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HIV-Selbsttest: Gute Alternative zum Gang zum Arzt

Foto: DPA/ OraSure

HIV-Schnelltest für zu Hause Wirkungsvolle Notlösung

Die Arzneimittelbehörde der USA hat einen HIV-Schnelltest für zu Hause zugelassen. Die vereinfachte Methode könnte dazu führen, dass sich mehr Menschen testen lassen. Die fehlende Beratung birgt jedoch auch Gefahren.

Hamburg - Ein Wattestäbchen steckt an einem kleinen Kasten, es sieht aus wie ein Fieberthermometer. Schnell über das Zahnfleisch tupfen, 20 bis 40 Minuten warten, und schon gibt es ein Ergebnis - das alles geschieht nicht in der Klinik, sondern beim Betroffenen daheim. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat den Weg für einen HIV-Schnelltest freigemacht. Das Besondere: Die Zulassung gilt nicht nur für Ärzte, auch Privatpersonen werden den Oraquick-Test des Pharmakonzerns OraSure Technologies ab Oktober in der Apotheke und in der Supermarktkette Walmart kaufen können.

Der Schritt, so hoffen die Behörden, soll die Zahl der auf HIV getesteten Menschen erhöhen - ein möglicherweise wirkungsvoller Ansatz. Eine Ansteckung mit dem HI-Virus gilt nach wir vor als stark stigmatisierend. Obwohl Gesundheitsämter, Arztpraxen und andere Einrichtungen kostenlose und anonyme HIV-Tests anbieten, kommt es immer wieder vor, dass Infektionen zu spät erkannt werden.

Frühe HIV-Diagnose ist extrem wichtig

Wie funktioniert der HIV-Schnelltest?

"Ich sehe in meiner Praxis immer wieder Patienten, die jahrelang mit einer HIV-Infektion rumlaufen und sich nicht getraut haben, sich testen zu lassen", sagt Eva Jägel-Guedes, die in München als Allgemeinmedizinerin mit dem Schwerpunkt HIV arbeitet. "Für solche Menschen kann es von Vorteil sein, einen Test zu Hause durchführen zu dürfen."

Eine frühe HIV-Diagnose hat große gesundheitliche Vorteile. Zwar ist HIV bis heute nicht heilbar. Moderne Medikamente sind jedoch gut verträglich und können das Virus effizient verdrängen. Wird ein ansonsten gesundheitlich fitter Mensch früh behandelt, hat er eine annähernd normale Lebenserwartung. Wird die Krankheit allerdings erst spät erkannt, kann der Körper schon Schaden genommen haben.

Richtig angewendet können die Medikamente heutzutage die Virusmenge im Blut sogar so weit senken, dass die Erreger nicht mehr nachweisbar und die Betroffenen also quasi nicht mehr ansteckend sind . Wer sich zusätzlich mit einem Kondom schützt, kann ein annähernd normales Sexualleben führen. "Bei einer frühen Diagnose und der Behandlung vieler Menschen geht dadurch die Verbreitung von HIV enorm zurück", sagt Jägel-Guedes.

Einer von zwölf Getesteten bekommt fälschlicherweise ein negatives Ergebnis

Dennoch ist der Selbsttest für zu Hause nur eine Notlösung, die zwar die Zahl der diagnostizierten HIV-Fälle steigern kann - aber auch Risiken birgt: Ein positives Testergebnis bedeutet nicht automatisch, dass ein Mensch tatsächlich HIV-infiziert ist - ebenso wie ein negatives Testergebnis nicht bedeutet, dass ein Mensch das Virus nicht doch in sich tragen kann.

Laut einer Untersuchung des Herstellers erkennt der Oraquick-Test in 92 Prozent der Fälle eine Infektion richtig, in acht Prozent ist das Ergebnis demnach fälschlicherweise negativ. Andererseits erkennt das Gerät laut den Untersuchungen in 99,98 Prozent der Fälle richtig, wenn ein Mensch nicht mit HIV-infiziert ist. Nur in 0,02 Prozent der Fälle also wird ein Gesunder für krank gehalten.

In absoluten Zahlen betrachtet bedeutet dies, dass nur etwa eine Person von 5000 ein positives Testergebnis erhält, obwohl sie nicht mit HIV-infiziert ist. Bei den Infizierten hingegen erhält von zwölf Personen eine fälschlicherweise ein negatives Testergebnis. Egal ob der Test positiv oder negativ ausfällt - nur einmal durchgeführt bietet er somit keine Gewissheit. Wer ein positives Testergebnis hat, sollte umgehend einen Arzt aufsuchen, sich dort beraten lassen und sich erneut auf HIV testen lassen.

Antikörper erst nach drei Monaten nachweisbar

Auch ein negatives Testergebnis bedeutet nicht automatisch Entwarnung. Zur Fehlerquote kommt noch ein weiteres Problem hinzu: Der Test untersucht den Speichel auf HIV-Antikörper. Diese können allerdings erst drei Monate nach einer Ansteckung sicher nachgewiesen werden. Wer begründet Angst davor hat, sich angesteckt zu haben, sollte einen negativen Test deshalb wiederholen - am besten drei Monate nach der letzten Begegnung, bei der er sich möglicherweise infiziert hat, sei es mit einer Spritzennadel, beim Geschlechtsverkehr oder auf einem anderen Weg.

Die Einschränkungen zeigen, wie komplex die Tests sind und die Einordnung ihrer Ergebnisse ist. Vor allem die Deutsche Aids-Hilfe hat deshalb große Bedenken. In Deutschland ist der Verkauf von HIV-Schnelltests an Privatpersonen noch nicht erlaubt. Über das Internet lassen sich jedoch Tests aus dem Ausland beziehen. Die Deutsche Aidshilfe rät davon mit Nachdruck ab. Auf ihrer Internetseite warnt die Organisation vor Anwendungsfehlern und einer fehlenden Beratung . Auch Jägel-Guedes sieht darin eine Herausforderung: "Die Anbieter des Tests müssen die Menschen genau darüber informieren, was das Testergebnis bedeutet", sagt sie.

Wer den Weg zum Gesundheitsamt nicht scheut, um sich testen zu lassen, sollte deshalb auf jeden Fall darauf zurückgreifen - auch weil die Ergebnisse dort im Zweifelsfall noch einmal mit einem zweiten Test abgeklärt werden, bevor der Patient konfrontiert wird. Für Menschen, die eine zu große Angst vor der Stigmatisierung haben, könnte der Heim-Test in der USA allerdings eine Chance bedeuten. Zeigt sich, dass die Einführung dabei hilft, mehr Infektionen zu erkennen und rechtzeitig zu behandeln, ist er auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.

Anmerkung der Redaktion: Eine 92-prozentige Sensitivität (richtig-positiv) geht einher mit einer 8-prozentigen Falsch-negativ-Rate (8 von 100 HIV-Infizierten wird negativ getestet). Eine 99,98-prozentige Spezifität (richtig-negativ) geht einher mit einer 0,02-prozentigen Falsch-positiv-Rate (1 von 5000 nicht HIV-Infizierten wird positiv getestet).

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