Ein rätselhafter Patient Klick... klick... klick

Aus dem Oberkörper eines gesunden 19-Jährigen ertönen plötzlich klickende Geräusche. Tags darauf spürt er Schmerzen in der Brust. Stimmt etwas mit dem Herzen nicht? Die Ärzte finden eine andere Erklärung.
Foto: imago/ Stock Trek Images

Der junge Mann liegt im Bett, als er das Geräusch das erste Mal hört. Aus seiner Brust ertönt ein Klicken. Ihm kommt es vor, als trete es im Rhythmus seines Pulses auf. Hat er ein Herzproblem? Die Sorge plagt den 19-Jährigen nur kurz, denn sonst hat er keine körperlichen Beschwerden. Er durchläuft gerade eine Ausbildung an einer Schweizer Militärschule. Die Sache mit dem Geräusch, das nur in einer bestimmten liegenden Position auftritt, behält er erst einmal für sich.

Am folgenden Tag, bei einem Geländemarsch mit Gepäck, spürt er stechende Schmerzen in Brust und Rücken. Sie treten vor allem auf, wenn er läuft oder springt. Weil er schon öfter Rückenschmerzen hatte, nimmt er zunächst an, dass ihn diese einfach erneut plagen.

Als er schließlich seinem Arzt von den Symptomen erzählt, schickt dieser ihn ins Kantonsspital Baden, damit die Ursache des Klickens gefunden wird. Dort angekommen wird der 19-Jährige sofort in der Notaufnahme untersucht.

Groß und schlank

Das Ärzteteam um Jürg Hans Beer beschreibt im Fachblatt "BMJ Case Reports"  einen großen, sehr dünnen Mann, dem es insgesamt gut zu gehen scheint: Seine Vitalzeichen sind normal, beim Abhören der Lunge fällt nichts Ungewöhnliches auf.

Der Mann hat keine Atembeschwerden, keinen Husten, keine Anzeichen für Verletzungen. In seiner Familie gibt es keine Krankheitsfälle, die auf eine mögliche Ursache seiner Beschwerden deuten.

Am Wahrscheinlichsten ist aus Sicht der Ärzte, dass eine Herzklappe das Geräusch verursacht. Der Patient erhält einen Termin für einen Herz-Ultraschall, der zwei Tage später stattfindet, und kann die Klinik erst einmal wieder verlassen.

Die Klappen sind es nicht

Das Klicken ist beim Ultraschall-Termin hörbar, der Arzt nimmt es mit seinem Smartphone auf. Die Untersuchung offenbart jedoch ein gesundes Herz, dessen Klappen definitiv nicht für das Geräusch verantwortlich sind. Mithilfe einer Computertomografie (CT) untersuchen die Mediziner nun Herz und umliegendes Gewebe.

Hier zeigt sich die Ursache des Geräusches: Auf der linken Seite befindet sich Luft im Raum zwischen Lungen- und Brustfell, der sogenannten Pleurahöhle. Der Lungenflügel kann sich entsprechend beim Einatmen nicht mehr vollständig ausdehnen. Pneumothorax nennen Ärzte das Phänomen.

Im CT zeigt sich der Pneumothorax (schwarzer Bereich innerhalb des Brustkorbs, auf den die Pfeile deuten)

Im CT zeigt sich der Pneumothorax (schwarzer Bereich innerhalb des Brustkorbs, auf den die Pfeile deuten)

Foto: 2017 BMJ Publishing Group

Es kann, wie bei dem 19-Jährigen, mit vergleichsweise geringen Beschwerden einhergehen. Ein Pneumothorax kann jedoch auch mit extremen Atembeschwerden verbunden oder sogar lebensbedrohlich sein, wenn mit jedem Atemzug mehr Luft in die Pleurahöhle strömt. Tritt er nicht infolge einer Verletzung auf, spricht man von einem Spontanpneumothorax. Schlanke junge Männer sind tatsächlich am häufigsten davon betroffen.

Durch einen kleinen Schnitt von außen führen die Ärzte einen Schlauch in die Pleurahöhle, über den die dort angesammelte Luft entweicht. Der Lungenflügel des Patienten dehnt sich wieder aus. Das klickende Geräusch verschwindet.

Für den Mann ist der Fall damit leider noch nicht abgeschlossen. Denn mehrere Male entwickelt er wieder einen Pneumothorax. Nachdem alle weniger invasiven Methoden keinen andauernden Erfolg zeigen, entfernen die Ärzte ein kleinen Teil des linken Lungenflügels - und beheben damit das Problem dauerhaft.

Ein rätselhafter Patient
Foto: SPIEGEL ONLINE

In ihrem Fallbericht schreiben Beer und Kollegen, dass das sogenannte Hamman-Zeichen, ein mit dem Puls synchrones Geräusch aus dem Brustraum, bereits im 19. Jahrhundert erstmals beschrieben wurde. Ein flacher Pneumothorax auf der linken Seite ist demnach die häufigste Ursache für das Geräusch, das auch ein Knirschen oder Blubbern sein kann. Man geht davon aus, dass es entsteht, wenn das sich ausdehnende und wieder zusammenziehende Herz die angestaute Luft im Brustraum bewegt.

Dennoch ist es wohl ein recht selten auftretendes Symptom bei einem Spontanpneumothorax, wie ihn der 19-Jährige hatte. In den vergangenen 20 Jahren wurden laut Angaben der Ärzte nur drei Fallberichte veröffentlicht, in denen beides zusammenkam. Und wie im aktuellen Schweizer Fall hatten auch in den anderen Fällen die Mediziner nicht sofort die passende Diagnose parat.

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