Demenz Krisen in der Lebensmitte erhöhen Alzheimer-Risiko

Erst traurig, dann vergesslich: Belastende Erlebnisse wie der Tod des Partners erhöhen offenbar das Risiko für Alzheimer und Demenz. Darauf weist eine aktuelle Studie hin. Doch wer seine Freundschaften pflegt, kann vorbeugen.
Belastende Ereignisse können depressiv machen: "Dauerstress lässt das Gehirn schrumpfen"

Belastende Ereignisse können depressiv machen: "Dauerstress lässt das Gehirn schrumpfen"

Foto: Corbis

Stress am Arbeitsplatz, Liebeskummer, der Tod eines Familienmitglieds: Extrem belastende Lebensereignisse lösen häufig depressive Phasen aus. In Deutschland leiden vier Millionen Menschen an einer Depression. Wie wichtig es ist, Betroffenen aus einer solchen Krise zu helfen, zeigt jetzt eine langjährige Studie: Menschen, die in der Mitte ihres Lebens viel Kummer haben, erkranken im Alter häufiger an Alzheimer oder Demenz.

Zu diesem Ergebnis kommt das Team um Ingmar Skoog vom Institut für Neurowissenschaften und Physiologie der Universität Göteborg, das 40 Jahre lang mehr als 800 Schwedinnen begleitet hatte.

Wie die Forscher im "British Medical Journal"  berichten, wurden die Frauen im Alter zwischen Ende 30 bis Mitte 50 1968 erstmals befragt und untersucht. Die Wissenschaftler wollten wissen, wie häufig die Frauen in ihrem Leben etwas extrem Belastendes erlebt hatten - etwa eine Scheidung vom Ehepartner, eine ernsthafte Erkrankung, der Tod eines Kindes oder Alkoholabhängigkeit eines Familienmitglieds.

Psychisch kranker Partner ist häufig eine Belastung

25 Prozent der Frauen gaben an, bisher ein belastendes Erlebnis gehabt zu haben, bei 23 Prozent waren es zwei, bei 20 Prozent drei. Rund 16 Prozent der Frauen hatten bereits vier oder mehr belastende Episoden erlebt. Der am häufigsten angegebene Stressfaktor war die psychische Erkrankung eines Nahestehenden. Zudem interessierten sich die Forscher für die Auswirkungen von Stress auf das Wohlbefinden der Frauen. Konnten sie schlechter schlafen, waren sie aggressiver oder hatten sie vermehrt Ängste?

In den folgenden Jahren wurden die Frauen immer wieder befragt, fünfmal in 37 Jahren, zwischen 1968 und 2005. Innerhalb dieser Zeitspanne starben 425 Frauen, 19 Prozent erkrankten an Demenz, 13 an Alzheimer. Anschließend werteten die Wissenschaftler die Ergebnisse der aufwendigen, langjährigen Studie aus. Und fanden heraus: Jene Stressoren, welche die Frauen 1968 angegeben hatten, erhöhten ihr Risiko an Demenz zu erkranken, um 15 Prozent. Das Risiko, einmal an Alzheimer zu erkranken, stieg sogar um 21 Prozent. Was bedeutet: Stress und Depressionen machen im Alter vergesslich.

Dauerstress lässt das Gehirn schrumpfen

Stresshormone sind noch lange nach der belastenden Zeit in erhöhter Anzahl im Organismus vorzufinden, das zeigten die Untersuchungen ebenfalls. Sind diese Hormone verantwortlich für Demenz?

"Ja", sagt Konrad Beyreuther. Der Molekularbiologe leitet das Netzwerk Altersforschung an der Universität Heidelberg und gehört zu den weltweit führenden Alzheimer-Experten. "Dauerstress lässt das Gehirn schrumpfen, was nichts anderes heißt, als dass Nervenzellkontakte, Nervenbahnen und letztendlich Nervenzellen absterben." Verursacht werde dies durch die Ausschüttung von zu vielen Stresshormonen. "Von den modifizierbaren Risikofaktoren der Alzheimer-Krankheit ist das relative Risiko bei Depression am höchsten. Das gilt als belegt." Die Studie seiner schwedischen Kollegen halte er damit für aussagekräftig.

Dennoch sieht Beyreuther keine kausalen Zusammenhänge zwischen Stress und Demenz. Derartige epidemiologische Studien seien nur Hinweise aber kein Beweis. Laut den Autoren sollen weitere Studien klären, ob Therapien zur Stressbewältigung das Risiko für Alzheimer und Demenz auch senken können.

Leider lassen sich belastende Erlebnisse im Leben nicht vermeiden. Doch man kann durch einfache Mittel dafür sorgen, sie besser verarbeiten zu können. "Um Stress und Krisen bewältigen zu können, sollte man soziale Kontakte pflegen und sich viel bewegen", sagt Beyreuther. Bei einer diagnostizierten Depression helfe eine medikamentöse- oder eine klassische Psychotherapie. "Einsamkeit ist schädlich."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren