruchnahme und der Hilfe-Ansuche unterliegen starken regionalen, zeitlichen und kulturellen Unterschieden.«

mar
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