Weltweite Umfrage Menschen aus reichen Ländern misstrauen Impfungen am meisten

Laut WHO bedroht Impfskepsis die globale Gesundheit ebenso sehr wie Ebola oder Luftverschmutzung. Eine Studie zeigt, in welchen Ländern das Misstrauen am größten ist.
In Frankreich zweifelt jeder Dritte, dass Impfungen sicher sind

In Frankreich zweifelt jeder Dritte, dass Impfungen sicher sind

Foto: scyther5/ iStockphoto/ Getty Images

Die Nachricht erreichte Donald Henderson 1975 per Telegramm. Auf der Insel Bhola in Bangladesch sollte sich ein Kleinkind mit Pocken infiziert haben. Henderson leitete damals das Programm der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das die Krankheit ausrotten sollte. Sofort machten sich Ärzte auf den Weg zu dem Kind, mit Dampfschiffen, Motorbooten und sogar Kanus, wie Henderson Jahre später in einem Interview  erzählte.

Sie fanden die dreijährige Rahima Banu. Der Körper des Mädchens war übersät mit Pusteln, und es hatte hohes Fieber. Lange kämpften die Mediziner um sein Leben - mit Erfolg. Rahima Banu gilt als der letzte Mensch, der sich auf natürlichem Weg mit echten Pocken infiziert hat. 1979 erklärte die WHO die Pocken offiziell für ausgerottet. Konsequente Massenimpfungen hatten die Viren verbannt, die Millionen Menschen getötet hatten. Heute existieren sie nur noch im Labor.

"Nachlässigkeitseffekt"

Auch die Masern sollten eigentlich bis 2020 ausgerottet werden, doch zuletzt hat die Zahl der Infektionen laut WHO weltweit zugenommen. Die USA verzeichnen derzeit den größten Ausbruch seit 27 Jahren, auch auf den Philippinen und in der Ukraine häuften sich die Fälle. Ein Grund sei die wachsende Zahl der Impfgegner in Industrienationen und in arabischen Ländern, kritisiert die WHO. Sie hat die Vermeidung oder Verzögerung von Impfungen Anfang des Jahres in die Liste der globalen Gesundheitsbedrohungen aufgenommen.

Eine globale Untersuchung  im Auftrag der britischen Wohltätigkeitsorganisation Wellcome hat nun untersucht, in welchen Ländern die Vorbehalte gegen Impfungen besonders groß sind. Für die Studie befragte das Meinungsforschungsinstitut Gallup zwischen April und Dezember 2018 mehr als 140.000 Menschen ab 15 Jahren in 144 Ländern. Die Teilnehmer beantworteten, ob sie jemals von Impfungen gehört haben, ob sie Impfungen für sicher, effektiv und wichtig für Kinder halten und ob ihre eigenen Kinder immunisiert sind.

Das Ergebnis: In wohlhabenden Ländern haben die Menschen besonders große Vorbehalte gegen Impfungen:

  • Am größten ist die Skepsis in Frankreich. Dort glaubt laut der Befragung knapp jeder Dritte, dass Impfungen nicht sicher sind, im westeuropäischen Durchschnitt war es jeder Fünfte.
  • In Deutschlang zweifelte dagegen nur knapp jeder achte (7,6 Prozent) der Befragten an der Sicherheit von Impfungen.
  • Das größte Vertrauen gibt es in Bangladesch und Ruanda, wo fast die gesamte Bevölkerung überzeugt ist, dass Impfungen ungefährlich, wirksam und wichtig sind.
  • In der Ukraine, wo im vergangenen Jahr europaweit die meisten Masernfälle auftraten, glaubte nur die Hälfte der Befragten, dass Impfungen überhaupt wirksam sind.
  • Global gesehen stimmten 79 Prozent der Befragten zu, dass Impfungen sicher sind.
  • Überraschend: Trotz aller Vorbehalte gaben 92 Prozent der Eltern an, dass ihr Kind geimpft ist.

Die weltweiten Unterschiede seien verblüffend, sagte Imran Khan von Wellcome. Als Ursache vermutet er einen "Nachlässigkeitseffekt": In entwickelten Ländern sei die Gefahr, infiziert zu werden, meist geringer - selbst ohne Immunisierung. Und wer sich anstecke, habe dank des guten Gesundheitssystems gute Chancen, die Krankheit zu überleben. In Ländern, in denen es häufiger zu Infektionskrankheiten komme, sei das Vertrauen in Impfungen höher.

Im Video: Die bizarre Welt deutscher Impfgegner

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koe/dpa/AFP
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