Krebs-Nachsorge Aufmerksame Ärzte statt Apparate-Medizin

Kommt die Krankheit fünf Jahre lang nicht zurück, gelten Krebspatienten als geheilt. Aber was dann? Experten wollen die Nachsorge verbessern und dabei stärker individuelle Bedürfnisse berücksichtigen.
Schwingstäbe zum Aufbau körperlicher Fitness nach einer Erkrankung

Schwingstäbe zum Aufbau körperlicher Fitness nach einer Erkrankung

Foto: Hendrik Schmidt/ dpa

Tumor entfernt, doch die Gefahr bleibt: Deutsche Krebsforscher wollen die Nachsorge für Patienten intensivieren, aber der Weg zum allumfassenden Konzept ist weit. "In den vergangenen zehn Jahren ist das Bewusstsein gewachsen, Patienten über eine Heilung hinaus länger zu versorgen", sagt Volker Arndt vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg.

Seit Langem lautet die Faustregel: Wer fünf Jahre krebsfrei ist, gilt als gesund. Das hänge aber auch von der Tumorart ab, meint Arndt. "Es lohnt sich, in die USA zu schauen: Die haben viel früher begonnen, in der Krebsnachsorge aktiv zu werden", sagt der Experte. Deutschland hole aber inzwischen auf und habe immerhin den Vorteil, dass die Bevölkerung einen leichteren Zugang zur Gesundheitsversorgung hat.

Betreuung vor und nach der offiziellen Heilung

Der Deutschen Krebshilfe zufolge sterben jährlich in Deutschland etwa 224.000 Menschen an Krebs, der damit eine der häufigsten Todesursachen ist. Laut Arndt sollten Krebspatienten insgesamt besser begleitet werden. Auch schon in den Jahren, bevor der Krebs offiziell als geheilt erklärt wird. Das ist auch Bestandteil des Nationalen Krebsplans.

Darin sind formuliert 13 Ziele, eines davon: die Verbesserung der psychoonkologischen Versorgung. Das Gesundheitsministerium setzt dabei auch auf klinische Krebsregister. "Der Ausbau der Register soll mit den Ländern vorangetrieben werden", sagt Minister Hermann Gröhe (CDU). Damit soll von der Ersterkennung über die Behandlung bis hin zur Nachsorge die bestmögliche Behandlung gefunden werden.

Manche Krankenkassen haben einen sogenannten Nachsorgepass erarbeitet. Er soll Betroffenen helfen, nach Chemotherapien oder Bestrahlungen an die notwendigen Kontrollen zu denken - und den Überblick über diese Behandlungen und Termine zu behalten.

"Krebs muss heute kein Todesurteil sein", sagt Experte Arndt. Etwa 500.000 Neuerkrankungen werden jedes Jahr in Deutschland registriert. Derzeit leben hier rund 3,5 bis 4 Millionen Menschen mit dieser Diagnose. Aber gesund sei der Patient nach Überwindung der Krankheit nicht automatisch, sagt Arndt. "Für die Behörden gelten die Menschen als statistisch geheilt - ein schrecklicher Begriff."

Menschlicher Kontakt statt Apparate-Medizin

Früher prüften Ärzte nach überwundener Krebserkrankung oft nur die Blutwerte, aber weitere Kontrollen unternahmen sie selten. "Die haben meist nicht gefragt: Wie geht's?", sagt Arndt. Dabei trete nach Brustkrebs häufig eine Herzerkrankung auf, und bei anderen Patienten komme es zum Beispiel zu Schlafstörungen.

Wie Nachsorge aussehen sollte, hänge vom "Risikoprofil" des Patienten ab, sagte Wolfgang Hiddemann vom Klinikum der Universität München einmal bei einer Veranstaltung im örtlichen Presseklub. Er warnt davor, bei der Nachsorge nur auf Apparate-Medizin zu setzen - mindestens ebenso wichtig sei der Dialog zwischen Arzt und Patient.

Sogenannte Survivorship-Programme (vom Englischen "survive": überleben) begleiten Patienten bereits heute nach einer Krebserkrankung ohne zeitliche Begrenzung - also auch über die Tumornachsorge hinaus.

"Aufgrund möglicher Langzeitnebenwirkungen und den speziellen Bedürfnissen von Überlebenden ist eine Nachsorge über die eigentliche Tumornachsorge hinaus wichtig", sagt auch die Hamburger Expertin Julia Quidde. Das Universitäre Cancer Center Hamburg (UCCH) in der Hansestadt gilt als wichtiges Forschungszentrum.

Geheilten Krebspatienten sollten Ärzte mit Sensibilität begegnen, aber nicht mit übertriebener Zurückhaltung. "Nicht all diese Menschen sind traumatisiert", sagt Arndt. "Es ist natürlich ein Einschnitt. Aber viele sagen, dass sie das Leben neu schätzen gelernt haben. Für diese Erkenntnis haben sie einen hohen Preis gezahlt."

Wolfgang Jung, dpa/jme

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