Esoterik Homöopathen tagen unter wissenschaftlicher Schirmherrschaft

In Bremen treffen sich Homöopathen zur Jahrestagung, Schirmherrin der Veranstaltung ist die Wissenschaftssenatorin der Stadt. Ärzte und Forscher protestieren.
Von Silvio Duwe
Homöopathische Globuli

Homöopathische Globuli

Foto: Peter Macdiarmid/ Getty Images

Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte sorgen normalerweise nicht für kontroverse Diskussionen. Doch zur 165. Jahrestagung des Deutschen Zentralvereins Homöopathischer Ärzte (26. bis 28. Mai) hagelt es Kritik - vor allem weil die Bremer Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz, Eva Quante-Brandt (SPD), die Schirmherrschaft des Kongresses übernommen hat.

Die Grundlagen der Homöopathie, bei der die Kraft von Wirkstoffen durch Verdünnung gesteigert werden soll, stehen im Widerspruch zu den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Dass homöopathische Präparate Patienten helfen, konnte bislang nicht glaubwürdig nachgewiesen werden. Erst vor Kurzem hat das eine australische Meta-Analyse  wieder gezeigt.

Das angeblich wissenschaftliche Programm der Tagung  liest sich reichlich esoterisch: Beispielsweise wird die "Quellenmethode" vorgestellt, die "auf der Erkenntnis beruht, dass das Wissen um die Ausgangssubstanz des individuell passendsten homöopathischen Heilmittels im Unbewussten eines Menschen vorhanden ist". Andere Vortragende bemühen Begriffe wie Quantenvakuum und Feinstofflichkeitsforschung, vorgeblich um die Homöopathie aus Sicht der Physik erklärbar zu machen.

"Wissenschaftlich klingende Worthülsen schinden Eindruck"

Die Ärztin und ehemalige Homöopathin Natalie Grams sieht derartige Fortbildungsveranstaltungen vor allem als Selbstbeweihräucherung, nicht als kritische Auseinandersetzung mit dem aktuellen Forschungsstand. Grams hat Patienten jahrelang homöopathisch behandelt, zuletzt sogar in eigener Praxis. Vor einem Jahr hat sie diese geschlossen.

Nicht etwa, weil sie sich wirtschaftlich nicht gelohnt hätte. Ein Buchprojekt hat sie zum Umdenken bewegt.  Grams wollte als Autorin allen Zweiflern zeigen, was die Homöopathie kann. Doch bei ihrer Recherche hat sie dafür keine Argumente gefunden. Stattdessen hat sie erkannt, dass die Kritik an der Methode berechtigt ist.

Homöopathen würden den Unterschied zwischen richtiger Wissenschaft und Pseudowissenschaft selbst nicht kennen, sagt sie. "Das Berufen auf wissenschaftlich klingende Worthülsen oder ganze Theorien schindet Eindruck - vor allem bei den Homöopathen selbst. Nanopartikel, Quantenphysik, Schwingung, Energie und der Verweis auf die Zukunft: Das alles klingt hoffnungsvoll und erspart die Erkenntnis, dass wir mit heutigem Wissen ganz einfach erklären können, warum beim Schütteln einer wässrigen Lösung mit immer größerer Verdünnung keine 'Energie' oder 'Information' entsteht", sagt Grams.

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Edzard Ernst, emeritierter Professor für Alternativmedizin ergänzt, Homöopathen seien nicht an wissenschaftlicher Erkenntnis interessiert. Homöopathie, so Ernst, sei von Anfang an mehr Religion als Medizin gewesen. "Eine wissenschaftliche Erklärung der Homöopathie kann es nicht geben" sagt der Forscher. Andernfalls müssten die Homöopathen die Naturgesetze neu schreiben.

Petition gegen Quante-Brandts Schirmherrschaft

Grams und Ernst gehören zu den Initiatoren einer Petition,  die sich gegen Quante-Brandts Schirmherrschaft der Veranstaltung richtet. Dies gilt auch für den Bremer Zahnarzt Hans-Werner Bertelsen. Für ihn ist Homöopathie Scheinmedizin - daher verbiete es sich für eine Wissenschaftssenatorin, die Schirmherrschaft für den Kongress zu übernehmen.

Bertelsen kritisiert, dass Ärzte aufgrund des Kostendrucks im gesetzlichen Gesundheitssystem keine Zeit haben, um ausführliche Patientengespräche zu führen. Hier gebe es eine Versorgungslücke, die von Homöopathen besetzt werde. Insbesondere für gesetzlich versicherte Krebspatienten müsse es ein Angebot zur Intensivberatung geben, um sie nicht in die Hände von Scharlatanen zu treiben, sagt er.

Denn längst versuchen sich Homöopathen nicht nur an harmlosen Erkrankungen, die ohnehin meist von selbst ausheilen. Auf dem Kongress hält beispielsweise auch der Arzt Uwe Friedrich Vorträge, der in seinem Buch "Die homöopathische Krebsbehandlung" behauptet, man könne einen Tumor mit Homöopathie heilen.

Gefährliche Heilversprechen

Solche Versprechen von Alternativmedizinern führen immer wieder dazu, dass Krebspatienten eine Operation oder Chemotherapie zu lange hinauszögern. Das kann sie das Leben kosten: Während der Homöopath mit wirkungslosen Globuli experimentiert, wird aus einem gut behandelbaren Tumor eine unheilbare Erkrankung. Die vermeintlich nebenwirkungsfreie und sanfte Behandlung ist also keinesfalls risikolos. Die Gefahr liegt nicht in den homöopathischen Mitteln selbst, sondern in der wertvollen Zeit, die für sinnvolle medizinische Maßnahmen verloren geht.

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Unhaltbare Heilsversprechen für Schwerkranke, pseudowissenschaftliche Vorträge - das sollte für die Ärztekammer Bremen Anlass genug sein, die Veranstaltung zu kritisieren. Doch stattdessen vergibt die Mediziner-Selbstverwaltung Fortbildungspunkte an Ärzte, die den Kongress besuchen. Zur Begründung erklärt die Ärztekammer Bremen auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE, die Homöopathie sei Bestandteil ärztlicher Weiterbildung. Eine Bewertung der medizinischen Inhalte finde nicht statt.

"Homöopathie ist wissenschaftlich belegt"

Alternativmedizinforscher Ernst fragt mit Blick auf die Ärztekammer Bremen, ob demnächst auch Fortbildungspunkte für Hellsehen oder Wünschelrutengehen vergeben würden. Dass dadurch letzten Endes Patienten an der Nase herumgeführt werden, findet er unethisch.

Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) kann die Kritik nicht nachvollziehen. "Die Homöopathie ist wissenschaftlich belegt und wird in Deutschland von über 7000 Ärzten angewendet, darunter Fachärzte sämtlicher Richtungen, die eine von den Ärztekammern zertifizierte Zusatzausbildung zur ärztlichen Homöopathie erfolgreich absolviert haben. Die konventionelle medizinische Diagnostik ist somit ein Teil der Behandlung durch den homöopathischen Arzt", sagt Cornelia Bajic, Vorsitzende des DZVhÄ.

Doch selbst die Bremer Gesundheitssenatorin als Schirmherrin des Kongresses widerspricht dem Verband an einer zentralen Stelle: Die Wirkung homöopathischer Therapien, so lässt sie SPIEGEL ONLINE ausrichten, sei schulmedizinisch nicht nachweisbar. Trotzdem möchte sie der Homöopathie einen gewissen Stellenwert in der Medizin nicht absprechen. Und am Ende müssten sich die Patienten selbst informieren und ihre eigene Entscheidung treffen, so Quante-Brandt.

Wie das Patienten gelingen soll, wenn homöopathische Ärzte selbst ihre Grenzen allzu oft nicht kennen, bleibt allerdings ihr Geheimnis.

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