Heike Le Ker

Pharmazahlungen an Ärzte Patienten brauchen echte Transparenz

Die Pharmabranche spricht von konsequenter Transparenz, aber schweigt über einen Großteil des Geldes, das sie Ärzten und Kliniken zahlt. Der Gesetzgeber sollte endlich für Klarheit sorgen - im Interesse der Patienten.
Foto: Ivo Mayr/ Correctiv

Wer zum Arzt oder Apotheker geht, wünscht sich einen Rat, der dem eigenen gesundheitlichen Wohl dient. Allerdings entscheiden in Deutschland längst nicht alle Mediziner unabhängig: Viele von ihnen erhalten für Vorträge, Reisen oder Beratung Geld von der Pharmaindustrie - sie kommen dadurch mitunter in einen Interessenkonflikt.

Zwar führen diese widerstreitenden Interessen nicht unweigerlich dazu, dass der Mediziner nur noch die Arzneien des zahlenden Unternehmens verschreibt. Mehrere Untersuchungen haben aber gezeigt, dass ein Arzt, der Gelder von der Industrie bekommt und sich selbst für unabhängig hält, mitunter teurere Medikamente verordnet.

Deswegen sollte ein Patient nachverfolgen können, ob und von wem sein Arzt, Apotheker oder seine Klinik Geld erhalten hat und wie viel - und sich sein eigenes Bild machen. In diesem Sinne ist der Transparenzkodex, mit dem die Pharmaindustrie offenlegt, wie viel sie 2016 an Ärzte, Institutionen und Kliniken gezahlt hat, eine gute Idee. Allerdings ist er in seiner jetzigen Form nicht mehr als ein Feigenblatt.

Für Verschreibungen bezahlen

Statt für Offenheit zu sorgen, hat die Industrie eine Regelung eingeführt, bei der sie den größten Teil ihrer Zahlungen im Verborgenen lässt. Von insgesamt 562 Millionen gezahlten Euro flossen 356 Millionen in Anwendungsbeobachtungen (AWB) und klinische Studien. Wer hat sie bekommen? Und wofür? Dazu schweigen die 54 an der Initiative teilnehmenden Pharmaunternehmen.

Dabei wäre für Patienten vor allem die Teilnahme ihres Arztes an sogenannten Anwendungsbeobachtungen interessant. Bei den umstrittenen Untersuchungen erhalten Mediziner Geld, wenn sie ihren Patienten ein bestimmtes Medikament verordnen und anschließend einen Fragebogen etwa zur Verträglichkeit ausfüllen. Man könnte auch sagen: Die Firmen bezahlen die Mediziner für die Verschreibung.

Neben den völlig intransparenten 356 Millionen Forschungsgelder gingen weitere 101 Millionen an Institutionen für Honorare, Spenden und Fortbildungsveranstaltungen. 105 Millionen Euro bekamen rund 66.000 Einzelpersonen für Eintrittsgelder bei Kongressen, für Reisekosten und Beratungs- oder Dienstleistungshonorare. Diesen Teil der Zahlungen legen die Unternehmen sogar im Detail offen - allerdings nur, wenn die Mediziner der Veröffentlichung ihres Namens zustimmen.

Dazu waren von den Ärzten, Apothekern und Heilberuflern lediglich 16.500, also nur jeder Vierte, bereit. Die anderen verstecken sich in der Masse. Umso mehr gebührt jenen Medizinern Respekt, die einer Namensnennung zugestimmt haben. In der jetzigen Form des Transparenzkodex legen die Unternehmen die Last des fragwürdigen Systems auf ihre Schultern.

Transparenz entsteht nicht durch Wegducken. Und auch nicht durch Eigeninitiative der Pharmafirmen, wie die mickrigen Ergebnisse der sogenannten Transparenzinitiative zeigen.

Wir müssen konstatieren: Der Transparenzkodex der Pharmabranche funktioniert nicht. Pharmafirmen verfolgen nun mal nicht karitative, sondern wirtschaftliche Ziele. Deshalb muss der Gesetzgeber eine Offenlegung verpflichtend machen.

Hier kann er sich ein Beispiel an den USA nehmen: Dort sind alle Unternehmen durch den "Physician Payment Sunshine Act" gesetzlich verpflichtet, einer Behörde Zahlungen an Ärzte zu melden. Neben dem Namen umfassen die Angaben den Grund für die Zahlung und die Höhe. Die Daten werden in eine zentrale, öffentlich zugängliche und durchsuchbare Datenbank eingepflegt, in der jeder nach seinem Mediziner suchen kann.

Echte Transparenz wäre leicht herzustellen. Der Gesetzgeber muss sie nur wollen.

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