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Nervenkrankheit ALS Darum schütten sich Promis Kübel übern Kopf

Menschen, die sich vor laufender Kamera mit Eiswasser übergießen - was soll das? Die Ice Bucket Challenge dient einem guten Zweck: Sie macht auf die unheilbare Nervenkrankheit ALS aufmerksam - und hat zu einem Spendenrekord geführt.

Was ist die Ice Bucket Challenge überhaupt?

Die Challenge ist im Prinzip eine Art Kettenbrief: Wird jemand nominiert, soll er sich binnen 24 Stunden einen Kübel voller Eiswasser über den Kopf kippen, das filmen und veröffentlichen - und dann drei weitere Teilnehmer nominieren. Zusätzlich ist jeder Teilnehmer aufgerufen, an die US-amerikanische ALS Association zu spenden. Die Organisation unterstützt Menschen, die an Amyotropher Lateralsklerose (kurz: ALS) erkrankt sind und finanziert die Erforschung des Nervenleidens. Wer nominiert wird, sich die Eisdusche aber ersparen will, soll 100 Dollar an die Organisation überweisen.

Was ist ALS?

Die Amyotrophe Lateralsklerose ist eine unheilbare Nervenkrankheit, die meist innerhalb weniger Jahre tödlich endet. Spezialisierte Nervenzellen, sogenannte Motoneuronen, gehen zugrunde, was die Signalkaskade vom Gehirn, Rückenmark und Muskeln unterbricht. Betroffene verlieren deshalb nach und nach die Kontrolle über ihren Körper. Meist erst über Arme und Beine, schließlich auch über Stimme, Schluckfunktion und Atmung. Einzig der Geist bleibt unberührt, Betroffene müssen ihrem eigenen Verfall bei vollem Bewusstsein zusehen.

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Ice Bucket Challenge: Nass werden für den guten Zweck

Foto: Scott Barbour/ Getty Images

Pro Jahr erkranken etwa zwei von 100.000 Menschen an ALS. Prominente Fälle sind der 2007 verstorbene Maler Jörg Immendorff und der Physiker Stephen Hawking. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Die meisten Betroffenen sind älter als 50 Jahre, wenn sich erste Beschwerden bemerkbar machen. Von den ersten Symptomen bis zum Tod vergehen in der Regel nur wenige Jahre. In einigen Fällen wird die Krankheit vererbt.

Wer hat die Kampagne ins Leben gerufen?

Zuerst kam die Idee, sich in einer Wettbewerb Eiswasser über den Kopf zu kippen. Erst später wurde dies damit verknüpft, auf das Nervenleiden ALS aufmerksam zu machen und zum Spenden aufzurufen. Populär wurde der Zusammenhang mit der Krankheit, nachdem der an ALS erkrankte 29-jährige Pete Frates mit dem Kopf zu "Ice Ice Baby" wippte (Video auf seiner Facebook-Seite ). Corey Griffin, ein Freund von Frates und einer der Mitbegründer der Kampagne, kam vergangene Woche bei einem Badeunfall ums Leben.

Wie erfolgreich ist die Challenge im Netz?

Bislang gibt es mehr als 2,4 Millionen Tweets mit dem Hashtag #IceBucketChallenge. Zwischen dem 1. Juni und 13. August hätten Menschen mehr als 1,2 Millionen Eiskübel-Videos geteilt, heißt es in der "New York Times" .

Wie viel wurde aufgrund der Kampagne gespendet?

Am 21. August teilte die ALS Association mit , dass sie seit dem 29. Juli 41,8 Millionen Dollar (rund 31,5 Millionen Euro) Spenden erhalten habe. Im gleichen Zeitraum des Jahres 2013 seien es 2,1 Millionen Dollar gewesen. Die Ice Bucket Challenge hat also einen großen Effekt. Zum Vergleich: Laut "Forbes"  hat die US-Regierung die Forschung zum Thema ALS in diesem Jahr mit 40 Millionen Dollar gefördert.

Schon am 13. August, als die Organisation rund 5,7 Millionen Dollar erhalten hatte, bedankte sich die Präsidentin der ALS Association, Barbara Newhouse, bei allen Spendern und Teilnehmern der Ice Bucket Challenge. "Wir könnten nicht begeisterter sein über die Anteilnahme, die Großzügigkeit und den Humor der Menschen." Während schon die Geldspenden absolut unglaublich seien, sei es unbezahlbar, dass die Krankheit infolge der Challenge so bekannt werde. "Menschen, die vorher nie etwas von ALS gehört haben, beteiligen sich jetzt am Kampf gegen die Krankheit."

Welche Promis haben mitgemacht?

Die Frage ist wohl eher: Wer hat noch nicht mitgemacht? Politiker, Sportler, Schauspieler, Musiker, Unternehmer - alle sind dabei. Von Lady Gaga  über Bill Gates bis zu Georg W. Bush und Kermit, dem Frosch . US-Präsident Obama hat sich geziert und lieber nur gespendet. Inzwischen ist das Eiswasser auch nach Deutschland geschwappt, unter anderem haben sich Mats Hummels , Anne Will  und Otto Waalkes  begießen lassen.

Wie wird ALS behandelt?

Bislang gibt es keine Möglichkeit, das Absterben der Motoneuronen zu stoppen. Der Wirkstoff Riluzol kann den Krankheitsverlauf immerhin verzögern. Laut der deutschen Leitlinie  zur Behandlung von ALS verlängerte der Einsatz des Mittels in Studien die Überlebensdauer der Betroffenen um 6 bis 20 Monate.

Abgesehen von diesem Mittel haben Ärzte nur die Möglichkeit, die Beschwerden der Betroffenen zu lindern. Krankengymnastik und Ergotherapie sind dabei sinnvoll. Logopäden können helfen, die Kommunikationsfähigkeit - im späteren Verlauf mit Hilfsmitteln - zu erhalten. Auch Psychotherapeuten können Betroffene unterstützen.

Welche Forschungsansätze zur Heilung von ALS gibt es?

Eines der Ziele der Ice Bucket Challenge ist es, Geld für die Erforschung von ALS bereitzustellen. In den vergangenen Jahren wurden mehrere Genveränderungen entdeckt, die das Risiko für ALS erhöhen. Verschiedene Wirkstoffe werden derzeit in kleineren Studien getestet, darunter das eigentlich gegen Parkinson eingesetzte Rasagilin, das Nervenzellen schützen soll.

wbr
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