Matratzenwahl "Schlafstörungen verstärken Schmerzen"

Siebenzonenkaltschaum, Federkern oder gar Wasserbett - welche Matratze ist die beste für den Rücken? Mediziner Bernd Kladny erklärt, wie man am besten liegt - und was viel wichtiger ist, um Rückenschmerzen vorzubeugen.
Inneres einer Taschenfederkernmatratze: "Menschen merken, wenn sie auf einer durchgelegten Matratze liegen"

Inneres einer Taschenfederkernmatratze: "Menschen merken, wenn sie auf einer durchgelegten Matratze liegen"

Foto: Harrison Spinks Ltd/ dpa
ZUR PERSON

Bernd Kladny ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie sowie Professor und Chefarzt für Orthopädie an der Fachklinik Herzogenaurach.

SPIEGEL ONLINE: Wie sollte die richtige Matratze für einen Rückenschmerzpatienten beschaffen sein?

Bernd Kladny: Ein Patient muss ausprobieren, ob er auf einer Matratze gut liegt, und wenn das der Fall ist, sind alle Dogmen überflüssig. Zum Beispiel, dass man möglichst hart liegen sollte. Früher hat man Menschen mit Rückenproblemen auf Türen gelegt oder auf den nackten Boden. Dann gab es Zeiten, wo der japanische Futon, mit Rosshaar und anderen Zutaten, als Maß aller Dinge galt. Aber wenn mit einer solchen Matratze Rückenschmerzen wirklich geheilt werden könnten, dann würde sie sich auf Dauer durchsetzen. Da das nicht der Fall ist,muss jeder nach der individuell besten Lösung suchen.

SPIEGEL ONLINE: Gibt es denn aus Sicht des Orthopäden keinerlei Maßgaben für eine gute Matratze?

Kladny: Meiner Ansicht nach ist es eine stimmige Überlegung, dass eine Matratze in Einheit mit dem Lattenrost dafür sorgen soll, dass die Wirbelsäule nicht durchhängt. Aber Menschen merken, wenn sie auf einer durchgelegenen Matratze liegen, wenn sie zu hart oder zu weich ist, wir erleben das öfter in der Klinik.

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SPIEGEL ONLINE: Was machen Sie dann?

Kladny: An unseren Betten kann man die Einstellung des Lattenrosts ändern. Prinzipiell ist es sinnvoll, wenn die Matratze im Bereich der Schultern und des Beckens ein bisschen mehr nachgibt als in den anderen Regionen, denn wenn wir auf der Seite liegen, sind wir ja nicht völlig gerade, sondern haben dort Ausbuchtungen.

SPIEGEL ONLINE: Das heißt, verschieden elastische Zonen für verschiedene Körperteile bei einer Matratze sind sinnvoll?

Kladny: Die Idee dabei ist, dass die Matratze in der Hüft- und Schulterregion stärker nachgibt, so dass die Wirbelsäule gerade liegt. Dadurch soll verhindert werden, dass die Bandscheiben beim Schlafen unsymmetrisch zusammengedrückt werden. Stattdessen sollen sie in der Ruhe wieder die Möglichkeit haben, sich auszudehnen und Flüssigkeit sowie Nährstoffe aufzunehmen.

SPIEGEL ONLINE: Ist diese Wirkung von Mehrzonenmatratzen wissenschaftlich bewiesen?

Kladny: Nein, dazu gibt es kaum Studien.

SPIEGEL ONLINE: Wir liegen und sitzen den überwiegenden Teil unseres Lebens -warum gibt es kaum Forschung darüber, welche Matratze und welcher Bürostuhl gegen Rückenschmerzen hilft?

Kladny: Rückenschmerzen sind sehr komplex, die Ursachen individuell verschieden. Man müsste sehr viele Menschen auf unterschiedliche Bürostühle setzen oder auf unterschiedliche Matratzen legen, sie nach ihren Schmerzen fragen und diese vergleichen. Die Studien müssten über lange Zeiträume gehen, um Effekte in der Prävention von Rückenschmerzen nachweisen zu können. Zudem würde jeder Einsatz von anderen Behandlungsmaßnahmen, wie beispielsweise Schmerzmittel, die wissenschaftliche Aussage verfälschen - und welcher Studienteilnehmer würde schon auf jegliche Behandlung verzichten, wenn er Schmerzen hat, um die Studie nicht zu gefährden?

SPIEGEL ONLINE: Hat man das Problem nicht bei jeder Studie zu Rückenschmerzen?

Kladny: Es ist bedeutend einfacher, einer Gruppe von Menschen ein Schmerzmittel zu geben und der anderen ein Placebo und dann festzustellen, ob die Schmerzen abnehmen. Außerdem muss die Studie finanziert werden. Die Kosten dafür sind mit einem patentierten Medikament wesentlich leichter wieder hereinzuholen. Bei Stühlen oder Matratzen müssten sie auf den Preis aufgeschlagen werden und würden das Produkt erheblich verteuern. Es könnten am Ende gerade die Firmen profitieren, die solche Ausgaben nicht hatten, weil diese billigere Produkte anbieten könnten.

SPIEGEL ONLINE: Was ist von Wasserbetten zu halten?

Kladny: Für Wasserbetten sehe ich aus orthopädischer Sicht keinen besonderen Vorteil. Auch hier gilt, dass man ein Produkt wählen sollte, in dem man sich wohl fühlt. Und wenn das ein Wasserbett ist - warum nicht.

SPIEGEL ONLINE: Wenn man abends ohne Schmerzen ins Bett geht und morgens mit Schmerzen aufwacht - könnte das an der Matratze liegen?

Kladny: Eine ganz aktuelle Studie zeigt, dass Schlafstörungen Schmerzen verstärken - und das gilt sowohl für Rücken- als auch für andere chronische Schmerzen. Wir haben mittlerweile gelernt, dass Rückenschmerzen kein rein mechanisches Problem sind. Jeder Schmerz entsteht letztlich im Gehirn und es geht den Patienten schlechter, die nicht ausgeschlafen sind. Ich würde Schlafen und das Bett deshalb als eine Einheit sehen. Alles, was einen erholsamen Schlaf stört, kann auch Rückenschmerzen verursachen - und damit natürlich auch die Matratze.

SPIEGEL ONLINE: Man sollte sich also darum kümmern, dass man gut schläft - und sich nicht zu viele Gedanken über die richtige Matratze machen?

Kladny: Generell würde ich die Matratzenwahl nicht überbewerten. Für Menschen mit Rückenschmerzen ist es am wichtigsten, dass sie nicht allzu viel im Bett liegen, sondern körperlich aktiv bleiben, damit die Muskulatur trainiert wird. Mit anderen Worten: Die körperliche Aktivität über den Tag ist viel wichtiger für einen schmerzfreien Rücken als das Liegen in der Nacht.


Der Text ist ein bearbeiteter Auszug aus dem Buch "Viel Rücken. Wenig Rat - wie ich der Ursache meiner Schmerzen auf die Spur kam" von Frederik Jötten, das soeben bei Rowohlt erschienen ist. Darin schildert der Autor mit Humor die Geschichte einer Behandlungsodyssee. Experten wie Bernd Kladny bewerten die Optionen - wie hier die Matratze. An anderer Stelle wird auf das richtige Sitzen am Schreibtisch eingegangen.

Das Interview führte Frederik Jötten
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