Stromstöße, Kryotherapie und Psycho-Tricks: Viele Spitzenathleten greifen zur Leistungssteigerung auf Trainingsmethoden zurück, die auf den ersten Blick wie Doping aussehen, aber legal sind. Wie funktionieren diese Methoden? Und wirken sie wirklich? Fünf Spezialtrainings im Test.
Sie reden nicht gerne darüber, aber sie tun es: Viele Spitzenathleten versuchen ihre Leistung um jeden Preis zu steigern. Dabei greifen sie mitunter auf Methoden zurück, die weniger wie knallhartes Training aussehen, stattdessen aber an Doping erinnern. Doch wie effektiv sind die High-End-Methoden wirklich? SPIEGEL ONLINE hat fünf von ihnen unter die Lupe genommen.
Kryotherapie
So funktioniert es:
Der Sportler geht für zweieinhalb Minuten in eine Ganzkörper-Kältekammer, das sogenannte Polarium. Dort herrschen Temperaturen von minus 100 bis 120 Grad. Danach beginnt er mit dem Training oder mit dem Wettkampf.
Ribery bei einer Kaltwasser-Anwendung: Die französische Elf setzte bei der EM auf Kryo
Foto: Franck Fife/ AP
So soll es wirken:
Bei Kälte zieht sich die Haut zusammen, damit möglichst wenig Wärme nach außen abgegeben wird. Diesen Effekt nutzt die Kryotherapie: Durch die Kälte wird das Blut aus der Haut umverteilt in Richtung Muskulatur - also dorthin, wo der Körper beim Sport den Sauerstoff braucht. Kurz vor dem Wettkampf angewandt ("Precooling"), bringt die Kälte deshalb einen Leistungsschub. Nach dem Training ("Postcooling") soll sie die Regeneration fördern.
Das sagt die Forschung:
Studien etwa von Sandra Ückert von der Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin belegen Leistungssteigerungen durch "Precooling" von bis zu 15 Prozent - zumindest während der ersten halben Stunde nach der Kältedusche. "Bei Leistungssportlern ist der Effekt nicht so krass, hier liegt die Steigerung bei deutlich unter einem Prozent", sagt Ückert. Weil das im Spitzensport aber schon über Sieg oder Niederlage entscheiden kann, nutzen bereits viele deutsche Nationalmannschaften die Kältekammer im Bundesleistungszentrum in Kienbaum bei Berlin. Auch Bayer Leverkusen hat 2011 eine Kältekammer angeschafft.
Hypoxie-Kammer
So funktioniert es:
Ausdauersportler trainieren in hochgelegenen Regionen, um ihren Körper an den Sauerstoffmangel anzupassen und so leistungsfähiger zu werden. Als Flachland-Alternative sind Hypoxie-Kammern im Trend, denen der Sauerstoff künstlich entzogen wird. Radrennfahrer Jan Ullrich hatte zu seiner aktiven Zeit einen Hypoxie-Raum im Keller, Spaniens Fußballstar Raúl soll zeitweise in einer geschlafen haben.
Läufer in der Hypoxie-Kammer: Sauerstoffarmut wird simuliert
Foto: Stephanie Pilick/ picture-alliance/ dpa
So soll es wirken:
Hypoxie ist der Zustand, den ein verringertes Sauerstoffangebot in den Zellen verursacht. Um sich an die dünnere Luft anzupassen, reagiert der Körper nach einigen Wochen damit, mehr rote Blutkörperchen zu produzieren und so mehr Sauerstoff zu transportieren. Direkt nach dem Höhentraining sind die Athleten deshalb leistungsfähiger.
Das sagt die Forschung:
"Um heutzutage in der Weltspitze mitlaufen zu können, muss man Höhentraining machen", sagt Markus de Mareés vom Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln. Zweifelhaft ist allerdings, ob Hypoxie-Kammern eine gute Alternative sind. "Wer Erfolg haben will, muss sich schon mehrere Wochen mindestens zehn Stunden pro Tag darin aufgehalten haben - weniger bringt nichts", sagt Sandra Ückert. Auch eine Studie von 2006, bei der Ruderer drei Wochen lang täglich 90 Minuten sauerstoffarme Luft durch ein Inhaliergerät einatmeten, zeigte nur minimale Leistungssteigerungen.
Elektro-Muskel-Stimulationstraining (EMS)
So funktioniert es:
Der Athlet trägt einen dünnen Baumwollanzug und darüber eine Weste, in die großflächig Elektroden eingearbeitet sind. Auch an Armen und Beinen bekommt er Elektroden angeheftet. Über die wird während des Trainings Strom in seinen Körper geleitet. Athleten wie der Rennrodler Georg Hackl nutzen EMS intensiv.
Georg Hackl: Leistungssteigerung und Muskelaufbau durch EMS
Foto: DDP
So soll es wirken:
Der niederfrequente Reizstrom geht durch die oberen Hautschichten bis ins periphere Nervensystem. Durch den Reiz werden die Muskeln am ganzen Körper stimuliert. Der Effekt ist ein ähnlicher wie beim normalen Gerätetraining: Muskelaufbau. Allerdings ist das EMS-Training mit maximal 25 Minuten deutlich kürzer als ein Gerätetraining.
Das sagt die Forschung:
Eine Doktorarbeit an der Deutschen Sporthochschule Köln zeigt, dass EMS bei der Entwicklung einer schnellen Muskelkontraktion anderen Methoden wie Gerätetraining sogar überlegen ist. "EMS ist hilfreich in Disziplinen, in denen es auf schnelle Muskelkontraktionen ankommt - etwa im Fußball oder im Boxen", sagt Heinz Kleinöder, Abteilungsleiter Kraftdiagnostik und Bewegungsforschung in der Deutschen Sporthochschule. Um die Leistung zu fördern, sollte sie allerdings mit anderen Trainingsmethoden kombiniert werden.
Mentales Training
So funktioniert es:
Beim mentalen Training stellen sich die Sportler eine Bewegung im Geiste vor, ohne sie auszuführen. Um möglichst detaillierte innere Bilder zu erzeugen, werden sie dabei durch Fragen angeleitet. Geräteturner Fabian Hambüchen schwört auf diese Methode.
Turnprofi Fabian Hambüchen: Schwört auf die Kraft der Psyche
Foto: dapd
So soll es wirken:
Durch die mehrmalige, detailgenaue Vorstellung schleift sich ein Bewegungsablauf besser ein. Verantwortlich dafür sind die sogenannten Spiegelneuronen: Neuronale Verbünde im Gehirn, die sowohl bei der Bewegung selbst als auch schon bei der Vorstellung davon aktiv werden.
Das sagt die Forschung:
"Es gibt überzeugende Belege dafür, dass mentales Training beim Erlernen von Bewegungsabläufen hilft", sagt Ralf Brand, Professor für Sportpsychologie an der Universität Potsdam. Dass Spiegelneuronen an solchen Vorstellungsleistungen beteiligt sind, gelte als belegt, sagt Brand. Kürzlich zeigte eine Studie auch, welche Vorstellungsrichtung die besten Ergebnisse liefert: Blickt ein Sportler beim mentalen Training im Geiste durch die eigenen Augen, bringt das mehr, als wenn er sich im Geiste von außen beobachtet.
Selbstgesprächsregulation
So funktioniert es:
Der Sportler lernt, seinen Gedankenfluss durch verschiedene Techniken so zu kontrollieren, dass er sich im entscheidenden Moment besser konzentrieren kann.
Läufer beim Start: Höchste Konzentration im richtigen Moment, am richtigen Ort
Foto: epa Diego Azubel/ picture alliance / dpa
So soll es wirken:
"Für Menschen ist es der Normalzustand, ständig in einer Art stummem Dialog mit sich zu sein", sagt Brand. Ablenkende Gedanken allerdings gefährden den sportlichen Erfolg. Um innere Selbstgespräche in die richtigen Bahnen zu lenken, üben Spitzensportler deshalb Gedankenstopp-Techniken ("Wenn dieser Gedanke kommt, blicke auf deinen Nebenmann in der Viererkette") oder positive Gedanken ("Ich bin voll da") ein.
Das sagt die Forschung:
Techniken wie die Selbstgesprächsregulation können das Selbstvertrauen steigern und dabei helfen, sich auf den Moment zu konzentrieren. Allerdings wirken sie nur, wenn sich der Athlet auch abseits des Sportlichen wohlfühlt, sagt Brand: "Es ist ein Irrtum, zu glauben dass es in sportpsychologischen Sitzungen nur um die Leistungsoptimierung geht. Beim Großteil der Anlässe, aus denen Sportler zu uns kommen, geht es um ihre persönliche Lebenssituation."
Wer bringt es zu Höchstleistungen beim Spitzensport? Athleten, die in die obere Liga aufsteigen wollen, müssen sehr viel trainieren. Dabei setzen sie immer häufiger nicht nur auf konventionelle Methoden, sondern auch auf Spezialtrainings.
Foto: DOMINIC EBENBICHLER/ REUTERS
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Franck Ribéry bei einer Kaltwasseranwendung: Die französische Nationalelf richtete während der EM 2012 in ihrem Quartier in Donezk eigens eine Kältekammer ein. Kälte soll zur Umverteilung des Bluts in die Muskeln führen und wird deshalb kurz vor dem Einsatz angewendet.
Foto: Franck Fife/ AP
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Sportler auf einem Laufband in einer Höhenkammer: Anstatt für mehrere Wochen ins Höhentrainingslager zu gehen, wenden immer mehr Sportler Hypoxykammern an. Darin ist ein sauerstoffarmes Luftgemisch, wodurch der Sportler die Möglichkeit hat, bei einer simulierten Höhe von 2700 Meter zu trainieren und so auf legale Weise seine Leistungsfähigkeit zu steigern.
Foto: Stephanie Pilick/ picture-alliance/ dpa
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Rennrodler Georg Hackl: Der Athlet setzt auf das Elektrostimulationstraining (EMS). Über Elektroden an Armen und Beinen wird Strom in den Körper geleitet. Dadurch sollen Muskeln gereizt und zum Aufbau stimuliert werden.
Foto: DDP
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Andere Sportler wie Fabian Hambüchen setzten auf die Kraft der Psyche: Beim mentalen Training stellen sie sich eine Bewegung im Geiste vor, ohne sie auszuführen. Durch die mehrmalige, detailgenaue Vorstellung schleift sich ein Bewegungsablauf besser ein. Diese Methode ist auch bei Kletterern sehr beliebt.
Foto: dapd
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Läufer beim Start: Höchste Konzentration im richtigen Moment, am richtigen Ort - bei der sogenannten Selbstgesprächregulation lernt der Sportler, seinen Gedankenfluss durch verschiedene Techniken so zu kontrollieren, dass er sich im entscheidenden Moment besser konzentrieren kann.
Foto: epa Diego Azubel/ picture alliance / dpa
Andere Sportler wie Fabian Hambüchen setzten auf die Kraft der Psyche: Beim mentalen Training stellen sie sich eine Bewegung im Geiste vor, ohne sie auszuführen. Durch die mehrmalige, detailgenaue Vorstellung schleift sich ein Bewegungsablauf besser ein. Diese Methode ist auch bei Kletterern sehr beliebt.
Foto: dapd
Turnprofi Fabian Hambüchen: Schwört auf die Kraft der Psyche