Endometriose Wenn die Periode zur Qual wird

Heftige Periodenschmerzen krümmen den Körper, die Lust am Sex kann vergehen: Eine schwere Endometriose raubt Lebensqualität. Die Erkrankung ist nicht heilbar, aber sie lässt sich stoppen - vorausgesetzt, sie wird diagnostiziert. Doch das kann Jahre dauern.
Außer Gefecht: Wucherungen können zu starken Schmerzen führen

Außer Gefecht: Wucherungen können zu starken Schmerzen führen

Foto: Corbis

"Manchmal waren die Schmerzen vor und zu Beginn der Periode so unerträglich, dass ich mich hinlegen musste und eine Schmerztablette einnahm", erzählt die 30-jährige Silvia Meidel*. Bereits als Jugendliche hatte die junge Frau regelmäßig Unterleibsschmerzen, im Laufe der Jahre wurden die Beschwerden immer stärker. Heute weiß Silvia Meidel, dass sie an Endometriose leidet, einer gutartigen, aber schmerzhaften Wucherung der Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter.

Die Krankheit betrifft schätzungsweise zwei Millionen Frauen in Deutschland, der Schmerzpegel reicht von leicht bis extrem. Manche Frauen haben trotz Endometriose keine Probleme, bei anderen treten Schmerzen während der Regel oder sogar ständig auf. Hinzu kommen Beschwerden, die an bestimmte Situationen gebunden sind. Bei manchen tut jeder Toilettengang weh, auch die Freude am Geschlechtsverkehr kann durch die Beschwerden verlorengehen und in vielen Fällen stört eine Endometriose die Fruchtbarkeit.

Vor der Diagnose sind Endometriose-Patienten für niedergelassene Gynäkologen sehr aufwendige und teure Patienten. Doch bis die Krankheit erkannt wird, können Jahre verstreichen. "Endometriose ist eine vergessene Erkrankung, was zur Folge hat, dass es bis zu sieben Jahre dauert, bis die richtige Diagnose gestellt wird", kritisiert der Gynäkologe Stefan Renner, Leitender Oberarzt an der Universitätsfrauenklinik Erlangen und Vorstandsmitglied der Endometriose-Liga. Oft kommt es auch zur Fehldiagnose "Prämenstruelles Syndrom".

Sexualhormone steuern die Zellhaufen

Zur Ursache von Endometriose gibt es bislang nur Theorien. Mediziner vermuten, dass Blut und Zellen der Gebärmutterschleimhaut während der Periode in den Bauchraum fließen. "Das ist aber bei allen Frauen so. Träfe die Theorie zu, müssten sich die Zellen bei Endometriose-Patientinnen leichter festsetzen. Aber das ist bislang unklar", sagt Stefan Renner. Tatsache ist dagegen, dass die Zellen - wo auch immer sie sich ansiedeln - auf jeden Fall Ärger bereiten.

Bevorzugt befinden sich die als Endometriose-Herde bezeichneten Gewebeinseln am Bauchfell im kleinen Becken, auf den Haltebändern der Gebärmutter, auf und in den Eierstöcken, auf der Blase und in einer Vertiefung hinter der Gebärmutter in Richtung Darm. Treten die Zellhaufen im Darm auf, führen sie regelmäßig zu Blut im Stuhl - für viele Frauen ein beunruhigendes Zeichen, da das Blut theoretisch auch ein Hinweis auf Darmkrebs sein könnte.

Die Zellhaufen reagieren wie die Schleimhautzellen in der Gebärmutter auf das hormonelle Auf und Ab des weiblichen Zyklus. Durch die Hormone bauen sie sich immer wieder auf, um schließlich - wie die Gebärmutterschleimhaut bei der Periode - zyklisch wieder abzubluten. Da das Blut nicht abfließen kann, vergrößern sich die Herde Stück für Stück. Es kommt zu chronischen Entzündungen, die vermutlich die Hauptursache für die Schmerzen sind und dazu führen können, dass die Zellhaufen mit ihrer Umgebung verkleben und verwachsen. Eine mögliche Folge sind zyklusunabhängig Schmerzen beim Sex.

Ein Eingriff oder Hormonpräparate können helfen

"Bei der Diagnosestellung ist es wichtig, die Krankengeschichte gründlich abzuklären, insbesondere die typischen Schmerzpunkte im Unterleib abzutasten und einen Ultraschall vorzunehmen", sagt Renner. Allerdings können sich die Endometriose-Herde auch an Stellen ansiedeln, an denen sie der Ultraschall nicht aufspüren und die Hand nicht ertasten kann. "Wir raten deshalb zur Bauchspiegelung. Dabei kann der Arzt alle oder zumindest einen Teil der Herde bereits während des Eingriffs entfernen", sagt Renner.

Alternativ zur Bauchspiegelung ist es auch möglich, anfangs Hormonpräparate einzunehmen. Wenn die Beschwerden damit weggehen, muss nicht unbedingt ein Eingriff erfolgen. Hormonelle Verhütungsmittel wie manche Anti-Baby-Pillen gaukeln dem Körper durch wenig Östrogen und viel Gelbkörperhormon (Gestagen) eine Scheinschwangerschaft vor und bremsen das Wachstum der Schleimhautzellen.

Möglich sind aber auch stärkere Medikamente. Sogenannte GnRH-Agonisten (GnRH= Gonadotropin-Releasing Hormon) senken indirekt über die Hirnanhangsdrüse die Produktion der Östrogene. Dadurch bilden sich die Endometriose-Herde zurück, verschwinden aber nicht ganz. Außerdem können GnRH-Agonisten wechseljahrsähnliche Beschwerden wie Hitzewallungen auslösen und das Osteoporose-Risko erhöhen.

Wird eine Endometriose nicht behandelt, breiten sich die Herde immer weiter aus und werden zunehmend größer. Von allein stoppt dieser Prozess erst nach der letzten Monatsblutung mit den Wechseljahren. Doch Entzündungen und gegebenenfalls Verwachsungen können auch danach noch Schmerzen verursachen.

*Name von der Redaktion geändert
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