Gesundheitsstudie Diese zehn Leiden plagen die Deutschen am ärgsten
Wer in Deutschland geboren wurde, hat Glück. Wie viel, zeigt ein Blick in die aktuelle Global Burden of Disease Study , für die mehr als 1800 Forscher Daten zur Gesundheit der Weltbevölkerung ausgewertet haben. Ein 2015 in Deutschland geborenes Mädchen hat demnach im Schnitt 83 Lebensjahre vor sich, ein Junge immerhin 79. Das ist deutlich mehr als in den meisten anderen Ländern der Erde.
Neben der Lebenserwartung lässt sich aus den Ergebnissen jedoch auch ablesen, welche Erkrankungen den Menschen in Deutschland am meisten zusetzen. Dafür kombinierten die Forscher zwei Faktoren:
- Die Anzahl an Lebensjahre, die eine Krankheit durch einen frühzeitigen Tod raubt.
- Und die Anzahl an Lebensjahren, die jemand aufgrund einer Krankheit mit Einschränkungen leben muss.
Diese zehn Krankheiten haben demnach in Deutschland die stärksten Auswirkungen:
1. Koronare Herzkrankheiten
Herzleiden bereiten den Menschen in Deutschland die größten Probleme. Von einer koronaren Herzkrankheit sprechen Ärzte, wenn die Arterien verengt oder verschlossen sind, die das Herz mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen oder ein Infarkt können die Folge sein.
2014 starben allein an den Folgen einer chronischen koronaren Herzkrankheit 69.890 Menschen in Deutschland, berichtet das Statistische Bundesamt .
Statistiken zeigen zudem, dass Männer häufiger betroffen sind als Frauen. Ein Grund dafür sind schützende weibliche Geschlechtshormone. Daneben rauchen Frauen seltener als Männer, erklärt das Robert Koch-Institut (RKI) . Auch Bewegung, eine ausgewogene Ernährung und ein stressfreier Lebensstil schützen vor der Erkrankung.
Anteil Erwachsene mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland
Alter | Frauen | Männer |
---|---|---|
40 bis 49 Jahre | 3,6 Prozent | 6,5 Prozent |
50 bis 59 Jahre | 5,8 Prozent | 12,8 Prozent |
60 bis 69 Jahre | 21,1 Prozent | 29,2 Prozent |
70 bis 79 Jahre | 30,2 Prozent | 42,4 Prozent |
Gesamt | 13,2 Prozent | 19,2 Prozent |
2. Nacken - und Rückenschmerzen
Fragt man Arbeitnehmer in Deutschland nach typischen Beschwerden, unter denen sie leiden, klagen rund zwei Drittel über Verspannungen im Nacken sowie Rückenschmerzen. Die Techniker Krankenkasse berichtete 2014, dass Rückenschmerzen für rund 40 Millionen Fehltage im Jahr verantwortlich sind. Und laut der Barmer GEK steigt die Zahl der Patienten, die wegen dieses Leidens eine Klinik aufsuchen, stetig. 2013 gingen 415.000 Krankenhausaufenthalte auf Schmerzen im unteren Rücken zurück, so die Kasse.
Rückenschmerzen können plötzlich auftreten und von allein wieder verschwinden oder chronisch werden. Ärzte und Sportwissenschaftler betonen, wie wichtig es ist, dem Rückenschmerz durch Bewegung vorzubeugen und entgegenzuwirken. Wer viel im Sitzen arbeitet, tut seinem Rücken dabei nichts Gutes. Experten plädieren deshalb für höhenverstellbare Tische, bewegte Pausen und andere kleine Maßnahmen, etwa Konferenzen im Stehen.
3. Krankheiten der Sinnesorgane: Beispiel Kurzsichtigkeit
Früher war der Blick in die Ferne überlebensnotwendig, um etwa ein lauerndes Raubtier früh zu erkennen. Heute verbringen die Menschen einen Großteil des Tages damit, auf Computer-, Fernseh- oder Smartphone-Bildschirme zu starren.
Das macht sich bemerkbar: Mittlerweile sind gut 47 Prozent der 25- bis 29-jährigen Europäer kurzsichtig, berichten Forscher im "European Journal of Epidemiology" . Bei den 55- bis 59-Jährigen haben mit knapp 28 Prozent noch deutlich weniger Probleme damit, in die Ferne zu sehen. Wer gegen den Bildschirmstress ansteuern möchte, sollte seine Augen regelmäßig mit speziellen Übungen entspannen.
Auch das Gehör bereitet vielen Probleme. Dem Berufsverband der HNO-Ärzte zufolge ist in Deutschland etwa jeder 15. schwerhörig. Das Risiko dafür steigt mit dem Alter stark an. Vor allem dauerhafter Lärm kann den Ohren jedoch schon früh zusetzen, die Schäden lassen sich nicht rückgängig machen. Lärmschwerhörigkeit zählt zu den häufigsten anerkannten Berufskrankheiten, jedes Jahr kommen etwa 6000 Fälle dazu.
4. Lungenkrebs
Rund 55.000 Menschen erfahren dieses Jahr in Deutschland, dass sie an Lungenkrebs erkrankt sind, schätzt das Robert Koch-Institut (RKI). Männer sind deutlich öfter betroffen als Frauen. 2014 starben hierzulande laut Statistischem Bundesamt 45.049 Menschen an Lungenkrebs.
Eines der Probleme ist, dass ein verlässlicher Test zur Früherkennung von Lungenkrebs fehlt. Werden Tumoren in dem Organ entdeckt, ist die Erkrankung meist schon weiter fortgeschritten und damit schlecht behandelbar. Fünf Jahre nach der Diagnose ist weniger als ein Fünftel der Erkrankten noch am Leben.
Der größte Risikofaktor für Lungenkrebs ist Tabakrauch, laut RKI sind bei Männern bis zu 90 Prozent der Fälle, bei Frauen mindestens 60 Prozent aufs Rauchen zurückzuführen.
Die ersten Anzeichen von Lungenkrebs können laut Krebsinformationsdienst Husten, Luft- und Atemnot, Gewichtsverlust sowie Schmerzen in der Brust oder den Knochen sein. Insbesondere Raucher sollten diese Symptome deshalb beim Arzt abklären lassen.
Todesfälle durch Krebserkrankungen in Deutschland 2014
Lungen- und Bronchialkrebs | 45.049 |
Brustkrebs | 17.804 |
Dickdarmkrebs | 16.899 |
5. Schlaganfall
Jedes Jahr haben in Deutschland rund 200.000 Menschen einen Schlaganfall, berichtet der Berufsverband Deutscher Internisten. Der größte Teil davon entsteht durch einen Hirninfarkt, bei dem ein wichtiges Blutgefäß verstopft ist und das Gehirn nicht mehr richtig durchblutet wird. Seltener ist eine Hirnblutung die Ursache.
Das Risiko für einen Schlaganfall steigt mit dem Alter. Der Tod des Sängers Roger Cicero hat verdeutlicht, dass auch junge Menschen betroffen sein können. Von den 200.000 Betroffenen sind rund 10.000 weniger als 45 Jahre alt.
Je nachdem, welche Regionen betroffen sind, variieren die Symptome von Halbseitenlähmungen, Schwäche in Arm und/oder Bein, Sehschwierigkeiten, Sprach- und Schluckstörungen bis hin zu Schwindel. Dann zählt jede Sekunde. Je schneller Ärzte die Ursache behandeln, desto weniger Nervenzellen werden zerstört.
Etwa 10 bis 20 Prozent der Schlaganfälle kündigen sich Tage oder Wochen zuvor durch eine sogenannte Tia (Transitorisch ischämische Attacke) an, eine Art "Mini-Schlaganfall". Dabei entwickeln die Betroffenen typische Symptome, die allerdings nach kurzer Zeit wieder verschwinden. Halten die Beschwerden länger als 24 Stunden an, sprechen Ärzte von einem Schlaganfall. Betroffene sollten ebenfalls dringend einen Arzt aufsuchen.
6. Depression
Etwa vier Millionen Menschen in Deutschland stecken gerade in einer depressiven Episode, schätzt die Deutsche Depressionshilfe. Weit mehr haben schon einmal eine solche erlebt - oder werden noch daran erkranken. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die meisten Menschen, die Suizid begehen, leiden unter Depressionen.
Die Krankheit lässt sich am besten mithilfe einer Psychotherapie und mit Antidepressiva überwinden, oft wird beides kombiniert.
Es kommt häufig vor, dass Depressive sich von ihrem Umfeld nicht ernst genommen oder sogar ausgegrenzt fühlen. Gleichzeitig sind Familie und Freunde oft ratlos, wie sie mit dem Erkrankten umgehen sollen. Hier finden Sie einen Leitfaden für Angehörige.
7. Alzheimer
Viele setzen Alzheimer mit Demenz gleich, tatsächlich aber handelt es sich bei Alzheimer um die häufigste Unterform der Demenz. Sie macht mindestens zwei Drittel der Erkrankungen aus. Viel zitierten Schätzungen zufolge wird sich die Zahl der Demenzkranken aufgrund der alternden Gesellschaft bis zum Jahr 2050 verdoppeln - von heute 1,5 Millionen auf drei Millionen. Das entspreche einem mittleren Anstieg der Erkrankten um 40.000 pro Jahr und um mehr als hundert pro Tag, schreibt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft.
Andere Forscher halten diese Prognosen für zu düster. Der Grund: Die Zahl der Demenzkranken steigt zwar, weil die Bevölkerung älter wird. Für den Einzelnen aber ist das Risiko zu erkranken, in den vergangenen Jahrzehnten gesunken. Auch werden die Diagnosen im Schnitt später gestellt. Ein wichtiger Faktor dabei ist wahrscheinlich eine bessere Bildung der Menschen.
Wirklich schützen wird letztendlich jedoch nur ein wirksames Medikament, das es momentan noch nicht gibt. Aktuell gehen Forscher vielen Ideen nach, wie sie die Krankheit aufhalten könnten - etwa mit Antikörpern oder Lithium.
8. Diabetes
Etwa sechs Millionen Menschen in Deutschland sind zuckerkrank. Ein kleiner Anteil von ihnen leidet unter Diabetes Typ 1, der schon in der Kindheit oder Jugend ausbricht. Diese Krankheit entsteht, weil das Immunsystem bestimmte Zellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört. In Deutschland leben nach Schätzung des RKI rund 30.400 Kinder und Jugendliche mit Diabetes Typ 1. Sie müssen sich Insulin spritzen, weil ihr Körper das Hormon nicht mehr produziert.
Die meisten Zuckerkranken in Deutschland aber haben Diabetes Typ 2, der durch Bewegungsmangel und Übergewicht gefördert wird. Mit dem Alter steigt die Häufigkeit der Krankheit deutlich an: Sind bei den unter 50-Jährigen noch weniger als fünf Prozent betroffen, sind es bei den über 70-Jährigen mehr als 20 Prozent.
Gefürchtet sind die Spätfolgen der Krankheit: Die erhöhten Blutzuckerwerte steigern das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, Erblindung, Nierenversagen, Nervenschäden und Fußamputationen.
Um solche Komplikationen zu vermeiden, ist es wichtig, den Diabetes richtig zu behandeln - also die Ernährung anzupassen, sich ausreichend zu bewegen, gegebenenfalls abzunehmen sowie die Blutzucker-, Blutfett- und Blutdruckwerte im Blick zu behalten. Eventuell müssen Typ-2-Diabetiker dafür auch Medikamente einnehmen.
9. Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung COPD
Viele haben eine COPD, ohne davon zu wissen. Bei der Krankheit sind die Atemwege entzündet und dauerhaft verengt, sodass die Lunge schneller altert. Zu den typischen Anzeichen gehörten Dauerhusten und Kurzatmigkeit, etwa beim Treppensteigen. Zwar lässt sich die Erkrankung nicht heilen. Wird sie früh therapiert, können Medikamente und Atemtherapien das Fortschreiten aber verlangsamen.
Die Deutsche Atemwegsliga geht davon aus, dass allein in Deutschland bis zu fünf Millionen Menschen unter COPD leiden. Ein wichtiger Risikofaktor ist jahrelanges Rauchen. Auch Passivraucher sind gefährdet, ebenso wie Menschen, die auf der Arbeit dauerhaft Schadstoffen aus der Luft ausgesetzt sind.
10. Darmkrebs
Jährlich wird bei mehr als 60.000 Menschen in Deutschland Darmkrebs diagnostiziert, berichtet das RKI. Die meisten Erkrankten sind Anfang bis Mitte 70, wenn der Krebs entdeckt wird. Männer und Frauen sind ähnlich oft betroffen.
Übergewicht, Tabakkonsum, Bewegungsmangel und eine ballaststoffarme Ernährung erhöhen das Risiko. 2015 stufte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) zudem verarbeitetes Fleisch, also etwa Wurst und Corned Beef, als krebserregend ein. Rotes Fleisch wurde als wahrscheinlich krebserregend kategorisiert. Der Verzehr dieser Fleischprodukte erhöht demnach die Gefahr für Darmkrebs.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, 2015 in Deutschland geborene Männer haben eine Lebenserwartung von 72 Jahren. Wir haben den Fehler korrigiert.