Pflanzenpflege Globuli fürs Grünzeug

Jens Lubbadeh wollte seine siamesischen Bananenbäume trennen und ging dabei zu rabiat vor. Kann Homöopathie die Bäumchen retten? Ein Gedankenexperiment.
Zimmerpalmen: Was bringt erkrankte Pflanzen wieder zum Blühen? Globuli, gut zureden oder einfach nur eine gute Pflege

Zimmerpalmen: Was bringt erkrankte Pflanzen wieder zum Blühen? Globuli, gut zureden oder einfach nur eine gute Pflege

Foto: OBS

Statt eines grünen Daumens habe ich eher eine schwarze Hand. Bei mir sind sogar schon Kakteen eingegangen. Aber wer durchhält, der kann richtig aufblühen. Wie zum Beispiel meine Orchidee, die ich einmal zwei Jahre nonstop zum Blühen gekriegt habe. Mein einfaches Rezept: Dünger. Das Dauerblühen wurde schließlich so penetrant, dass befreundete Orchideenbesitzerinnen Vergleiche zu Praktiken in der Tour de France bemühten. Auch das unschöne Wort Viagra fiel.

In der jahrelangen Mikroevolution haben sich einige Arten herausgemendelt, die auch einen nuklearen Winter überstehen würden. Dazu zählt mein Bananenbaum. Als kleines Bäumchen kam er zu mir. Fünf Jahre später war er zu einem Mehrgenerationenbaum herangewachsen. Irgendwann war der Topf zu klein für ihn beziehungsweise sie. Ich musste handeln.

Als ich das komplizierte Wurzelwerk des Mehrgenerationen-Bananenbaums freigelegt hatte, lag vor mir ein rundes fußballgroßes Etwas, aus dem vier Bäume sprossen. Was nun? Ich riss, ich zerrte, und irgendwann lagen vier getrennte Baumgeschwister vor mir. Jeder von ihnen bekam seinen eigenen Topf. Den Wurzelfußball kickte ich weg.

Therapiesuche

Das war ein Eigentor. Eine Woche nach der Trennung sieht es nicht gut aus. Die Blätter sind fast alle schwarz und verkrumpelt. Ich hoffe, dass wenigstens der Älteste durchkommen wird. Mein Nachbar meinte, dass ich den Wurzelfußball gerecht hätte zersägen und aufteilen müssen. Was kann nun noch helfen außer meiner alten Dopinglösung, dem Düngen? Gibt es sanfte Heilmethoden für Pflanzen? Bachblüten für Bananenbäume? Phytotherapie mal andersrum.

Tatsächlich gibt es die. Die Freunde der Globuli haben unsere photosynthesetreibenden Mitbewohner für sich entdeckt. Die Heilpraktikerin Christiane Maute erzählt in ihrem Buch "Homöopathie für Pflanzen" wie man mit Globuli Schädlinge in die Flucht schlägt und kranke Pflanzen wieder hochpäppelt. Nur wenige Globuli Calendula C30, aufgelöst in 150 Milliliter Wasser, sollen beispielsweise das Wurzelwachstum von Tomaten befördern. Wurzelwachstum könnten meine Bananenbaumpatienten dringend brauchen.

Vielleicht sollte ich erst einmal mit den Bäumen reden. Meine Freundin tut das, weil sie überzeugt ist, dass die Pflanzen das spüren. Aber was soll ich meinen dahinsiechenden Bananenbäumchen sagen? "Es tut mir leid, dass ich eure Fußballwurzel weggekickt habe. Ich hätte sie gerecht zersägen sollen. Kein Grund jetzt schwarz zu werden." Ärzte haben Patienten im Feldlazarett doch auch nicht gesagt: "Es tut mir leid, dass ich Ihnen das Bein amputieren musste, Soldat. Aber das ist wirklich kein Grund jetzt schwarz zu werden." Dünger habe ich natürlich versucht, aber eher aus Verzweiflung. Würde eine Spritze Epo einen frisch Amputierten weiterbringen?

Indirekter Placeboeffekt

Aber Zuckerkügelchen? Es ist ja einzig der Glaube an die Wirkung, der bei der Homöopathie wirkt, wie unzählige Studien gezeigt haben. Nun, es gibt auch den indirekten Placeboeffekt seitens der Angehörigen, wie der Placebo-Forscher Paul Enck im Interview die Globuli-Wirkung bei Tieren erklärt. Weil Herrchen an die Zuckerkügelchen glaubt und Hundchen mehr betüdelt, wird Hundchen gesund (und wäre es wahrscheinlich auch so geworden). Zudem gibt es den "Rosa-Brillen-Effekt" bei Tierhaltern und sogar Tierärzten: Sie glauben Veränderungen beim Tier wahrzunehmen, die gar nicht aufgetreten sind, schlicht weil sie sie erwarten.

Es wäre interessant, das an Pflanzen durchzuexerzieren. Das Blöde ist nur, dass ich nicht an die Wirkung glaube. Aber auch das macht nichts. Der Placeboeffekt wirkt sogar, wenn man Menschen sagt, dass sie nur Placebos schlucken. Aber greift dann noch der indirekte Effekt?

Eine Studie müsste her

So etwas könnte nur eine klinische Baumstudie klären. Sie müsste nach Goldstandard der evidenzbasierten Medizin ablaufen, also randomisiert kontrolliert und doppelverblindet. Heißt: Ich wähle zufällig eine Gruppe amputierter Bananenbäume aus (=randomisiert). Die bekämen Globuli ins Wasser gemischt. Dann würde ich genauso viele amputierte Bananenbäume zur Kontrollgruppe ernennen, die nur ein Scheinmedikament bekämen (= kontrolliert). In diesem Fall müssten das Zuckerkügelchen sein, denn Globuli sind ja auch Zuckerkügelchen. Es könnte ja sein, dass der Zucker selbst einen Effekt auf die Pflanzen hat. Und ich müsste die ganze Studie so gestalten, dass während ihrer Durchführung weder ich noch die Bananenbäume wüssten, wer welches Präparat bekommt - also Globuli oder Zuckerkügelchen (= doppelverblindet).

Die doppelte Verblindung ist wichtig. Es könnte ja sein, dass ich die Bäume demotiviere: "Hey, du kleiner Baum. Sorry, dass du nur ein Scheinmedikament bekommst." - "Hey, du amputierter Bananenbaum. Du kriegst jetzt hier Zuckerkügelchen mit Extrakt, das so niedrig dosiert ist, dass statistisch gesehen kein einziges Molekül Wirkstoff mehr drin ist." Sie sehen schon, ich wäre wohl nicht der Richtige, um solch eine Studie zu machen. Am Ende gehen mir noch alle Bananenbäume ein.

Nein, besser ich gieße die schwer verletzten Bäumchen schweigend und überlasse das Reden meiner Freundin.

Nachtrag: Eine Woche später keimt Hoffnung in mir auf. Die drei ältesten Baumbrüder sind dabei, ein neues Blatt zu formen. Ganz ohne Globuli und Zuckerperlen.

Placeboeffekte - Fragen an den Experten

Was ist ein "Placebo by Proxy"?Wie erklärt man sich die Wirkung von Globuli bei Tieren?Kann es bei Pflanzen auch zu Placebo-by-Proxy-Effekten kommen?

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten