Umfrage zu E-Zigaretten
Jugendliche probieren am häufigsten
Neue Zahlen des Deutschen Krebsforschungszentrums zeigen, dass immer mehr Raucher - und vor allem Jugendliche - E-Zigaretten ausprobieren. Beim Rauchstopp gibt es dagegen beliebtere Alternativen.
Martin Lehmann könnte auch Süßigkeiten verkaufen - immerhin bietet er die gleichen Geschmacksrichtungen an: Karamell, Kuchen, Erdbeer-Menthol, Vanillepudding. Lehmann verkauft in seinem kürzlich eröffneten Hamburger Geschäft allerdings elektronische Zigaretten. Natürlich nicht an Minderjährige, sagt er. In seinem Online-Shop sei das zugegebenermaßen schwer zu überprüfen. Immerhin gebe es einen Hinweis auf das Mindestalter von 18 Jahren.
Laut einer aktuellen Umfrage des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) probieren immer mehr Deutsche die E-Zigarette aus - allen voran Jugendliche. "Die experimentierfreudigsten E-Zigarettenkonsumenten waren junge Raucher zwischen 16 und 19 Jahren", schreibt das DKFZ in seiner Mitteilung. 2014 hat jeder vierte Jugendliche die elektronische Rauchvariante mindestens einmal probiert. Bekannt ist sie laut der Umfrage bei 100 Prozent der Jugendlichen.
Seit 2012 befragt die Gesellschaft für Konsumforschung (GFK) im Auftrag des DKFZ jedes Jahr rund 2000 Raucher aller Altersklassen, ob sie E-Zigaretten ausprobiert haben und weiterhin nutzen. Zum Stichtag im Februar 2014 erfasste das Institut erstmals auch die Erfahrungen von Nicht- und ehemaligen Rauchern. Die Ergebnisse zeigen einen klaren Trend nach oben. In diesem Jahr gab jeder fünfte Raucher an, E-Zigaretten ausprobiert zu haben. Vor zwei Jahren war es nicht einmal jeder Zehnte.
"Das Ritual des Rauchens lernen"
Wie populär die E-Zigarette unter Jugendlichen ist, merkt Dorina Kunzweiler-Holzer von der Berliner Fachstelle für Suchtprävention fast täglich. Dort bitten immer mehr Schulleiter um Rat, wie sie mit dampfenden Siebtklässlern auf dem Pausenhof umgehen sollen. "Die Zahl der Anfragen ist exponentiell gestiegen", so Kunzweiler-Holzer.
Eine Studie der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) kommt zu einem ähnlichen Schluss. Demnach hatten jugendliche E-Zigarettenkonsumenten wesentlich häufiger die Absicht, Tabakzigaretten zu rauchen als ihre vollkommen rauchfreien Mitschüler. Die Zahl der E-Raucher unter Schülern ist in den USA seit 2011 von rund 79.000 auf mehr als eine Viertelmillion angestiegen. Suchtforscher Heino Stöver von der Frankfurt University of Applied Sciences beobachtet in solchen Fällen ebenfalls eine höhere Affinität zum Rauchen. Er betont allerdings, "dass die Jugendlichen nicht unweigerlich zum Tabakkonsum übergehen."
Die Jugendlichen kaufen die elektronischen Zigaretten laut der Berliner Fachstelle für Suchtprävention häufig im Internet und an Kiosken. Noch ist das in Deutschland erlaubt. Die EU hat ihre Mitgliedstaaten mit der Tabakprodukterichtlinie zwar verpflichtet, E-Zigaretten-Werbung und den Verkauf an Jugendliche zu verbieten. Einen Termin für die Umsetzung der Richtlinie in Deutschland gebe es noch nicht, teilte das federführende Bundesverbraucherministerium auf Anfrage mit. Spätestens im Mai 2016 muss laut EU-Recht ein Gesetz in Kraft treten.
E-Zigarettenhändler Lehmann will die Zeit bis dahin nutzen und in den Hamburger S- und U-Bahnen werben. "Wir verkaufen ein Lifestyle-Produkt", sagt er. Das will beworben werden.
Suchtforscher kritisieren, dass solche Werbung häufig auf Jugendliche abzielt. Red Kiwi, größter Hersteller von E-Zigaretten in Deutschland, unterstützt zum Beispiel eine Autorennserie. Gegenüber SPIEGEL ONLINE bestritt die Firma zwar, dass das Sponsoring auf Jugendliche abziele. Wer sich bei der Altersabfrage im Online-Shop als minderjährig ausgibt, landet jedoch auf der Facebook-Seite eines von Red Kiwi unterstützten Rallye-Fahrers. Auf Nachfrage teilte das Unternehmen mit, es handele sich dabei um ein Versehen und entfernte die Verlinkung.
Ex-Raucher nutzen E-Zigarette kaum
So bekannt die E-Zigarette unter deutschen Jugendlichen ist, so wenige Deutsche nutzen die elektronische Variante dauerhaft. Lediglich 0,4 Prozent aller im Februar von der GFK Befragten gaben an, dass sie das neue Produkt ausprobiert haben und weiterhin nutzen. Von den ehemaligen Rauchern sagte niemand, dass er dauerhaft umgestiegen sei. Immerhin hatten 0,2 Prozent von ihnen E-Zigaretten genutzt, um mit dem Rauchen aufzuhören.
Helfen elektronische Zigaretten also gar nicht beim Rauchstopp, wie von Herstellern und einigen Forschern behauptet? Eine Studie der britischen Anti-Tabak-Kampagne Action on Smoking and Health kommt zu dem Ergebnis, dass zwei Drittel der E-Zigarettennutzer Raucher seien. Das letzte Drittel seien Nichtraucher. Sie gaben überwiegend an, dass die E-Zigarette ihnen geholfen habe, von der Tabakzigarette loszukommen.
Einen garantiert sicheren Weg, um mit dem Rauchen aufzuhören, haben laut DKFZ mehr als 80 Prozent der Ex-Raucher gewählt. Er heißt kalter Entzug.
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Foto: privat
Timo Stukenberg studiert Volkswirtschaftslehre, Journalismus, vor allem aber das Gesundheitswesen. Er arbeitet als freier Wirtschafts- und Gesundheitsjournalist.