Mythos oder Medizin Ist Lachen gesund?

Lachen auf Rezept: Steigert ein lustiger Film die Gesundheit?
Foto: CorbisAlles begann mit einer Lachnummer im wahrsten Sinne des Wortes: In den Sechzigerjahren sah sich der Amerikaner William Finley Fry Junior einen Film von Dick und Doof an. "Die Folge, wo die beiden ein Klavier den Hügel hinaufschieben - ich liebe diesen Film", erzählte Fry im Dezember 1999 dem "SZ-Magazin". Das Besondere: Im Arm des Psychiaters steckte eine Kanüle, die ihm regelmäßig Blut abzapfte. Er wollte wissen, was beim Lachen im Körper passiert.
Heute gilt der im Mai 2014 verstorbene Fry als Begründer der Lachforschung, der sogenannten Gelotologie. Das Dick-und-Doof-Experiment hatte ergeben, dass beim Lachen die Zahl der natürlichen Killerzellen im Blut zunimmt. Natürliche Killerzellen gehören zu den weißen Blutkörperchen und töten beispielsweise Zellen ab, die von Viren befallen wurden. Inzwischen wissen Forscher aus etwas größeren Untersuchungen, dass beim Lachen sogar eine Vielzahl von Immunzellen aktiv wird. Da liegt die Vermutung nahe, dass das vor Krankheiten schützt.

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"In den Medien wurde aufgrund solcher Untersuchungen häufig behauptet, Lachen stärke das Immunsystem", schreiben Ilona Papousek und Günter Schulter vom Institut für Psychologie der Universität Graz im Fachbuch "Psychological Well-Being". Das könne man aus den Versuchen aber gar nicht ableiten.
So sei es extrem unwahrscheinlich, dass sich kleine, vorübergehende Veränderungen durch Lachen langfristig auf die Gesundheit auswirken, berichten die Psychologen. Außerdem sei das Zusammenspiel der Immunzellen entscheidend, nicht ihre bloße Menge. Eine zu starke Reaktion der Abwehr könne sogar krank machen und etwa Allergien auslösen.
Tatsächlich fehlt bis heute der Nachweis, dass häufiges Lachen vor Infektionskrankheiten wie einer Erkältung schützt. Das Immunsystem ist aber längst nicht der einzige Bereich unseres Körpers, der sich beim Lachen verändert. Das Herz schlägt schneller, der Körper schüttet Stresshormone aus, die Atemfrequenz steigt, wir atmen tiefer ein und nehmen mehr Sauerstoff auf.
Sonniges Gemüt statt Lachflash
2009 berichteten Forscher der University of Maryland , Lachen könne vor einem Herzinfarkt schützen. Sie hatten 300 Testpersonen untersucht, von denen die Hälfte bereits einen Herzinfarkt oder eine andere Herzerkrankung hatte. Die gesunden Kandidaten gaben deutlich häufiger an, über Alltagssituationen zu lachen, als die Gruppe, die bereits am Herzen behandelt worden war.
Entscheidend für den positiven Effekt scheint allerdings nicht das Lachen selbst zu sein, sondern ein entspannter Umgang mit Stress. "Wir wissen noch nicht, warum Lachen das Herz schützt", kommentieren die Herzforscher. "Aber wir wissen, dass Stress die Schutzschicht in den Blutgefäßen angreift. Das kann zu ernsten Entzündungsreaktionen in den Gefäßen führen, die das Herz mit Blut versorgen, und schließlich zu einem Herzinfarkt."
Dass ein grundlegend entspanntes, sonniges Gemüt vor Krankheiten schützen kann, zeigt auch ein Versuch aus dem Jahr 1991. Forscher hatten gut 400 Gesunde zu ihrem Stressempfinden befragt und sie anschließend mit Rhinoviren infiziert, den typischen Erkältungserregern. Das Ergebnis: Die Testkandidaten, die sich schnell gestresst fühlten, erkrankten häufiger. Umgekehrt konnte sich das Immunsystem der stressresistenteren Teilnehmer effektiver gegen das Virus wehren.
Lach den Schmerz weg
Eine direkte, nennenswerte Wirkung des Lachens konnten Forscher aber doch finden: Bei extremer Euphorie geraten wir kurzzeitig in einen Rauschzustand, ähnlich, wie er in unterschiedlichem Ausmaß beim Sex oder unter Drogeneinfluss vorkommt. "Mehr ist nicht möglich", schreiben Papousek und Schulter. Eine große Untersuchung mit mehr als 65.000 Menschen in Norwegen hat ergeben, dass selbst Menschen, die mit Humor ihr Geld verdienen, weder gesünder noch glücklicher sind als der Durchschnitt.
Trotzdem hat Lachen als Therapie in einigen Bereichen durchaus seine Berechtigung, auch wenn es nur indirekt wirkt: "Am vielversprechendsten erscheint der Einsatz von Humor im Zusammenhang mit Schmerz", schreibt Howard Bennett vom George Washington University Medical Center in einem Übersichtsartikel von 2003 . So brauchten etwa 78 gerade Operierte bei einem Experiment weniger Schmerzmittel, wenn sie lustige Videos schauten statt Beiträge zu ernsten Themen.
Das hat einen guten Grund: Menschen nehmen Schmerz intensiver wahr, wenn sie psychisch belastet, ängstlich oder traurig sind und sich auf ihren Schmerz konzentrieren. Dementsprechend hilft Ablenkung. Das Prinzip nutzen auch Klinikclowns. "Humor hat das Potenzial, Patienten Stress zu nehmen", schreibt Bennett. "Er gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Ängste und Schmerzen zu vergessen - wenn auch nur für kurze Zeit."
Fazit: Auch wenn man es gern glauben würde, wirkt Lachen allein nicht wirklich als Medizin. Stattdessen scheinen ein fröhliches Gemüt und Stressresistenz entscheidend zu sein. Gegen eine ausgelassene Runde "Dick und Doof" ist trotzdem nichts einzuwenden. Vorsicht: Es droht heftiger Muskelkater im Bauch.