Heiler in Westafrika "Ich weiß nichts über Ebola"

Heiler James: "Ich weiß nur, dass das Virus ansteckend ist, und behandele keine Ebola-Patienten mehr."
Foto: DPA/ IFRCFreetown/Monrovia - Dieser Satz ist ein Erfolg: "Ich weiß überhaupt nichts über Ebola", sagt der traditionelle Heiler Falla James aus Sierra Leone. "Ich weiß nur, dass das Virus ansteckend ist, und habe deshalb beschlossen, keine Ebola-Patienten mehr zu behandeln." Die Aussage ist das Ergebnis von intensiver Aufklärungsarbeit.
Lange dachten traditionelle Heiler in Afrika, sie könnten das Virus mit ihren Methoden besiegen - ein schrecklicher Irrtum. Inzwischen findet ein Umdenken statt. Auch weil die Aufklärer der verschiedenen Gesundheitsorganisationen überall in der von der Epidemie betroffenen Region im Einsatz sind, schließen sich James mittlerweile immer mehr seiner Kollegen an.
"Traditionelle Heiler stellen einen wichtigen Teil der Medizin in Westafrika dar", sagt die Ebola-Koordinatorin des Roten Kreuzes in Liberia, Neima Candy. "Als Ebola hier erstmals auftrat, hatten die Menschen große Angst. Weil sie dem öffentlichen Gesundheitssystem misstrauten, wandten sie sich lieber an Heiler und Gebetshäuser."
Salzwasserbad gegen das Virus
Dort wurde ihnen erzählt, bei der Krankheit handele es sich um "ein Werk des Teufels", dem man etwa mit Kräutern zu Leibe rücken müsse. Als im August erste Fälle in Nigeria auftauchten, wurde empfohlen, in Salzwasser zu baden, um dem Virus den Garaus zu machen.
"Letztlich haben die Heiler hier in Sierra Leone zum Tod vieler Menschen beigetragen, weil sie die Leute glauben machen, Hexenkunst habe sie krank gemacht und nicht Ebola", sagt der Geschäftsmann Mohamed Camara aus dem nordwestlichen Bezirk Port Loko. Dann aber passierte etwas: Auch die Heiler infizierten sich mit dem Virus. Erst kürzlich zeigte im Distrikt Koinadugu ein Heiler nach der Behandlung eines Ebola-Patienten selbst Symptome. "Er ist zusammen mit seiner Frau aus der Region geflohen", so der örtliche Gesundheitsarbeiter Abdulai Sesay.
Solche Fälle verändern etwas. Die Bevölkerung habe endlich verstanden, dass vielleicht doch etwas anderes hinter der Krankheit stecke als Zauberei, sagt Rot-Kreuz-Expertin Neima Candy. Als immer mehr Berichte über Überlebende auftauchten, die von westlicher Medizin geheilt worden waren, hätten sich viele von der traditionellen Medizin abgewandt.
Ein Arzt für 100.000 Patienten
Mittlerweile beteiligen sich die Heiler selbst an den Sensibilisierungskampagnen. Die Frauen der Bondo-Gesellschaft in Sierra Leone, die für das Beschneidungsritual von Mädchen zuständig sind, versprachen, die blutige Praxis der Genitalverstümmlung - die von vielen Organisationen kritisiert und in zahlreichen Staaten verboten ist - bis auf Weiteres einzustellen. Erst wenn die Regierung die Epidemie für beendet erkläre, werde die Tradition fortgesetzt, hieß es. Ebola wird durch den Kontakt mit Körperflüssigkeiten wie Blut oder Speichel übertragen.
Fallah James, der Chef der traditionellen Heiler im besonders schlimm betroffenen östlichen Bezirk Kailahun, meint: "Ich kann Menschen helfen, die verflucht worden sind, und ihnen den bösen Blick austreiben. Ich kann bei Kopfschmerzen helfen und selbst bei einem gebrochenen Bein." Bei Ebola aber liege die Sache anders: Als ihm auch vom Roten Kreuz erklärt worden sei, dass Ebola durch Körperkontakt übertragen werden kann, habe er mit der Behandlung von Ebola-Patienten sofort aufgehört. "Für meine Kollegen kann ich aber nicht garantieren."
Ein weiteres Problem ist die schlechte medizinische Versorgung: Viele leben in Westafrika in so abgeschiedenen Gebieten, dass ein Gesundheitszentrum oder gar Krankenhaus nur schwer zu erreichen ist. Europäer können sich die Zustände kaum vorstellen. "Die drei Ebola-Länder gehören zu den Staaten mit den schlechtesten Gesundheitssystemen der Welt", sagt Melanie Gallant, die für die Hilfsorganisation Oxfam die Medienarbeit zu Ebola koordiniert. In Liberia etwa gebe es nur einen Arzt für 100.000 Patienten - in Deutschland liegt die Zahl bei 229.
"Wir müssen aus diesem Ebola-Ausbruch lernen, damit so etwas nie wieder passiert", sagt Gallant. Oxfam hatte erst kürzlich gewarnt, dass Misstrauen, Gerüchte und Mythen über Ebola ein wesentlicher Grund für die Ausbreitung des Virus waren - und noch immer sind. Die Organisation rief dazu auf, die Präventionsarbeit vor Ort weiter zu verstärken und auch finanziell besser auszustatten.
Denn immer noch verstecken Familien kranke Angehörige in ihren Häusern - aus Angst vor Stigmatisierung, vor allem aber vor den Quarantänestationen, in denen die Patienten isoliert werden. "Da sterbe ich doch lieber in meinem Haus, als mich in so einem Krankenhaus in Schmerzen zu winden", sagt der Brotverkäufer Mohamed Sankoh aus Freetown. So wie er denken viele. Die mutigen Helfer stehen in Westafrika weiter vor einer Herkulesaufgabe.