Krankheitswelle in Warstein Legionellen könnten aus Kläranlage stammen

Krankheitswelle in Warstein: Legionellen könnten aus Kläranlage stammen
Foto: Jörg Taron/ picture alliance / dpaSoest - Ein verseuchtes Rückkühlwerk ist Quelle für eine Infektionswelle mit Legionellen in Warstein. In einer Pressemitteilung der Landrätin Eva Irrgang für den Kreis Soest heißt es: Das nationale Referenzlabor Legionellen der TU Dresden habe eindeutig nachgewiesen, dass "die Krankheitserreger von Erkrankten mit den Legionellen aus dem Rückkühlwerk der Firma Essen identisch sind".
Damit sei die Quelle der krankmachenden Keime identifiziert. Seit dem 10. August waren in Warstein 155 Menschen im Alter von 17 bis 93 Jahren an einer vermutlich durch die Bakterien ausgelösten Lungenentzündung erkrankt, zwei Männer starben.

Legionellen in Warstein: Reisende sollten die Stadt meiden
Irrgang zufolge habe die Laboranalyse mehr Zeit als erwartet in Anspruch genommen, weil ein ganzer Cocktail aus insgesamt 19 Legionellen-Arten in der Wasserprobe aus dem Verdunstungsrückkühlwerk nachgewiesen worden sei.
Offen sei noch, so die Landrätin, ob eine Kausalkette zur Kläranlage in Warstein bestünde. Auch im Belebungsbecken der Anlage seien hohe Konzentrationen von Legionellen festgestellt worden. Die Experten vermuten, dass die Krankheitserreger aus dem Abfluss der Kläranlage über den Fluss Wester in die Kühlanlage eine Industriebetriebs geraten sind. Die Kühlanlage habe die Krankheitserreger dann weiträumig verteilt.
Kranke und Schwache sollten im Haus bleiben
Man habe alle Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, um auszuschließen, dass Emissionen von der Kläranlage selber ausgehen. So soll etwa die Bildung von Aerosolen vermieden werden. Bisher sei aber kein Fall bekannt geworden, bei dem von einem kommunalen Klärwerk aus Legionellen krank gemacht hätten. Zudem könnten weitere Quellen immer noch nicht ausgeschlossen werden. "Wir müssen nun die Ursache-Wirkungs-Kette genau untersuchen", sagte Bernd Müller von der Bezirksregierung Arnsberg. Auch wenn die Erkrankungszahlen seit einigen Tagen rückläufig seien, könne deshalb noch keine Entwarnung gegeben werden.
Zuvor hatte der Kreis Soest alle Bürger aufgefordert, Reisen in den Raum Warstein zu meiden. "Wer jetzt nicht unbedingt in die Stadt muss, sollte darauf verzichten", hieß es am Montag in einer Warnung des Landeszentrums Gesundheit. Zudem wurde den 27.000 Warsteinern empfohlen, sich nicht im Freien aufzuhalten. Vor allem chronisch Kranke und geschwächte Menschen sollten im Haus bleiben.
Der Bonner Wissenschaftler Martin Exner bezeichnete den Warsteiner Legionellen-Ausbruch als einen der "größten in Deutschland, möglicherweise auch in Europa". "Kommunale Kläranlagen sind bislang als eigenständige Infektionsquelle nicht beschrieben worden", unterstrich der Leiter des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn. Ziel müsse es nun sein, die Infektionsquellen zweifelsfrei zu identifizieren.
Kühlturm in Hamburg befallen
In Hamburg teilte der Energiekonzern Vattenfall am Mittwoch mit, dass in einem Hybridkühlturm des Kraftwerks in Hamburg-Moorburg Legionellen im Kühlwasser entdeckt worden sind. "Eine Gefährdung von Menschen außerhalb des betroffenen Kühlturms besteht nicht", sagte eine Sprecherin. Es seien keine Mitarbeiter erkrankt, der Kühlturm ist außer Betrieb genommen worden.
Die Legionärskrankheit ist eine schwere Lungenentzündung, die bei bis zu einem Viertel der Patienten tödlich verläuft. Häufiger ist das sogenannte Pontiac-Fieber, ein grippeähnlicher Verlauf der Infektion mit Legionellen. Gegen die meisten dieser Bakterien helfen Antibiotika, eine Impfung gibt es nicht. Die Erreger sitzen vor allem in Warmwasserleitungen, wenn diese länger nicht benutzt werden.
Die Bakterien vermehren sich erst ab etwa 20 Grad Celsius, optimal sind Temperaturen zwischen 30 und 45 Grad. Bei über 60 Grad Celsius werden die Erreger abgetötet. Besonders durch die Verbreitung in Aerosolen, zum Beispiel in Whirlpools, Duschen, Kühltürmen oder Klimaanlagen, steigt das Infektionsrisiko. Von Mensch zu Mensch werden die Bakterien hingegen nicht übertragen.
Legionellen kommen weltweit im Boden und in oberflächlichen Gewässern vor. Nach Informationen des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ist es auch normal, dass Legionellen in geringer Anzahl im Grundwasser und dadurch im Trinkwasser vorkommen, wenn auch in sehr geringer Konzentration.
Ihren Namen haben die Bakterien einer Epidemie in den USA zu verdanken: Als sich 1976 mehr als 4000 Mitglieder der US-Veteranenorganisation "American Legion" in Philadelphia trafen, erkrankten 182 an der später nach ihnen benannten Legionärskrankheit, 29 starben. Bei der Ursachensuche stießen Wissenschaftler auf die beweglichen Stäbchenbakterien.