Westafrika Was die Welt aus der Ebola-Epidemie lernen muss

Westafrika galt offiziell als Ebola-frei - endlich. Besiegt ist das Virus damit aber nicht. Wie ist die Welt auf einen erneuten Ausbruch vorbereitet? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Seuche.
"Bye bye, Au revoir Ebola": Menschen feiern das Ende der Epidemie in Guinea (Archivbild)

"Bye bye, Au revoir Ebola": Menschen feiern das Ende der Epidemie in Guinea (Archivbild)

Foto: CELLOU BINANI/ AFP

Eine gute Nachricht, verkündet von der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Liberia ist frei von Ebola - und somit ganz Westafrika. Nach über 28.000 Erkrankten und mehr als 11.000 Toten. Erstmals wütete das Virus in den Siebzigerjahren in Zaire. Doch noch nie kamen bei einem Ausbruch so viele Menschen ums Leben.

Das Virus wird über Körperflüssigkeiten übertragen, greift das Immunsystem und lebenswichtige Organe an. Die Erkrankten bekommen Fieber, sie erbrechen sich, zudem kommt es häufig zu lebensbedrohlichen inneren Blutungen und zum Schock.

Nach allem, was man weiß, hatte diese Epidemie in einem kleinen Dorf Ende Dezember 2013 ihren Ursprung. Damals trat nach WHO-Erkenntnissen in Gueckedou in Guinea der erste Fall eines kleinen Jungen auf. Vor dort breitete sich das Virus schnell in die Nachbarländer aus.

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Ebola in Guinea: Die Zeugen

Foto: Ricci Shryock/ Save the Children

Auch wenn Ebola in Westafrika jetzt besiegt scheint, ist das Virus nicht aus der Welt, es schlummert nur. Der Überblick:

(Anmerkung der Redaktion: Inzwischen ist ein neuer Fall in Sierra Leone aufgetreten - eine Frau soll an dem Virus gestorben sein.)

Könnte eine Impfung eine neue Epidemie verhindern?
Eine Impfung, die Mitte 2015 in Afrika getestet wurde, brachte sehr gute Ergebnisse. Von den mehr als 2000 Geimpften, die bei einem Feldversuch in Guinea mitmachten, infizierte sich zehn Tage nach Gabe des Medikaments keiner mehr mit der tödlichen Krankheit. Die Probanden waren alle Kontaktpersonen einer Person, die schon mit Ebola infiziert war. Der Lebendimpfstoff VSV-ZEBOV bot demnach ab zehn Tagen einen hundertprozentigen Schutz, heißt es in einer Studie, die im Fachmagazin "The Lancet"  veröffentlicht wurde. Noch ist aber nicht sicher, ob sich das Mittel für einen breiten Einsatz eignet - Untersuchungen laufen weiter. Zudem muss es kalt gelagert werden, ein Problem in tropischen Regionen. Sollte das Mittel irgendwann marktfähig sein, hätte es das Potenzial, eine erneute Epidemie zumindest stark einzudämmen.

Hätten einige Ebola-Opfer gerettet werden können?
Ja, vieles deutet darauf hin. Der getestete Impfstoff ist schon lange bekannt. Er wurde bereits 2005 erfolgreich an Affen getestet - anschließend aber nicht weiter entwickelt. Weil Forschungsgelder und damit das Interesse fehlten. Erst, als der Ausbruch in Afrika zu einer internationalen Pandemie zu werden drohte, änderte sich das - im Oktober 2014 gab es den ersten Fall in den USA. Für den überwiegenden Teil der Opfer in Westafrika kam das Impfserum zu spät. Auch die WHO wurde für ihr zögerliches Handeln scharf kritisiert. Ein Expertengremium vom Harvard's Global Health Institute (HGHI) und der London School of Hygiene & Tropical Medicine (LSHTM) hatte angemerkt, dass der internationale Gesundheitsnotfall erst im August 2014 ausgerufen wurde - und damit viel zu spät. Bereits zuvor hatten Experten gewarnt, dass die Epidemie außer Kontrolle sei.

Lässt sich Ebola heute besser behandeln als vor der Epidemie? Mediziner haben einiges über die mögliche Behandlung gelernt. Während des Ausbruchs erhielten einige Patienten Blutspenden von Ebola-Überlebenden. Die darin enthaltenen Antikörper sollten ihnen helfen, die Krankheit besser durchzustehen. Eine Auswertung der Daten  zeigt aber: Die Blutspenden erhöhten nicht die Überlebenschance.

Von Ärzte ohne Grenzen behandelte Patienten erhielten als Standard auch ein Anti-Malaria-Mittel. Zwischenzeitig musste wegen Lieferengpässen das Präparat gewechselt werden. Nun zeigte sich: Die Wahl des Medikaments beeinflusste die Überlebensrate: Aber noch ist nicht ganz sicher, ob das Medikament Artesunat-Amodiaquin  tatsächlich hilft, die Krankheit zu überstehen. Oder ob ein anderes, Artemether-Lumefantrin, die Überlebenschancen verschlechtert.

Während des Ausbruchs wurden einige Medikamente eingesetzt, die sich noch in der Entwicklung befanden, darunter die Wirkstoffe Favipiravir und ZMapp. Die während der Epidemie gesammelten Daten sind vergleichsweise dünn, sodass sich kaum beurteilen lässt, welche wie gut helfen. Gerade die in Europa und den USA behandelten Patienten verdeutlichten, dass eine intensivmedizinische Betreuung die Überlebenschancen der Erkrankten verbessert.

Chronologie Ebola

Die Ebolafieber-Epidemie in Westafrika 2014/15 war die bisher verheerendste der Geschichte. Mehr als 11.300 Menschen fielen der Fieberkrankheit zum Opfer. Ein Rückblick.Dezember 2013: Die Seuche bricht im westafrikanischen Guinea aus und verbreitet sich in den Nachbarländern Sierra Leone und Liberia.23. März 2014: In Guinea sind laut einem Radiobericht etwa 60 Menschen an Ebola gestorben, es gibt fast 100 Infizierte.23. Juni 2014: Experten warnen, die Epidemie sei außer Kontrolle.31. Juli 2014: Sierra Leone erklärt den nationalen Notstand.4. August 2014: Ebola breitet sich in Nigeria aus.6. August 2014: Liberia verhängt ebenfalls den Notstand.7. August 2014: Erstmals wird ein Ebola-Infizierter zur Behandlung nach Europa eingeflogen. Der spanische Priester stirbt wenige Tage später. Auch Deutschland fliegt Patienten ein.8. August 2014: Die WHO stuft die Ebola-Epidemie als Internationalen Gesundheitsnotfall ein. Nigeria ruft den nationalen Notstand aus.11. August 2014: Die Zahl der Toten steigt laut WHO auf mehr als 1000.29. August 2014: Im Senegal wird ein Ebola-Patient identifiziert.10. Oktober 2014: Zum ersten Mal steckt sich ein Mensch in den USA bei einem anderen Menschen mit Ebola an. Die Krankenschwester hatte sich bei einem Patienten infiziert.7. November 2015: Die WHO erklärt die Ebola-Ausbreitung in Sierra Leone für beendet. Guinea folgt am 29. Dezember. Sofern bis zum 14. Januar 2016 kein neuer Fall auftritt, wird auch Liberia für ebolafrei erklärt.

Wie wurde das Virus übertragen?
Ebola hat ursprünglich Tiere befallen, aber im Laufe der Evolution gelernt, auch den Menschen zu infizieren. Allerdings ist nicht klar, welche Tiere dem Erreger als Reservoir dienen oder - anders formuliert - wo sich das Virus ausbreitet, bevor es den Menschen befällt.

Unter Gorillas und Schimpansen gab es mehrfach Ebola-Ausbrüche, die teils auch zu Infektionen beim Menschen führten. Allerdings erkranken die Primaten zu schwer, um dem Virus als Reservoir zu dienen. Als Reservoir kommen vor allem Tiere infrage, die sich zwar infizieren, aber keine Symptome entwickeln, sodass sich der Erreger in Ruhe vermehren kann. Primaten können einen Ausbruch demnach zwar verstärken, beherbergen das Virus aber nicht dauerhaft.

Indizien weisen viel eher darauf hin, dass der gerade beendete Ausbruch seinen Ursprung in der Fledermausart Mops condylurus hatte. 2014 hatten Forscher DNA-Spuren dieser Art an einem ausgebrannten Baum entdeckt, an dem der Zweijährige, der sich bei dem Ausbruch als erster Mensch infiziert hatte, regelmäßig mit Freunden Fledermäuse gejagt hat. Zuvor waren viele Forscher davon ausgegangen, dass Flughunde die Epidemie ausgelöst hatten. Für die Theorie spricht auch, dass das dem Ebola-Virus sehr ähnliche Marburg-Virus durch Flughunde übertragen wird.

Wie hat sich die Epidemie auf die Wirtschaft Westafrikas ausgewirkt?

Die Wirtschaft der betroffenen Länder hat stark gelitten. Umfragen dokumentieren zum Beispiel für Sierra Leone, dass im Schnitt fünf Prozent der zuvor Werktätigen in der Hochphase des Ausbruchs nicht arbeiteten oder ihre Arbeit verloren hatten. In der Hauptstadt Freetown, einem Zentrum der Krankheit, waren neun Prozent mehr Menschen vorübergehend arbeitslos. Im Mai 2015 hatte sich die Situation wieder erholt, in einigen Städten lag die Beschäftigungsquote sogar höher als vor der Ebola-Epidemie. 85 Prozent der Befragten  hatten zu diesem Zeitpunkt einen Job. Allerdings verdienten sie im Schnitt weniger als vor der Krise. Für Liberia berichteten Forscher Ähnliches: Auch dort hätten wieder viele Menschen eine Arbeit, die zeitweise während des Höhepunkts der Ebola-Epidemie arbeitslos waren.

Wie steht es um die medizinische Versorgung in Westafrika ?
Es gibt verschiedene Zahlen dazu, wie viele Ärzte, Pfleger, Hebammen und andere im Gesundheitswesen Arbeitende durch Ebola ums Leben kamen. Ein WHO-Bericht vom Mai 2015 spricht von 109 Todesfällen in Guinea, 157 in Liberia und 152 in Sierra Leone - die Mehrheit von ihnen waren Krankenpfleger. In Ländern, in denen die medizinische Versorgung ohnehin nicht optimal ist und es wenige Fachkräfte gibt, reißen diese Todesfälle wahrscheinlich Lücken, die lange nachwirken. Im Juli 2015 etwa rechneten Forscher im "Lancet"  aus, dass aufgrund der Todesfälle unter Ärzten, Pflegern und Hebammen die Mütter-, Säuglings- und Kindersterblichkeit wieder steigen wird. In den drei Ländern würden deshalb schätzungsweise etwa 4000 Frauen jährlich mehr im Kindbett sterben.

Fast ein Jahr geschlossene Schulen - was sind die Folgen?
In den betroffenen Staaten waren die Schulen zum Teil fast ein Jahr nicht in Betrieb. Einige Hilfsorganisationen, darunter Save the Children, haben Kinder und Jugendlichen zu den Folgen befragt. "Die Ergebnisse verdeutlichten auch, dass Schulen ein sicherer Raum für Heranwachsende sind", sagt Roel Debruyne von Save the Children. Es kam öfter zu Kinderarbeit, Kinder waren häufiger Gewalt ausgesetzt, die Zahl der Teenager-Schwangerschaften stieg. "Jetzt ist es eine große Herausforderung, dass die Kinder und Jugendlichen alles nachholen. Viele Schulen sind ohnehin überlastet", so Debruyne.

Oft säßen 50 Kinder oder mehr in einem Klassenzimmer. Dazu kommt: "Durch die Krise sind viele Familien noch ärmer geworden. Es ist wahrscheinlich, dass deshalb Kinder nicht wieder in die Schule geschickt werden, weil es sich die Eltern nicht mehr leisten können", sagt Debruyne. Wichtig sei jetzt, dass sich die Gesellschaft schnell von der Krise erholte. Die Schulen würden dabei gezielt mit nationalen und internationalen Hilfsprogrammen gefördert.

Wie geht es den rund 15.000 Ebola-Überlebenden gesundheitlich? Bei einer Studie mit 277 Ebola-Überlebenden  litt ein Großteil auch drei Monate später noch unter den Folgen: 60 Prozent klagten über Sehschwierigkeiten. 24 Prozent über Hörprobleme, vor allem über Tinnitus. Und 76 Prozent hatten Gelenkschmerzen, obwohl die Teilnehmer der Studie im Durchschnitt erst 29 Jahre alt waren. Was die Beschwerden des Post-Ebola-Syndroms, wie es Forscher nennen, verursacht, ist noch unklar. Im Hinblick auf die Augen existiert jedoch eine beunruhigende Vermutung: Sie zählen wie etwa auch die Hoden zu den sogenannten immunprivilegierten Bereichen.

In ihnen ist das Immunsystem herunterreguliert, um das empfindliche Gewebe nicht zu gefährden. Der Fall eines US-Mediziners spricht dafür, dass das Ebolavirus dort überdauern kann - auch wenn es im Rest des Körpers besiegt zu sein scheint. In seinem Augeninneren fanden Mediziner auch Wochen nach der Heilung noch Erreger. Trotzdem gelang es Ärzten, das Augenlicht des Mediziners zu retten und die schwere Entzündung zu bekämpfen. In Westafrika haben viele Ebola-Überlebende wegen der mangelhaften medizinischen Versorgung schlechtere Chancen.


Zusammengefasst: Nach dem offiziellen Ende der bisher größten Ebola-Epidemie darf man mit vorsichtigem Optimismus in die Zukunft schauen. Besiegt ist das Virus noch lange nicht, es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder ausbrechen. Aber eine Impfung scheint zumindest in Reichweite, nachdem der internationalen Gemeinschaft durch die ersten Fälle außerhalb Afrikas die Tragweite klargeworden ist. Auch Fehler in der medizinischen Versorgung werden sich hoffentlich nicht widerholen. Ob aber Afrika von diesen Entwicklungen profitieren wird, ist dagegen fraglich. Die betroffenen Länder werden die Folgen der Epidemie zumindest noch jahrelang spüren.

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