Projekt für demenzkranke Männer Werkbank statt Kaffeekränzchen

Hansjörg Schaude (l.) hat den "Männerschuppen" initiiert
Foto: Silas Stein/ dpaWas die sieben Männer in einem unscheinbaren Anbau eines Wohnhauses in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart verbindet, ist die Freude am Tüfteln. Was sie unterscheidet, ist eine Krankheit: Drei von ihnen haben Demenz. Der "Männerschuppen", ein monatlicher Treffpunkt für Männer ab 60 Jahren, will Gesunde und Kranke zusammenbringen.
Da ist zum Beispiel Ralf Focke, der zu Hause seine demenzkranke Frau pflegt. Er kommt, um mal etwas anderes zu sehen. "Ich werkle einfach gerne", sagt er. Gert Herrmann hat weit übers Rentenalter hinaus gearbeitet und sitzt auch jetzt nicht gern untätig zu Hause, wie er sagt. Auch Theodor Burkhardt kommt regelmäßig. Er pinselt Holzmöbel weiß und erzählt aus seinem Leben. Dass ihm Wörter und Details nicht mehr einfallen, stört hier niemanden.
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft geht davon aus, dass in Deutschland 1,6 Millionen Menschen an Demenz erkrankt sind. Fast 70 Prozent davon sind Frauen. Viele Angebote sind eher für weibliche Teilnehmer ausgelegt. Deshalb richtet sich der "Männerschuppen" an diejenigen, "die keine Kaffeekränzchen, Stuhlkreise, bunte Tücher und Duftlampen mögen", wie es in der Beschreibung heißt. Initiiert hat ihn Hansjörg Schaude vom Sozialpsychiatrischen Dienst für alte Menschen im Kreis Esslingen.

Theodor Burkhardt ist konzentriert bei der Arbeit
Foto: Silas Stein/ dpaSchaude beugt sich in der Werkstatt über ein frisch gestrichenes Regalbrett. Neben ihm warten Männer mit Pinselrollen auf sein Urteil. "Da sind noch dunkle Stellen, ihr müsst da noch mal drüber", sagt er.
Ein Bekannter hatte Schaude von sogenannten Men's sheds in Australien erzählt. Das sind Treffpunkte für Männer, die in der eigenen Wohnung keinen Platz für einen Werkraum haben. Das gemeinsame Arbeiten wird dort vom Gesundheitsministerium gefördert - die soziale Integration soll sich positiv auf das Wohlbefinden auswirken. Schaude fand solche Treffpunkte für Demenzpatienten ideal.
"Demenz macht es schwer, Neues zu lernen, aber die Tätigkeiten hier haben die Männer ein Leben lang eingeübt." Die Teilnehmer streichen etwa Möbel oder flicken Fahrradreifen. "Das Erlebnis stärkt ihr Selbstbewusstsein."
Merken, dass man nicht alles verlernt hat
Diesen Ansatz findet auch der Leiter der Altersmedizin an der Berliner Charité, Oliver Peters, sinnvoll. "Diese Menschen bekommen oft signalisiert, dass sie etwas nicht mehr können", sagt er. "Durch das Arbeiten merken sie, dass sie nicht alles verlernt haben." Das könne sich günstig auf den Krankheitsverlauf auswirken, weil sich die Grundstimmung verbessere. "Das soziale Miteinander wird von vielen als positiv empfunden." Voraussetzung sei, dass es sich um Tätigkeiten handelt, die den Männern früher Spaß bereitet haben.
Gestartet ist der "Männerschuppen" vor rund einem Jahr, allerdings mit Unterbrechung. Zunächst war die Werkstatt in anderen Räumen untergebracht, doch dort gab es Probleme mit dem Vermieter. Mehrere Monate verstrichen, bis der neue Standort gefunden wurde. Auch die Finanzierung ist nicht gesichert: Bis vor Kurzem wurde der "Männerschuppen" vom Bund im Rahmen des Modellprogramms "Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz" gefördert. Ende August lief diese Unterstützung aus, eine Spende sichert vorerst den Fortbestand.

Gert Herrmann (l.) sitzt nicht gern untätig zuhause, wie er sagt
Foto: Silas Stein/ dpaVon Seiten der Stadt koordiniert Sabine Schmitz vom Pflegestützpunkt das Projekt. Sie steht an diesem Morgen ebenfalls mit einem Pinsel in der Hand in der Werkstatt. Sie würde die Treffen gern wöchentlich anbieten, statt nur jeden zweiten Dienstag im Monat. "Das Angebot ist langfristig angelegt, wir stehen immer noch am Anfang", sagt sie. Bei einem wöchentlichen Rhythmus hätten sie Anspruch auf Zuschüsse des Landes. Momentan fehlen dafür männliche Ehrenamtliche.
Schmitz fährt noch einmal los, um einen weiteren Mann mit Demenz abzuholen. Später sitzt dieser in der Werkstatt. Die Jacke hat er noch an. Vor ihm liegen zwei Schüsseln mit verschiedenen Schrauben. Ab und zu dreht er eine zwischen den Fingern. "Für ihn bräuchten wir eigentlich eine Eins-zu-eins-Betreuung", sagt Schaude. Der Mann nimmt zum zweiten Mal teil und Schaude sucht noch die richtige Beschäftigung für ihn.
"Dafür ist es wichtig, die Männer kennenzulernen, nur so kann man Talente finden." Die Hürde, herzukommen, sei allerdings hoch. "Demenzkranke lassen sich ungern auf Unbekanntes ein", sagt er. Seien sie erst einmal da, sei das Eis aber schnell gebrochen. "Zu Hause fragen sie nach, wann wir uns das nächste Mal treffen."