Zwei Monate lang plagen den 57-Jährigen Schmerzen im linken Bein und im unteren Rücken. Ein Bandscheibenvorfall? Was die Beschwerden wirklich auslöst, entdeckt das Ärzteteam erst bei einer Operation.
Der Mann scheint einen eingeklemmten Nerv in der Lendenwirbelsäule zu haben. Vor zwei Monaten setzten die Schmerzen im unteren Rücken und im linken Bein ein. Während der Rückenschmerz nach drei Wochen abklang, blieb ein dumpfer Schmerz bestehen, der in die linke Pobacke, das Schienbein und den Fußrücken strahlt. Schließlich sucht der 57-Jährige eine Klinik im polnischen Otwock auf.
Das Ärzteteam um Maria Czubak-Wrzosek notiert, dass sich beim Bewegen des linken Fußes eine Muskelschwäche offenbart, dass sein linker großer Zeh kribbelt und dass das Empfinden im Fußrücken gestört ist.
Von diesen Problemen abgesehen, geht es dem Mann gut, schreibt das Team in einem Fallbericht im Fachblatt »BMC Musculoskeletal Disorders«. Er hat einen gut eingestellten Bluthochdruck und ist allergisch gegen Bienenstiche. Der Patient hält einen Hund, das Tier wird regelmäßig geimpft und entwurmt. Zwischen 1994 und 2014 ist er häufig nach Asien und Afrika gereist.
Aufgrund der Aufnahmen diagnostizieren die Ärzte einen Bandscheibenvorfall
Foto: Marcin Tyrakowski et al Publication / BMC
Eine Magnetresonanztomografie zeigt einen Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbel, der auf einen Nerv drückt. Blut- und Urintests zeigen keine auffälligen Werte.
Der Fall scheint also klar: Der Mann hat einen Bandscheibenvorfall, ein häufiges, bekanntes Leiden. Das Ärzteteam plant eine Operation, um die geschädigten Teile der Bandscheibe zu entfernen und so den Nerv wieder zu entlasten.
Bei dem Eingriff stellt der Chirurg überrascht fest, dass die Diagnose nicht vollständig war: In dem Bereich, der auf den Nerv drückt, tummeln sich Würmer. Drei lange, dünne Stücke zieht er während der OP heraus, sie messen zwischen 15 und 22 Zentimetern. Eingelegt in eine zehnprozentige Formaldehydlösung, werden sie an das Institut für Parasitologe geschickt.
Am ersten Tag nach der OP hat der Patient noch ein leichtes Missempfinden im Bereich der Lendenwirbel, aber keine Schmerzen mehr. Sein linker großer Zeh kribbelt noch etwas, die anderen Beschwerden sind weg. Er kann bereits aufstehen und gehen.
Das Ärzteteam überprüft mit Magnetresonanz- und Computertomografie-Aufnahmen, ob weitere Würmer im Körper des Mannes hausen. Sie können aber keine entdecken.
Aufgrund des Aussehens schätzt die Abteilung für Parasitologie, dass es sich um Guineawürmer (Dracunculus medinensis) handelt, genauere Tests sind wegen des Einlegens in Formaldehyd nicht mehr möglich.
Guineawürmer sind fast ausgerottet, doch es gibt immer noch vereinzelte Infektionen. Die Wurmlarven werden über verunreinigtes Trinkwasser aufgenommen. Die Würmer können dann später die Darmwand durchbrechen und durch den Körper wandern. Befruchtete Weibchen können dabei bis zu einem Meter lang werden. Ihre Larven verlassen den Körper über Blasen, die sich vor allem an den Füßen bilden. Wenn Betroffene dann ihre Füße zur Linderung der Schmerzen in einen See oder Fluss tauchen, verbreiten sich die Parasiten so weiter.
Der polnische Patient erholt sich nach der OP, eine weitere Behandlung ist nicht notwendig. Drei Jahre später stellt er sich erneut in der Klinik vor, weil er eine Taubheit in beiden Beinen empfindet, erneut begleitet von Rückenschmerz. Diesmal sind die Beschwerden aber nicht auf Parasiten zurückzuführen, sondern auf eine degenerative Erkrankung.