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Haltung beim Radfahren "Viele Freizeitradler sitzen zu aufrecht"

Die Sitzposition vieler Radfahrer ist ungesund, aber leicht zu verbessern. Sportwissenschaftler Sebastian Weber spricht über Nackenschmerzen, die richtige Sattelhöhe und das wichtigste Kriterium beim Fahrradkauf.
Von Kevin Schrein
Zur Person
Foto: privat

Sebastian Weber, 37, ist Spezialist für aerodynamische Vermessung und die Optimierung von Sitzpositionen. Der Sportwissenschaftler berät den dreifachen Zeitfahrweltmeister Tony Martin und betreut die Radprofis des Teams Cannondale-Garmin.

SPIEGEL ONLINE: Herr Weber, im Frühjahr beginnt die Radsaison. Wie viele Menschen sitzen falsch auf dem Rad?

Weber: Ich schätze, rund die Hälfte der Radfahrer, die mir begegnen, sitzt so auf dem Sattel, dass man sagen müsste: Wenn Sie so weiter machen, kann das zu medizinischen Problemen führen. Darüber hinaus kann man bei nahezu allen Fahrern, egal ob City- oder Rennrad, etwas verbessern. Ich habe selten erlebt, dass jemand zu mir kam, der perfekt auf dem Rad saß und bei dem es nichts mehr zu optimieren gab.

SPIEGEL ONLINE: Was sind die häufigsten Fehler?

Weber: Bei vielen Freizeitradlern habe ich den Eindruck, dass sie zu aufrecht sitzen, die Arme zu gestreckt vor sich halten. Das ist zwar auf den ersten Blick komfortabel, doch wegen der gestreckten Arme werden Stöße und Vibrationen direkt in den Körper weitergeleitet. Es kann also für den Freizeitradler von Vorteil sein, etwas nach vorne gerichtet und mit gebeugten Armen auf dem Rad zu sitzen, um Schläge besser abzufangen. Bei vielen Freizeitradlern ist auch der Sattel tendenziell zu tief eingestellt , weil sie oft absteigen müssen und den Sattel deshalb von vornherein nicht so hoch stellen.

SPIEGEL ONLINE: Wie sitzen Hobby-Rennradfahrer auf ihrer Maschine?

Weber: Bei denen, die das Rad als Sportmittel nutzen, erlebe ich oft, dass sie entweder viel zu hoch oder viel zu niedrig sitzen. Meist ist auch der Lenker zu weit vorne. Sie kompensieren das, indem sie den Sattel nach vorne schieben - was keine gute Idee ist.

SPIEGEL ONLINE: Wieso?

Weber: Weil das Knie dann unter Umständen zu stark belastet wird. Als Faustregel für eine ideale Sattelstellung gilt, dass sich das Knie bei waagerechter Kurbelstellung über der Pedalachse befinden sollte .

SPIEGEL ONLINE: Welche Probleme können noch auftreten?

Weber: Häufig macht sich eine schlechte Position durch Nackenschmerzen bemerkbar. Oft klagen Radfahrer auch über Probleme im Lendenwirbelbereich. Der typische Fall verläuft so: Der Nacken schmerzt, also rückt der Radfahrer den Sattel etwas nach vorne, weil das einfacher geht, als den Lenker zu verstellen. Der Schmerz verschwindet, doch nach wenigen Monaten macht dann das Knie Probleme. Gerade bei Hüfte und Knie ist die Sache heikel, weil die Schmerzen nicht sofort einsetzen und der Radfahrer so nicht gleich gegensteuern kann. Muskelverspannungen treten hingegen sofort auf.

SPIEGEL ONLINE: Ist Radfahren aufgrund der Haltung überhaupt gesund für Rücken und Nacken?

Weber: Wenn die Haltung stimmt, schadet es dem Körper nicht. Mir schreiben Personen, dass sie lieber auf dem Rad als auf dem Sofa sitzen. Natürlich ist Radfahren keine natürliche Fortbewegungsart wie das Laufen. Beim Joggen werden die Haltungsmuskeln besser beansprucht. Daher ist es für Vielfahrer wichtig, mit ein paar Übungen die Haltungsmuskeln zu trainieren.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie ein paar Tipps, mit denen Radfahrer ihre Position verbessern können?

Weber: Zunächst stellt man die Hüfte zum Tretlager ein. Eine gute Position ist gefunden, wenn das Bein in der unteren Pedalstellung nicht ganz durchgedrückt ist. In der oberen Position sollte genug Platz zwischen Oberschenkel und Oberkörper sein, sodass der Oberschenkel nicht die Luft aus dem Bauch schlägt. Je besser diese Position ist, desto effektiver ist die Kraftübertragung. Dann sorgt man mittels der Sattelstellung dafür, dass sich das Knie in der waagerechten Stellung über der Pedalachse befindet. Erst dann ist der Lenker dran. Hier gilt, die Arme sollten etwas gebeugt sein, damit der Radfahrer Stöße abfangen kann und das Handling einfacher wird.

SPIEGEL ONLINE: Sitzen viele Menschen falsch auf dem Rad, weil sie ein paar einfache Faustregeln nicht beachten oder weil schlicht die Rahmengröße nicht passt?

Weber: Oft kaufen sie sich ein Rad, das nicht passt. Viele denken, es sei wichtig, wie hoch das Rad ist. Das ist, mit Verlaub, Blödsinn. Die Höhe lässt sich binnen Sekunden mittels der Sattelstütze um mehrere Zentimeter verändern. Viel wichtiger ist die Länge des Fahrrads, die das Oberrohr vorgibt. Anpassungen sind da nur im kleinen Umfang durch den Austausch des Vorbaus möglich.

SPIEGEL ONLINE: Mittlerweile gibt es Online-Tools, mit denen sich die richtige Rahmengröße ermitteln lässt. Reicht das aus?

Weber: Es gibt gute Online-Messsysteme, die auch zu recht passablen Ergebnissen kommen. Ich persönlich würde ein Rad nicht ohne ein solches Tool oder eine gute Beratung im Fachgeschäft kaufen.

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