Ketogene Diät Kann man Krebs aushungern?

Keine Kohlenhydrate: "Die Diät schränkt die Lebensqualität stark ein"
Foto: 10'000 Hours/ Getty ImagesLässt sich mit der richtigen Ernährung ein Tumor besiegen? Glaubt man einzelnen Studien, bestimmten Internetseiten und Ernährungsratgebern, dann gibt es zumindest eine Diät, die tatsächlich Hoffnung weckt. So sorgte etwa im Jahr 2013 eine Studie an Mäusen mit Hirntumoren für Aufsehen: Als die Mäuse eine kohlenhydratarme und fettreiche Diät - auch ketogene Diät genannt - erhielten, verringerte sich das Tumorwachstum signifikant. Und die Überlebenszeit stieg um 56,7 Prozent.
Gleich mehrere Studien mit ähnlich sensationellen Ergebnissen zur Wirkung einer ketogenen Diät auf Krebs sind in den vergangenen Jahren erschienen. Entsprechend wird diese Ernährungsweise mittlerweile als Wunderwaffe gegen Krebs viel diskutiert. In Internetforen, in Ratgebern und in der Werbung begegnen Patienten und ihre Angehörigen immer wieder der ketogenen Diät.
Krebszellen aushungern
Die Idee dahinter ist einleuchtend: Tumorzellen wachsen bekanntlich besonders schnell, entsprechend brauchen sie besonders viel Energie. Dazu benötigen sie Kohlenhydrate, Glukose etwa, auch bekannt als Blutzucker. Stellt man den Tumorzellen durch eine entsprechende Diät weniger davon zur Verfügung, wird ihr Wachstum gehemmt. Fett und Eiweiß hingegen können viele Tumorzellen offenbar weniger gut verarbeiten.
Bei den Patienten führt dies schnell zu hoffnungsbeladenen Fragen: Könnte das bei mir funktionieren? Ist es nicht wenigstens einen Versuch wert?
"Ein Teil meiner Patienten fragt mich zur ketogenen Diät und deren Erfolgsaussichten", sagt Ingeborg Rötzer, Leiterin des Bereichs Ernährungstherapie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg. Doch sie rät den Patienten davon ab. Und das hat gleich mehrere gewichtige Gründe. Einer der wichtigsten: "Es gibt keine einzige Studie mit Menschen, die beweist, dass die ketogene Diät auf den Tumor wirkt", sagt Rötzer.
"Zellen im Labor und auch in der Maus isoliert zu betrachten, das ist eben etwas anderes, als einen Tumor im komplexen menschlichen Organismus zu beobachten und zu behandeln", sagt Jutta Hübner, Professorin für integrative Onkologie der Deutschen Krebshilfe am Universitätsklinikum Jena.
Für die Patienten ist das nicht immer leicht zu verstehen: Gerade haben Untersuchungen Hoffnung geschürt - da zerstören andere Studien sie gleich wieder. Doch die Wissenschaft lebt vom Irrtum. Es gibt unzählige Ideen, Thesen, Annahmen, die genährt werden durch erste, erfolgsversprechende Hinweise. Ob diese auch halten, was sie versprechen, ob aus den Hinweisen auch reproduzierbare Ergebnisse werden - das zeigt sich erst durch weitere, beweisführende Studien. Und die fallen bei der ketogenen Diät bislang negativ aus.
"Die Diät erfordert enorme Disziplin"
Im Jahr 2017 veröffentlichte die Arbeitsgemeinschaft Prävention und Integrative Onkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft eine Stellungnahme zur ketogenen und kohlenhydratarmen Diät. Darin legen sich die Wissenschaftler fest: Eine entsprechende Ernährungsweise könne zum derzeitigen Zeitpunkt nicht empfohlen werden.
"Daran hat sich bis heute nichts geändert", sagt Professorin Hübner. Dass bislang keine aussagekräftige Studie beim Menschen einen Effekt der ketogenen Diät auf das Tumorwachstum und die Prognose nachweisen konnte, sei nur einer der Gründe. "Es gibt auch Hinweise, dass die Tumorzellen bei Glukosemangel kurzzeitig zwar langsamer wachsen", so Hübner, "sich nach einer Zeit jedoch daran anpassen können und dann sogar schneller wachsen."
Hier finden Betroffene Hilfe
Grundsätzlich steht jedem Krebspatienten eine psychologische Beratung zu. Die Kosten übernehmen die Krankenkassen. Sogenannte Psychoonkologen sind speziell für die Beratung von Krebspatienten geschult. Psychoonkologen können Ärzte sein, Psychologen, Pflegekräfte oder Seelsorger. Als Qualitätsmerkmal gilt die Teilnahme an der zertifizierten Weiterbildung Psychosoziale Onkologie (WPO).
In vielen Fällen werden Krebspatienten bereits im Krankenhaus psychologisch betreut, ohne dass sie darum bitten müssen. Falls nicht, können sie ihren behandelnden Arzt darauf ansprechen. Doch auch nach dem Klinikaufenthalt gibt es zahlreiche Hilfsangebote.
Niedergelassene Psychoonkologen beraten Krebspatienten auch nach der Zeit im Krankenhaus. Eine
In vielen Städten in Deutschland gibt es zusätzlich Krebsberatungsstellen. Diese arbeiten kostenlos oder gegen einen geringen Geldbetrag, der die Unkosten deckt. Auch Angehörige finden hier Ansprechpartner. Neben psychologischen Fragen geht es auch um praktische Tipps. Zum Beispiel um die Frage, welche Sozialleistungen Betroffenen zustehen. Eine Übersicht über die Krebsberatungsstellen
Wer sich mit anderen Krebspatienten oder Angehörigen austauschen will, kann eine Selbsthilfegruppe aufsuchen. Über
Die Deutsche Krebshilfe bietet persönliche Beratungen am Telefon an. Die Berater stellen nach dem Gespräch persönlich zugeschnittene Informationsmaterialien zusammen, beispielsweise über passende Anlaufstellen und Hilfsangebote vor Ort. Die Beratung ist unter der Nummer 0800 80708877 zu erreichen und kostenlos.
Im Internet gibt es zahllose Foren, die sich dem Thema Krebs widmen. Doch nicht alle sind seriös. Sie sollten sich nicht zu sehr auf die Informationen verlassen, die Sie dort finden. Dennoch kann es hilfreich sein, zu erfahren, wie andere die Krankheit erlebt haben. Auf der
Das Argument, ein Versuch könne ja nichts schaden, ist damit hinfällig. Zudem ist die Diät selbst auch anstrengender, als sie auf den ersten Blick erscheint. Untersuchungen konnten teilweise nicht zu Ende geführt werden, weil die Belastung für die Patienten zu hoch war. "Bei einer konsequenten Keto-Diät fallen alle möglichen Nahrungsmittel weg, selbst Kartoffelbrei und Grießbrei sind verboten", sagt Ingeborg Rötzer. "Die Diät erfordert enorme Disziplin und schränkt die Lebensqualität stark ein."
Zu wenig Nährstoffe verschärfen Probleme
Und dabei bleibt es nicht: Hans Hauner, Leiter des Instituts für Ernährungsmedizin an der TU München, sieht sogar die Gefahr, dass die Patienten nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt würden: "Auch ohne Diät haben ein Drittel der Krebspatienten schon eine Mangelernährung. Eine Keto-Diät könnte die Situation noch verschärfen." Hinzu komme, dass die Diät den Körper schwäche. Das ist bei Krebserkrankungen nicht nur kontraproduktiv, sondern mitunter auch gefährlich: Der Körper und sein Immunsystem brauchen Kraft und Energie, um die Krebserkrankung zu bekämpfen.
Hier finden Betroffene seriöse Informationen
Wer selbst eine Krebsdiagnose bekommt oder von der Erkrankung eines Angehörigen erfährt, hat meist viele Fragen. Die Suche nach Antworten führt oft ins Internet. Doch längst nicht alles, was Google ausspuckt, stimmt. Zuverlässige Informationen finden Sie beispielsweise hier:
Der Krebsinformationsdienst bietet kostenlose, neutrale und vertrauliche Informationen. Das Angebot richtet sich sowohl an Patienten als auch an Angehörige und Fachpersonal.
Das Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) am Robert Koch-Institut führt die Daten aus den einzelnen Landesregistern zusammen und prüft, ob sie vollständig und zuverlässig sind.
Die Deutsche Krebsgesellschaft und die Stiftung Deutsche Krebshilfe betreiben gemeinsam das Infonetz Krebs, das sich vor allem an Krebspatienten und ihre Angehörigen richtet. Neben medizinischen Informationen bietet die Seite auch praktische Tipps, etwa für psychische Probleme oder rechtliche Fragen.
Trotzdem verfolgen Wissenschaftler die Hinweise aus den Laborversuchen weiter. "Es kann durchaus sein, dass für bestimmte Mutationen eine ketogene Diät Sinn ergeben kann", sagt Rötzer. "Aber diese Tumorarten, wenn es sie denn gibt, müssen noch identifiziert und gesichert werden." Bis dahin bleibt die ketogene Diät zum Einsatz bei Krebserkrankungen ein Gegenstand der Forschung. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.