Kopfschmerz-Krankheit Was gegen Migräne hilft
Bis zu 14 Prozent der Frauen und acht Prozent der Männer in Deutschland leiden an Migräne. Hinzu kommen vier bis fünf Prozent der Kinder bis zur Pubertät. Heilen lässt sich diese neurologische Erkrankung nicht, aber es gibt mittlerweile Wege, die Anzahl und Intensität der Attacken zu verringern.
Welche Ursachen werden für Migräne vermutet?
Was die Kopfschmerzattacken genau verursacht, ist noch nicht ganz geklärt. Es spielen wohl mehrere Faktoren eine Rolle - auch eine genetische Anfälligkeit von Betroffenen. Doch vieles spricht für eine Störung im Gehirn: Im Hirnstamm gibt es ein sogenanntes Migränezentrum, bestehend aus vielen Nervenzellen, das überempfindlich auf Reize reagiert. Die Migräneattacke beginnt, wenn diese Nervenzellen etwa durch Stress, Licht oder Lärm aktiviert werden - Fachleute sprechen von sogenannten Triggerfaktoren. Doch möglicherweise entsteht die Migräne nicht nur im Gehirn - im gesamten Nervensystem könnte es durch solche Faktoren zu Überreaktionen kommen.
Wie wird eine Migräneattacke ausgelöst?
Trigger sind nur der Auslöser und nicht die Ursache für Migräneattacken. Davon gibt es viele: Veränderungen des Tagesrhythmus, Hormonschwankungen, ausgeprägte positive oder negative Gefühle, das Auslassen von Mahlzeiten, Überanstrengung und Erschöpfung, unregelmäßiger Schlaf, Wettereinflüsse. Alle Extreme sind schlecht für die Betroffenen.
Bestimmte Nahrungs- und Genussmittel wie Rotwein können die Ausschüttung des Botenstoffs Serotonin anregen, was die Überaktivierung der Nervenzellen verstärkt. Stress bringt das vegetative Nervensystem, vor allem den Sympathikusnerv, auf Hochtouren. Das aktiviert Herz und Kreislauf plus Schweißdrüsen und bringt die Muskulatur zur Anspannung. Angst und Schlaflosigkeit nehmen zu. Wenn es dem Betroffenen dann nicht gelingt, sich zu entspannen, kommt die Migräneattacke.
Weitere mögliche Trigger sind Umwelteinflüsse wie der Aufenthalt in großen Höhen, verqualmten Räumen sowie Kälte. In Entspannungsphasen nach Stresssituationen kommt es ebenfalls häufig zu Migräneattacken. Wenn andere nach einer nervenaufreibenden Prüfung feiern, liegt ein Mensch mit Migräne öfter mal im Bett.
Welche Beschwerden treten auf?
Migräneanfälle dauern von einigen Stunden bis zu drei Tagen. Der Schmerz beginnt häufig in den frühen Morgenstunden. Er kommt einseitig, später kann er sich aber auf die zweite Seite ausdehnen - das ist bei 20 Prozent der Betroffenen so. Dabei handelt es sich um einen pulsierenden, stechenden oder auch pochenden Kopfschmerz.
Es gibt zwei Migräneformen: ohne und mit Aura. Dieses neurologische Phänomen dauert meist 15 bis 30 Minuten, seltener eine ganze Stunde, etwa zehn bis 15 Prozent der Patienten leiden daran. Die Aura steht für sehr unterschiedliche Sehstörungen: Lichtblitze, Farben, Doppelbilder oder flimmernde Zickzacklinien, die langsam übers Gesichtsfeld wandern. Manche Menschen leiden mehrfach die Woche daran, andere nur ein- oder zweimal pro Jahr.
Neben den Kopfschmerzen haben die Betroffenen mit Appetitlosigkeit, in vier von fünf Fällen mit Übelkeit und etwa die Hälfte mit Erbrechen zu kämpfen. Jeder Zehnte hat ein Problem mit Gerüchen.
Wie können Betroffene einer Migräneattacke vorbeugen?
Bei mehr als drei Attacken pro Monat ist es ratsam, ihnen auch nicht-medikamentös entgegenzuwirken. Es ist deshalb sinnvoll, zunächst einen Monat lang jede Migräneattacke und mögliche Auslöser zu notieren. Anschließend sollten die identifizierten Trigger möglichst vermieden werden. Ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus kann dazu beitragen, die Häufigkeit der Attacken zu verringern. Auch regelmäßiger, moderater Ausdauersport (Fahrradfahren, Schwimmen, Joggen) hilft. Weitere Verfahren sind:
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die Biofeedback-Therapie: Körpermarker wie etwa der Blutdruck werden in sicht- oder hörbare Signale umgesetzt. Der Betroffene lernt so leichter, wie er diese Signale verändern kann - also die Gefäßweite willkürlich zu beeinflussen. Und so die Schmerzintensität positiv zu steuern.
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die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson (PMR): Dabei werden bestimmte Muskelgruppen bewusst angespannt und entspannt. Dadurch stellt sich ein Zustand tiefer Erholung ein. Beim Training geht es etwa darum, durch Gedanken, innere Bilder und Emotionen Körperprozesse auszulösen, die der Überaktivierung entgegenwirken und eine Normalisierung einleiten.
- Stressmanagement: Die Betroffenen müssen sich bewusst machen, welche Stressfaktoren es in ihrem Leben gibt und wie sie normalerweise damit umgehen. Dann ist es möglich, Strategien zu ihrer Bewältigung und Vermeidung zu entwickeln.
Welche Medikamente eignen sich für die Vorbeugung?
Nicht nur bei einer akuten Attacke helfen Medikamente - sie können auch einen Anfall im Vorfeld unterdrücken: Betablocker wie etwa Propranolol, das Arzneimittel Flunarizin sowie die Epilepsie-Arzneistoffe Valproinsäure und Topiramat sind Mittel erster Wahl. Zudem wird auch Amitriptylin und Naproxen verschrieben. Bei chronischer Migräne kann auch der Faltenglätter Botox helfen, ein nervenlähmendes Gift. In winzigen Dosen injiziert, kann es Signale zwischen Nerven und Muskeln oder nachgeschalteten Organen blockieren. Auch Akupunktur soll vorbeugend eine gewisse Wirksamkeit haben.
Wie sieht die akute Migränetherapie aus?
Viele Betroffene ziehen sich in einen ruhigen, abgedunkelten Raum zurück und schützen sich so vor Lärm und Licht. Tritt Übelkeit oder Erbrechen auf, ist es wichtig, Präparate dagegen einzunehmen. So bleiben Schmerzmittel im Körper und werden auch besser aufgenommen.
Migräne bei Kindern
Kinder und Jugendliche mit Migräne sind zumeist sehr sensible, sozial besonders einfühlsame Menschen mit einem sehr guten Wahrnehmungsvermögen. Aber dieses gute Wahrnehmungsvermögen begünstigt die Reizüberflutung des Gehirns.
Typisch für eine Migräne bei Kindern und Jugendlichen sind Erbrechen und Übelkeit, beidseitiger Kopfschmerz, der als Stirndruck wahrgenommen werden kann, und plötzlich auftretender Schwindel. Beschwerden verschlimmern sich bereits bei geringer Aktivität wie Treppensteigen. Auch Licht- und Lärmempfindlichkeit treten auf. Kinder mit Migräne werden sehr müde, legen sich freiwillig ins Bett und schlafen. Wenn sie wieder aufwachen, ist die Migräneattacke oftmals weg.
Die Kinder sehen Zickzacklinien vor ihrem inneren Auge, beschreiben ein Glitzern oder gleißendes Licht. Nach 30 Minuten lässt die Aura nach und der Schmerz setzt ein. Manche Kinder haben auch nur Aurawahrnehmungen und keinen Schmerz, andere ziehen sich ganz in sich selbst zurück und haben phantastische Wahrnehmungsveränderungen ("Alice im Wunderland"-Syndrom).
Migräneattacken halten bei Kindern und Jugendlichen etwa ein bis vier Stunden an. Hier ist Ibuprofen (10 mg/kg Körpergewicht) das Schmerzmittel erster Wahl. Kinder sollten jedoch nicht häufiger als an zehn Tagen im Monat Ibuprofen einnehmen, um einen schmerzmittelinduzierten Kopfschmerz zu vermeiden. Weiterhin verschrieben wird manchmal Paracetamol (15 mg/kg Körpergewicht) - auch als Zäpfchen. Beide Mittel können aber auch Nebenwirkungen haben und sollten deshalb nicht zu oft angewendet werden. Jugendliche können auch Aspirin (50 mg) nehmen. Triptane wirken bei Kindern erst ab der Pubertät, einige Produkte sind ab zwölf Jahren als Nasenspray einsetzbar.
Biofeedback wirkt bei Kindern und Jugendlichen sehr gut. Sonst gelten bei den nicht-medikamentösen Verfahren dieselben Tipps wie bei Erwachsenen (siehe Text). Für die medikamentöse Prophylaxe eignen sich Flunarizin und Topiramat. Bei etwa zwei Dritteln der Jugendlichen, die in der Pubertät Migräne hatten, sind die Beschwerden nach der Pubertät weg. Nur bei der Hälfte tritt dann später - aber erst als ältere Erwachsene - wieder eine leichte Migräne auf.
Wer nur leichte bis mittlere Schmerzen hat, kann rezeptfreie Mittel wie Acetylsalicylsäure, Paracetamol oder Ibuprofen verwenden, allerdings auch nicht dauerhaft. Bei stärkeren Schmerzen eignen sich die speziell bei Migräneanfällen angewendeten Triptane - davon gibt es verschiedene Präparate, etwa als Tabletten, Zäpfchen, Nasenspray oder Spritzen. Auch sie darf man nur an höchstens zehn Tagen pro Monat einnehmen. Sonst droht ein sogenannter schmerzmittelinduzierter Kopfschmerz. Grundsätzlich ist es möglich, Triptane mit rezeptfreien Schmerzmitteln oder weiteren Präparaten gegen Begleitsymptome wie Übelkeit zu kombinieren. Es ist jedoch ratsam, dies vorab mit dem Arzt zu besprechen.
Welche Hausmittel helfen bei Migräne?
Was bei einem Menschen hilft, bleibt beim anderen wirkungslos. Deshalb sollte jeder selbst testen, was ihn am besten unterstützt: Fuß- und Armbäder (wahlweise mit ansteigender Temperatur) können bei Migräneattacken lindern. Zudem auch Wechselduschen nach Kneipp sowie Senfmehlfußbäder - dabei werden gemahlene Senfkörner verwendet.
Das gilt auch für Pfefferminzöl, das die Kälterezeptoren auf der Haut anregt. Es wird großflächig auf die Schläfen und die Stirn aufgetragen. Allerdings sollte man verdünntes Minzöl aus der Apotheke verwenden, um Augen- und Hautreizungen zu vermeiden. Für Kleinkinder sind ätherische Öle aber nicht geeignet. Wer Asthma hat, sollte vorab mit dem Arzt klären, ob entsprechende Mittel unproblematisch sind. Eine Art pflanzliches Schmerzmittel ist die Weidenrinde, die einen Vorläufer der Acetylsalicylsäure enthält. In der Apotheke gibt es Weiderindentee, dessen bitterer Geschmack nicht bei jedem beliebt ist. Der Tee ist für Kinder ungeeignet - ebenfalls für Menschen, die blutverdünnende Medikamente einnehmen.