Vorsorge-Muffel Mädchen gehen zum Gynäkologen. Und Jungs?

Junge Männer: Vorsorge oft kein Thema
Foto: CorbisDaniel Schwab*, 21, wurde stutzig, als er unter der Dusche einen kleinen Knoten an einem seiner Hoden ertastete. Wie lange der Knoten schon da war, wusste er nicht. Eine Nacht lang durchstöberte er das Internet - dann besuchte er verunsichert einen Urologen. Und tatsächlich stellte der einen Hodentumor fest. Noch relativ klein sei er, seine Heilungschancen ziemlich gut. Schwab war erst einmal ziemlich schockiert - mit einem bösartigen Tumor in seinem Alter hatte er nicht gerechnet.
Mädchen wissen, dass sie zum Gynäkologen gehen müssen, wenn es um Fragen zu Unterleib, Brust oder Verhütung geht. Auch, weil sie es so bei ihren Müttern miterleben. Väter sind dagegen oft Vorsorgemuffel. Was passiert mit ihren Söhnen, die sich mit 14 Jahren nach der Vorsorgeuntersuchung J1 zu alt für den Kinderarzt fühlen? Wer sagt männlichen Jugendlichen, was wichtig für ihre Gesundheit ist, worauf sie achten müssen, was Anzeichen für eine Erkrankung sind?
Männergesundheit langfristig verbessern
Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) und der Berufsverband der Deutschen Urologen (BDU) wollen diese Informationslücke schließen. "Männliche Jugendliche sind eine wichtige Zielgruppe, um die Männergesundheit langfristig zu verbessern. Wir wollen ihr Gesundheitsbewusstsein wecken, damit der Gang zum Urologen irgendwann so selbstverständlich ist wie bei Mädchen der Gang zum Gynäkologen", sagt DGU-Sprecherin Sabine Kliesch, selbst Urologin und Andrologin am Universitätsklinikum Münster.
Deshalb versuchen DGU und BDU, die Jungen schon in der Schule zu erreichen und dort die gesundheitliche Bildung zu verbessern. Dazu sollen Jungensprechstunden etabliert und Urologen im Umgang mit den Jugendlichen geschult werden.
Große Versorgungslücke bei Männern
"Die Jugendvorsorge sollten die Jungen unbedingt nutzen, denn danach ist erst einmal für viele Jahre Schluss mit Vorsorge", so Kliesch. Die Musterung vor der Bundeswehr ist abgeschafft. In der Zeit zwischen der J1 und dem 35. Lebensjahr ist für gesetzlich Versicherte vorsorgemäßig "tote Hose" - die J2 wird für 15- bis 17-Jährige nur von privaten Kassen bezahlt.
Beim Urologen zahlen die gesetzlichen Krankenkassen erst ab 45 Jahren für Prostatakrebs-Früherkennungsuntersuchungen, beim Hausarzt gibt es ab 35 Jahren den zweijährlichen Gesundheitscheck. Wer als gesetzlich Versicherter präventiv zum Arzt geht, muss das aus eigener Tasche bezahlen - auch wenn junge Männer, die mit Beschwerden zum Arzt kommen, natürlich behandelt werden. "Bis die gesetzlichen Vorsorgeprogramme einsetzen, kann vieles unbemerkt sein Unwesen treiben und entsprechende Folgeprobleme verursachen", bedauert Kliesch. Dabei wäre Prävention so wichtig.
Deshalb möchten DGU und BDU künftig auch junge Männer bis 35 Jahre erreichen. "Doch diese Altersgruppe assoziiert den Urologen mehr mit Prostata- und Altherrenbeschwerden wie Harninkontinenz", so Kliesch. Dabei wäre der Urologe Ansprechpartner etwa für sexuelle Probleme wie vorzeitigen Samenerguss, Hodentumoren und sexuell übertragbare Erkrankungen. Viele Urologen haben Zusatzausbildungen als Andrologen - sie sind Spezialisten für Fortpflanzungsfunktionen des Mannes und deren Störungen.
Mangel an Aufklärung bei jungen Männern
"Hodentumoren treten vor allem zwischen 20 und 40 Jahren auf. Viele junge Männer sind sich nicht bewusst, dass sie regelmäßig ihre Hoden abtasten sollten", warnt die Medizinerin. Die Häufigkeit des Hodentumors hat sich in Deutschland innerhalb von 20 Jahren verdoppelt. Heute erkranken etwa 4000 Männer jährlich. Kliesch bemängelt auch, dass Männer mit Hodenhochstand häufig gar nichts von ihrem Problem wüssten, obgleich er ihr Risiko für Hodentumoren deutlich erhöhen könne.
Auch das Klinefelter-Syndrom, eine angeborene Chromosomenstörung, die ohne frühzeitige Behandlung zeugungsunfähig macht, könnte rechtzeitig erkannt werden. Von den schätzungsweise 80.000 betroffenen Deutschen werden jedoch nur zehn bis 15 Prozent diagnostiziert und therapiert, wie die Deutsche Klinefelter-Syndrom-Vereinigung auf ihrer Homepage schreibt.
Dazu ist die Altersgruppe zwischen 15 und 35 Jahren stark von sexuell übertragbaren Erkrankungen wie Chlamydieninfektionen oder Infektionen mit Humanen Papillomaviren (HPV) - bei Frauen die Mitverursacher von Gebärmutterhalskrebs - betroffen. Bei HPV gibt es zwar für Männer keine offizielle Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko), aber es gibt große Diskussionen, ob Männer wie Frauen gegen HPV geimpft werden sollten. "Die bislang vorliegenden Daten sprechen eher für eine Impfung. So gibt es Hinweise, dass eine Assoziation von HPV mit dem Penis- und auch mit dem Prostatakarzinom besteht", erzählt Kliesch.
Gründe für einen Besuch beim Urologen gibt es also genug. Er hätte vielleicht auch Daniel Schwabs Hodentumor frühzeitiger erkennen können.
Welche Krankheiten betreffen verstärkt Männer?Welche Vorsorgeuntersuchungen gibt es?Auf welche körperlichen Symptome und Anzeichen sollten Männer achten?