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Eine rätselhafte Patientin Gebrochenes Herz

Mehrmals sucht eine Patientin mit einem wiederkehrenden Broken-Heart-Syndrom ärztliche Hilfe. Erst ein Zufallsfund führt zur richtigen Diagnose.
Von Nina Weber

Mit 66 Jahren erleidet die Patientin in den USA zum ersten Mal ein Broken-Heart-Syndrom. Sie stellt sich mit schwerem Brustschmerz im Krankenhaus vor, wo die Ärzte feststellen, dass ihre linke Herzkammer aufgebläht ist und zu wenig Blut pumpt.

Beim Broken-Heart-Syndrom, auch als Takotsubo bekannt, verengen sich die Herzkranzgefäße vorübergehend stark, sodass das Herz nicht mehr ausreichend Sauerstoff erhält. Die Beschwerden ähneln oft denen eines Infarkts, bei dem die Herzkranzgefäße verstopft sind. Man geht davon aus, dass starke Emotionen oder Stress die Verengung der Gefäße beim Takotsubo-Syndrom auslösen. Bei der Patientin in den USA identifizieren die Ärzte allerdings keinen Auslöser. Sie erholt sich nach dem Vorfall zunächst.

21 Monate später muss die Frau jedoch erneut mit schweren Beschwerden in ein Krankenhaus: Sie hat stark erhöhten Blutdruck, eine sogenannte hypertensive Krise, ein Lungenödem - also eine Flüssigkeitsansammlung in der Lunge -, und ihr Herz pumpt zu wenig Blut. Eine Ursache finden die Mediziner auch dieses Mal nicht.

Nun sind auch Hören und Sprechen betroffen

Gut ein Jahr später kommt sie erneut mit Lungenödem und stark erhöhtem Blutdruck in eine Klinik. Zusätzlich hat sie nun neurologische Beschwerden: Ihr Hörvermögen ist vermindert, sie spricht undeutlich, hat Wortfindungsstörungen und Missempfindungen im rechten Arm. Untersuchungen offenbaren ein erneut aufgetretenes Broken-Heart-Syndrom.

Die Ärzte suchen per Computertomografie (CT) nach Unregelmäßigkeiten im Gefäßsystem der Frau, die die Beschwerden erklären könnten, entdecken jedoch keine. Allerdings fällt ihnen bei dieser Untersuchung eine "unregelmäßige Läsion an der linken Nebenniere" auf, heißt es im Fachartikel im "American Journal of Case Reports" . Hat die Frau dort möglicherweise einen Tumor, der Stresshormone produziert und so ihre Beschwerden auslöst?

Urinproben zeigen einen enorm erhöhten Adrenalinwert, andere Werte sind jedoch normal. Das Ärzteteam geht deshalb nicht davon aus, dass die Frau einen Hormon-produzierenden Tumor hat. Zunächst wird sie wieder aus der Klinik entlassen.

Nur einen Monat später braucht die inzwischen 69-Jährige erneut ärztliche Hilfe, sie hat ähnliche Symptome wie bei den vorigen Episoden. Sie fürchtet aufgrund der schweren neurologischen Probleme, dass sie einen Schlaganfall erlitten hat. Erneut diagnostizieren die Ärzte an der Klinik in Nashville, Tennessee, ein Broken-Heart-Syndrom.

Einen Schlaganfall können sie nach entsprechenden Untersuchungen ausschließen. Dieses Mal wollen die Ärzte endlich die Ursache für die wiederkehrenden Beschwerden finden.

Blutdruck kaum kontrollierbar

Die Mediziner notieren, dass die Frau schon lange Bluthochdruck hat und an einer Angststörung leidet. Seit etwa 35 Jahren raucht sie keine Zigaretten mehr. Sie hat bis vor zwei Monaten ein bis drei Gläser Wein am Tag getrunken, dies jedoch wegen ihrer Herzprobleme seitdem gelassen. Sie nimmt einen Blutdrucksenker sowie einen Betablocker wegen ihrer Herzbeschwerden. Sie hatte schon mehrere verschiedene Herzmedikamente probiert, aber wieder abgesetzt, weil diese Mittel aus ihrer Sicht die neurologischen Beschwerden ausgelöst hatten. Die Ärzte beschreiben ihren Blutdruck als schwer mit Medikamenten kontrollierbar.

Sie spritzen der Frau ein Kontrastmittel, um die Blutgefäße deutlicher darzustellen und fertigen wieder ein CT des Brustkorbs an. Das einzig Auffällige ist die Läsion an der Nebenniere. Die Blutwerte der entsprechenden Hormone beziehungsweise ihrer Stoffwechselprodukte sind erhöht. Das spricht deutlich für einen Tumor, der diese Hormone bildet.

Die Frau wird auf die Intensivstation verlegt, die Nebenniere, an der sich der Tumor befindet, wird operativ entfernt. Eine Untersuchung des Gewebes bestätigt, dass es sich um ein sogenanntes Phäochromozytom handelt, also einen Hormon produzierenden Tumor. Die in dem Gewebe hergestellten Stoffe haben die wiederkehrenden Beschwerden der Frau ausgelöst.

Sie erholt sich gut von der OP. Ihre neurologischen Beschwerden verschwinden, ihr Blutdruck normalisiert sich. Drei Tage nach dem Eingriff kann sie die Klinik verlassen, berichtet das Team um Patrick Platzer von der University of Tennessee.

In den folgenden Monaten erscheint die Frau mehrmals zu Kontrollterminen: Die Beschwerden kehren nicht zurück, ihre Angststörung ist deutlich abgeschwächt und den Betablocker, den sie jetzt wegen ihres Herzens einnimmt, verträgt sie gut.

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