Erste Herztransplantation in Deutschland Das Herz schlug nur 27 Stunden

Vor 50 Jahren nähten Ärzte in München erstmals in Deutschland ein Spenderherz in die Brust eines Menschen. Der Patient überlebte nur einen Tag. Heute sind Herztransplantationen ein etabliertes Verfahren.
Die Münchner Chirurgen Rudolf Zenker, Werner Rudolph und Werner Klinner (v.l.n.r.)

Die Münchner Chirurgen Rudolf Zenker, Werner Rudolph und Werner Klinner (v.l.n.r.)

Foto: Klaus Heirler/ picture alliance/dpa

Es war ein Durchbruch - und eine Niederlage zugleich. Vor 50 Jahren gelang einem Team um den Münchner Arzt Rudolf Zenker die erste Herztransplantation in Deutschland. Die Operation sei "programmgemäß" verlaufen, vermeldete Zenker kurz danach: Das fremde Herz war in der Brust des Patienten erfolgreich zum Schlagen gebracht worden - doch 27 Stunden später starb der Patient. Zenker trat kurz angebunden vor die Presse und verlas eine Stellungnahme. Er nannte die Organverpflanzung einen Misserfolg und verließ den Saal.

Dennoch ist der 13. Februar 1969 ein historisches Datum für die deutsche Transplantationsmedizin. Der erste Durchbruch war Christiaan Barnard im südafrikanischen Kapstadt am 3. Dezember 1967 gelungen, als er das weltweit erste Herz verpflanzte. Sein Patient überlebte 18 Tage. International hatten sich anschließend mehrere Teams auf den Schritt vorbereitet.

Das transplantierte Herz war verletzt

"Es war alles sehr früh", sagt Bruno Reichart, der 1971 Assistent bei Zenker war und Mitte der Achtzigerjahre in Kapstadt auf Barnard folgte. Voraussetzung für die Transplantationen war die Entwicklung der Herz-Lungen-Maschine. Doch die Möglichkeiten im OP wie auch in der Diagnostik waren im Vergleich zu heute begrenzt.

"Man muss dem Schritt großen Respekt zollen, dass man es gemacht hat", sagt Reichart. Die Ärzte hatten nichts falsch gemacht. Sie seien bestens vorbereitet gewesen. "Es war für sie schwer zu verkraften. Sie haben nicht gern darüber gesprochen", erinnert er sich.

Die Chirurgen Werner Klinner und Fritz Sebening hatten die OP mit einem rund 30-köpfigen Team unter Zenkers Leitung akribisch geplant. Der 36-jährige Patient war todkrank. Der komplizierte Eingriff glückte. Doch das fremde Herz pumpte nicht richtig. Es stammte von einer tödlich verunglückten 39-Jährigen und war - für die Ärzte damals nicht feststellbar - bei dem Unfall verletzt worden. Die Obduktion nach der gescheiterten Operation ergab, dass sich an einem kleinen Riss in der hinteren Herzkranzarterie ein Blutpfropf gebildet hatte, der zum Tod des Herzpatienten führte.

Zwischen Barnards erster Operation und dem Münchner Eingriff waren weltweit gut hundert Herzen verpflanzt worden. Die Ergebnisse waren niederschmetternd. Nur ein Patient, operiert von Barnard, erlebte den Jahrestag der OP. "Die ersten Herztransplantationen lösten eine Welle an Organverpflanzungen aus, die jedoch allesamt nicht längerfristig erfolgreich waren", sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG), Wolfgang Harringer.

Unausgereifte Medikamente gegen die Abstoßung

In Deutschland starben auch der zweite und der dritte Patient nach der Transplantation. "Die Erfahrungen waren weltweit die gleichen: dass es nicht klappte", sagt Reichart. Insbesondere die Medikamente gegen die Abstoßung des fremden Organs waren nicht ausgereift.

Sehr wenige Ärzte, unter ihnen Barnard und der US-Chirurg Norman Shumway, operierten weiter, mit zunehmendem Erfolg. Die meisten anderen schreckten zurück. "Die Ressourcen für Operationen waren knapp. Viele sagten: Lasst uns das machen, wo die größte Not ist", beschreibt Reichart die Stimmung.

In Deutschland griff nach mehrjähriger Pause im Mai 1981 ein Team um den Münchner Chirurgen Sebening am Deutschen Herzzentrum als erstes wieder zum Skalpell. Neue Medikamente, die zur Vermeidung der Abstoßung nicht mehr das komplette Immunsystem blockierten, brachten nun bessere Erfolge. Auch andere Herzzentren wagten den Eingriff.

300 transplantierte Herzen pro Jahr

1983 nahm Reichart in München die erste Herz-Lungen-Transplantation in Deutschland vor. 1997 verpflanzte er erstmals Herz, Lunge und Leber gleichzeitig. Diese Patientin lebte danach elf Jahre - ein Zeichen für die Fortschritte in der Transplantationsmedizin.

Inzwischen ist die Herztransplantation eine anerkannte Behandlung für schwerkranke Menschen. Laut Deutscher Stiftung Organtransplantation (DSO) transplantieren Ärzte in Deutschland pro Jahr an die 300 Herzen. Seit 1963 wurden mehr als 13.000 Herzen verpflanzt. Nach drei Jahren schlagen Studien zufolge noch 70 Prozent der Herzen im Empfänger, nach zehn Jahren 60 Prozent. Viele Patienten überleben Jahrzehnte. Für Aufsehen sorgte der Extremsportler Elmar Sprink, der seit 2012 mit Spenderherz lebt und seitdem viermal ein Ironman-Rennen absolvierte.

Bis heute sterben allerdings viele Patienten, bevor sie ein Organ bekommen - die Warteliste ist lang. Mehr als 700 Menschen hoffen laut DSO in Deutschland auf ein Herz. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Zahl der Spenderorgane mit neuen gesetzlichen Regelungen steigern.

Auch Ärzte fordern neue Wege. "Wir sprechen uns deutlich für die Widerspruchslösung im Zusammenhang mit der Organspende aus, wie sie beispielweise bereits in Österreich gesetzlich geregelt ist", sagt der Herzchirurg und DGTHG-Präsident Harringer.

Schweinherz in Menschenbrust?

Bisher ist das menschliche Herz nicht ersetzbar. Ein Kunstherz, dessen Antrieb der Patient als Köfferchen mittragen muss, gilt als Übergangslösung. Hoffnungen ruhten schon früh auf einer anderen Lösung: Tierherzen. Ärzte experimentierten bislang erfolglos mit Affenherzen.

Aussichtsreich ist die Forschung mit gentechnisch veränderten Schweineherzen, die Reichart vorantreibt. Gerade haben er und sein Team einen Meilenstein erreicht: Ein Pavian überlebte ein halbes Jahr mit einem Schweineherz, ehe der Versuch beendet wurde. Bis das erste Schweineherz in einem Menschen schlagen kann, werden aber Jahre vergehen. Klinische Studien könnten laut Reichart frühestens in drei Jahre beginnen - eine Hoffnung für Patienten in fernerer Zukunft.

Von Sabine Dobel, dpa/hei
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