Männergesundheit "Einmal im Monat Hoden tasten"

Es gibt Warnzeichen, bei denen Männer zum Andrologen gehen sollten, erklärt Hans-Christian Schuppe von der Universität Gießen. Auch sonst sollten sie sich mit ihrer Gesundheit beschäftigen - und zum Beispiel regelmäßig ihre Hoden auf Veränderung überprüfen.
Urogenitaltrakt des Mannes: Hodenkrebs ist ein der häufigsten Erkrankungen bei Männern

Urogenitaltrakt des Mannes: Hodenkrebs ist ein der häufigsten Erkrankungen bei Männern

Foto: Corbis

SPIEGEL ONLINE: Wann sollte man als Mann zu einem Andrologen gehen?

Schuppe: Die Männerheilkunde ist das Pendant zur Frauenheilkunde, wobei wir Andrologen vorwiegend Störungen der Zeugungsfähigkeit behandeln. Außerdem natürlich auch alles andere, was mit der Funktion der Reproduktionsorgane zu tun hat. Hormonstörungen beim Mann, Störungen der Sexualfunktionen, Erkrankungen im Bereich der Brustorgane, Möglichkeiten der Verhütung auf Seiten des Mannes.

SPIEGEL ONLINE: Was ist der Unterschied zwischen einem Andrologen und einem Urologen?

Schuppe: Der Urologe behandelt Erkrankungen des gesamten Urogenitaltrakts dazu, also auch die Nieren. Mit Prostataproblemen geht man zum Urologen - wobei im Zusammenhang mit den oben genannten Störungen ebenso der Androloge gefragt sein kann; viele Urologen sind ja auch gleichzeitig Andrologen.

SPIEGEL ONLINE: Warum gibt es für Männer keine Vorsorgeuntersuchungen für Hodenkrebs, während es für Frauen regelmäßige Checks auf Brust- und Gebärmutterhalskrebs gibt?

Schuppe: Hier besteht tatsächlich eine Lücke: Es gibt bisher kein allgemeines Vorsorgeprogramm für junge Männer bis zum 35. Lebensjahr.

SPIEGEL ONLINE: Empfehlen Sie Männern, regelmäßig einen Andrologen aufzusuchen?

Schuppe: Männer sind Vorsorgemuffel. Nur 15 Prozent nehmen das bestehende Angebot an Vorsorgeuntersuchungen ab dem 35. Lebensjahr an, im Vergleich zu 50 Prozent bei den Frauen. Es muss nicht jeder jüngere Mann jedes Jahr einmal zum Andrologen. Einen Bedarf sehe ich trotzdem: Weil es die Wehrpflicht nicht mehr gibt, fällt die Musterungsuntersuchung aus. Es gibt also nach dem Ende der kinderärztlichen Versorgung keine Untersuchung mehr, die alle jungen Männer mitmachen und während der Auffälliges bemerkt werden kann.

SPIEGEL ONLINE: Was wurde bei der Musterung entdeckt?

Schuppe: Früher bekamen wir durch die Musterung einige junge Männer als Patienten zugewiesen, bei denen zum Beispiel ein Hoden nicht in den Hodensack eingewandert war, das bezeichnen wir als Hodenhochstand. Außerdem wurden Varikozelen, also Krampfadern im Hodensack, gefunden und Hormonstörungen entdeckt. Es ist davon auszugehen, dass nach dem Ende der Wehrpflicht viele Störungen der Reproduktionsorgane zunächst unentdeckt bleiben werden.

SPIEGEL ONLINE: Ab wann sollte man zur andrologischen Vorsorgeuntersuchung?

Schuppe: Ab dem 40. Lebensjahr sollte die Prostata alle zwei Jahre kontrolliert werden, bei bestimmten Risikofaktoren jährlich, etwa, falls Prostataerkrankungen in der Familie vorgekommen sind. Wenn man Beschwerden an den Urogenitalorganen hat, sollte man natürlich sowieso zum Arzt gehen. Also zum Beispiel, wenn die Lage der Hoden nicht korrekt ist, oder wenn Veränderungen tastbar sind.

SPIEGEL ONLINE: Man sollte regelmäßig seine Hoden abtasten?

Schuppe: Analog zur Beobachtung der Brust beim weiblichen Geschlecht, sollten Männer ihre Hoden beobachten. Einmal im Monat: Hoden tasten.

SPIEGEL ONLINE: Wie tastet man seine Hoden ab?

Schuppe: Die Hoden sind im Hodensack beweglich und lassen sich gut durch die Haut tasten. Die Oberfläche ist glatt, seitlich anliegend kann man die Nebenhoden fühlen.

SPIEGEL ONLINE: Einen Hodenkrebs würde man fühlen?

Schuppe: Ja, es gibt dann verhärtete Stellen oder der gesamte Hoden ist verhärtet, meist auch vergrößert. Natürlich kommen auch viele Veränderungen am beziehungsweise im Hodensack vor, die harmlos sind. Aber wenn man eine härtere Stelle ertastet, sollte man dem weiter nachgehen. Ein Urologe oder ein Androloge kann klären, ob es gefährlich ist. Das tut nicht weh, Abtasten und eine Ultraschalluntersuchung reichen zunächst aus.

SPIEGEL ONLINE: Wie gefährlich ist Hodenkrebs?

Schuppe: Hodentumoren gehören zu den häufigsten bösartigen Erkrankungen bei Männern zwischen 15 und 35 Jahren, jährlich erkranken in Deutschland circa 4500, das Risiko ist erhöht, wenn mal ein Hodenhochstand vorlag. Die Heilungschancen sind insgesamt gut, durch die Erkrankung ist die Spermaqualität jedoch bereits bei 50 Prozent der erkrankten Männer eingeschränkt, die erforderliche Behandlung, zum Beispiel eine Chemotherapie, schädigt die Fruchtbarkeit zusätzlich.

SPIEGEL ONLINE: Müssen Männer öfter Vorsorge in Anspruch nehmen und besser auf sich achten?

Schuppe: Ja, aber in dem Moment, wo man ihnen erklärt, warum etwas wichtig ist, machen sie auch mit. Wenn wir in der Kinderwunschsprechstunde zu den Männern mit erhöhtem Risiko sagen: 'Tasten Sie Ihre Hoden regelmäßig ab, kommen Sie einmal im Jahr zu einer Verlaufsuntersuchung' machen sie das. Wir Mediziner sind gefragt, Männer auf Probleme im Reproduktionsapparat anzusprechen. Es ist einfacher, wenn der Patient Fragen gestellt bekommt, auf die er antworten kann. Wir Ärzte, egal, ob Haus- oder Facharzt, müssen es den Männern leichter machen, ihre Beschwerden zu äußern, damit sie die richtige Diagnostik und Behandlungen bekommen. Andererseits kann ich die Patienten nur ermutigen, Probleme offen anzusprechen - Störungen am Reproduktionsapparat sind nicht peinlich. Ihr Arzt hilft Ihnen gerne.

Ärzte für Männerfragen

Das Interview führte Frederik Jötten
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren