Eurotransplant Privatpatienten werden bei Organvergabe nicht bevorzugt

Organspendeausweise: Fehlinterpretationen von Daten führen zur Verunsicherung der Patienten
Foto: dapdHamburg - Bekommen schwerkranke Privatpatienten in Deutschland eher ein neues, lebensrettendes Organ als gesetzlich Versicherte? Diese Diskussion entfachte vor wenigen Tagen der Grünen-Gesundheitsexperte Harald Terpe. Auf der Grundlage von Zahlen der Organ-Vermittlungsstelle Eurotransplant will er berechnet haben, dass der Anteil der Privatversicherten an allen Transplantationen höher sei als ihr Anteil auf der Warteliste.
Nun ergreift jener Mann das Wort, der das Vermittlungssystem besser kennt als jeder andere: Axel Rahmel. Der Kardiologe ist der Medizinische Direktor von Eurotransplant. "Unsere Zahlen sind leider missverständlich interpretiert worden", klagt er. "Das ist besonders bedauernswert, weil diese Diskussion wieder zu Verunsicherung der Bürger führt. Und die Patienten auf der Warteliste müssen es ausbaden."
Wie Rahmel erklärt, hatte Harald Terpes Büro sich am 22. August nach dem Verhältnis von privat zu gesetzlich Versicherten auf der Warteliste erkundigt. "Dieser Stichtag wurde dann auf die Gesamtzahl der Transplantationen aus 2011 bezogen", erklärt Rahmel. "Das ist statistisch unsauber, denn ein Stichtag repräsentiert nicht die Schwankungen eines ganzen Jahres." Zudem sage die Warteliste nichts aus hinsichtlich der am Ende tatsächlich durchgeführten Transplantationen.
Darüber hinaus hätte sich Rahmel eine Diskussion über die absoluten Zahlen gewünscht. "Gerade bei den beschleunigten Verfahren sprechen wir von ganz kleinen Grundgesamtheiten. Ein Herz mehr oder weniger schlägt da relativ betrachtet deutlich zu Buche."
Beispiel: Herztransplantationen. Im Jahr 2011 wurden neun Herzen an Privatpatienten im Zuge eines beschleunigten Verfahrens vergeben, 72 gingen an Kassenpatienten. Der Anteil der Privatpatienten an diesen Herzen beträgt also elf Prozent. Der Anteil von Privatpatienten auf der Warteliste betrug jedoch nur neun Prozent. Dafür sah es 2006 anders aus: Dort haben vier Prozent der Privatpatienten über das Schnellverfahren ein Herz bekommen. Ihr Anteil auf der Warteliste betrug 10,8 Prozent. "Ein Jahr gleicht nie dem anderen", sagt Rahmel.
Eine Frage der Dringlichkeit und der Erfolgsaussicht
Überhaupt, die Annahme, die Patienten müssten dem Versicherungsverhältnis der Warteliste entsprechend transplantiert werden, bezeichnet Rahmel als "grundsätzlich falsch". Entscheidend sei die Dringlichkeit und Erfolgsaussicht. Er stellt dagegen: "Würden Privatpatienten tatsächlich bevorzugt, müsste deren Sterblichkeit auf der Warteliste logischerweise niedriger sein."
Doch das ist nicht so: Bezogen auf die Zahl der Patienten, die in einem Jahr auf eine Organtransplantation warten, weisen privatversicherte Patienten die gleiche oder sogar eine höhere Sterblichkeit auf der Warteliste auf als gesetzlich versicherte Patienten. "Dies ist ein klares Indiz dafür, dass privatversicherte Patienten bei der Zuteilung von Organen nicht bevorzugt werden", sagt Rahmel (siehe untenstehende Grafik).

Sterblichkeit auf den Wartelisten zur Organtransplantation (zur Ansicht bitte klicken)
Foto: SPIEGEL ONLINENach dem Transplantationsgesetz erfolgt die Zuteilung der Spenderorgane, Organallokation genannt, nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, insbesondere nach Dringlichkeit und Erfolgsaussicht. Die für Eurotransplant geltenden Verteilungsregeln werden von der Bundesärztekammer erstellt und sind unabhängig vom Versicherungsstatus der Patienten.
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Aus abrechnungstechnischen Gründen ist Eurotransplant seit 2002 verpflichtet, den Versicherungsstatus aller Patienten bei der Aufnahme auf die Wartelisten zu erfassen. "Die Computerprogramme, die die Rangfolge der Patienten auf der Warteliste erstellen, berücksichtigen den Versicherungsstatus nicht", sagt Axel Rahmel. "Somit sehen ihn auch nicht unsere Mitarbeiter, die die Zentren mit den Organangeboten kontaktieren."