Früherkennung Das sollten junge Männer wissen

Junge Männer sind Vorsorgemuffel - Urologen schlagen deshalb Alarm. Denn die Liste der auftretenden Beschwerden ist lang. Einige Erkrankungen können sogar lebensbedrohlich sein.
Arztgespräch: Jungen Männern fehlt oft das Bewusstein zur Gesundheitsvorsorge

Arztgespräch: Jungen Männern fehlt oft das Bewusstein zur Gesundheitsvorsorge

Foto: Corbis

"Junge Männer legen noch immer zu wenig Wert auf ihre Gesundheit", sagt Axel Schroeder, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Urologen (BDU). Das sei aber wichtig, um langfristig gesund zu bleiben und sich eine befriedigende Sexualität bis ins hohe Alter zu erhalten, so der Kinder- und Erwachsenenurologe und Androloge in Neumünster.

Männer sollten wissen, welche Beschwerden in welchem Alter auftreten können, um auf Symptome zu achten und Erkrankungen frühzeitig zu entdecken.

Die häufigsten Beschwerden bei jungen Männern:

Vorzeitiger Samenerguss:

Rund jeder dritte bis fünfte Mann im Alter zwischen 18 und 59 Jahren leidet darunter. Wann ist der Samenerguss vorzeitig? Wenn er noch vorm Eindringen in die Scheide oder nach weniger als ein bis zwei Minuten in der Scheide auftritt. Wenn die Ursachen bekannt sind, gibt es Behandlungsmöglichkeiten, unter anderem auch Medikamente, die die Botenstoffe im Gehirn verändern.

Krampfadern der Hodens (Varikozelen):

Etwa fünf Prozent der Jugendlichen und 15 Prozent der erwachsenen Männer haben diese meist im linken Hoden auftretenden Gebilde. Typische Symptome sind Schwellungen und ein Spannungsgefühl - stehen und laufen kann schmerzhaft sein. "Krampfadern können dazu führen, dass sich der Hoden zu stark erwärmt, was die Spermienqualität beeinträchtigt", sagt Schroeder. Ursache ist, dass sich mitunter anatomisch bedingt das Blut in den Venen des Samenstrangs staut. Hinzu kommt erhöhter Druck, der die Venenklappen der Hodenvene schädigen kann. Abtasten und eine den Blutfluss messende Ultraschalluntersuchung ermöglichen die Diagnose. Die Therapie: "Krampfadern im Hoden werden entweder operiert oder verödet."

Sexuell übertragbare Erkrankungen - Chlamydien oder Humane Papillomaviren:

Auch bei Männern sind Chlamydien hochansteckend und nicht harmlos. Wenn sich ein Mann bei einer Frau infiziert, nisten sich die Bakterien in die Harnröhre, Prostata oder den Nebenhoden ein. "Langfristig kann es zu einer Prostata- und Samenleiterentzündung kommen. Verkleben dadurch die Samenleiter, kann der Mann zeugungsunfähig werden. Außerdem kann er eine neue Partnerin anstecken", warnt Schroeder. Die Infektion ist mit einem Antibiotikum gut behandelbar.

Aber: Eine Chlamydieninfektion läuft lange Zeit völlig symptomfrei ab - genau wie eine Infektion mit Humanen Papillomaviren (HPV). In einer HPV-Studie aus den USA und lateinamerikanischen Ländern war 2011 jeder zweite Untersuchte mit HPV infiziert. "Es gibt Hinweise, dass eine Assoziation von HPV mit dem Penis- und auch mit dem Prostatakarzinom besteht." Vorbeugend ist wie bei Frauen eine Impfung gegen bestimmte HPV-Typen möglich.

Hodenhochstand:

Bis zu 30 Prozent der Frühgeborenen haben einen Hodenhochstand, bei den reifen männlichen Neugeborenen sind es etwa drei Prozent. Ursache sind hormonelle Störungen beim Kind. "Hoden, die in der Leiste oder in der Bauchhöhle verbleiben, können sich durch die beengten Verhältnisse nicht normal entwickeln, bleiben kleiner und können einerseits Schäden in der Samenzellproduktion nehmen, andererseits erhöht sich dadurch das Risiko für die Entstehung eines bösartigen Hodentumors." Der sei dann nicht tastbar, weil der Hoden der Untersuchung nicht zugänglich sei, so der Mediziner. Nur in sieben Prozent der Fälle nimmt der Hoden im ersten Lebensjahr ohne Therapie seine normale Lage im Hodensack ein. "In allen anderen Fällen ist eine hormonelle Behandlung oder eine Operation nötig."

Hodentumoren und Hodenkrebs - jährlich erkranken etwa 4000 junge Männer:

Hodenkrebs ist in der Altersgruppe zwischen 20 und 25 Jahren der häufigste Krebs bei Männern. "Je früher der Krebs erkannt wird, desto besser ist die Prognose. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt bei Frühstadien über 90 Prozent", so der BDU-Präsident. Hodenkrebs sei eine bösartige Erkrankung, die rasch Tochtergeschwülste in den Lymphdrüsen des hinteren Bauchraums und in der Lunge verursacht - das kann sogar Rückenschmerzen hervorrufen. Bei 95 Prozent der Betroffenen treten Hodentumoren nur einseitig auf.

"Eine Vergrößerung im Hodensack ist ein deutlicher Hinweis auf einen Tumor. Auch ein Schweregefühl oder Ziehen in Hoden oder Leiste sind verdächtig. Schmerzen treten in der Frühphase selten auf. Wenn doch, dann deuten sie auf eine begleitende Nebenhodenentzündung hin", sagt Schroeder. Er rät Männern, ihre Hoden zumindest einmal im Monat in entspannter Stellung - etwa unter der Dusche oder beim Baden - abzutasten, um mögliche Veränderungen frühzeitig zu entdecken. Sonstige Früherkennungsmöglichkeiten gibt es nicht. Allerdings ist bekannt, dass "ein Hodenhochstand das Risiko für Hodenkrebs um das 15- bis 30-fache erhöht. Im Bauchraum verbliebene Hoden sind dabei mit einem höheren Risiko verknüpft als Leistenhoden."

Für die Diagnosestellung sind eine körperliche Untersuchung nötig sowie eine Ultraschallanwendung und ein Check der Tumormarker im Blut. Röntgenuntersuchungen können zeigen, ob der Krebs bereits gestreut hat - selbst dann ist eine Heilung noch möglich. "Allerdings sinkt die Zahl der Männer, die tatsächlich diese gute Prognose haben und die Behandlung ist intensiver und mit mehr Nebenwirkungen verbunden", sagt der Urologe.

Der betroffene Hoden wird komplett entfernt - die Mediziner sprechen von einer Orchiektomie -, das Tumorgewebe histologisch untersucht. Erst dann sind Aussagen zum Tumorstadium möglich, zudem müssen in einigen Fällen Lymphknoten entfernt werden. Zusätzlich zur OP und abhängig vom Befund können Bestrahlung und Chemotherapie erfolgen. Tumorneubildungen sind selten. Die Zeugungsfähigkeit ist höchstens vorübergehend eingeschränkt.

Klinefelter-Syndrom – Testosteronmangel mit drastischen Folgen

Es handelt sich um eine genetische Störung bei etwa jedem 500. Mann. Da die betroffenen Männer zu wenig Testosteron produzieren, sind die Hoden klein. "Der Testosteronmangel macht sie langfristig zeugungsunfähig und hat auch ansonsten Auswirkungen im Organismus", warnt Schroeder. Als mögliche Symptome werden Antriebsarmut, geringes Lustempfinden, Hodenhochstand, Hochwuchs, Sprachentwicklungsverzögerung, Lernstörungen und eine verzögerte Pubertät genannt. Da die Hoden auffallend klein sind, könnte das Klinefelter-Syndrom bei den J-Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt oder beim Urologen auffallen. "Das wäre ideal, um frühzeitig den Testosteronmangel mit einer durch einen Andrologen oder Kinder- und Jugend-Endokrinologen gut eingestellten Hormonersatztherapie auszugleichen. Psychische und physische Folgen wären dann vermeidbar", so Schroeder. Doch bislang wird das Syndrom zumeist erst spät entdeckt.

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