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Ehrung: Nobelpreis für Parasitenforscher

Foto: JONATHAN NACKSTRAND/ AFP

Medizin-Nobelpreis 2015 Kampf den Parasiten

Sie bewahrten Millionen Menschen davor zu erblinden, zu leiden, zu sterben. Dafür erhalten die Chinesin Tu, der Ire Campbell und der Japaner Omura den Medizin-Nobelpreis. Ihre große Leistung: Sie fanden Wirkstoffe gegen Parasiten.

Millionen Menschen in Afrika, Südostasien und Südamerika verdanken ihr Leben diesen drei Forschern: Die Medizin-Nobelpreisträger 2015 haben in ihren Laboren Parasiten erforscht, die krank machen und töten können, die den menschlichen Körper entstellen, ihn mit Fieberschüben schwächen und den Augen die Sehkraft nehmen.

Der diesjährige Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ist damit eine Verbeugung vor Wissenschaftlern, die das Leid in den armen Ländern der Welt nicht akzeptieren wollten - und mit großem Erfolg bekämpft haben.

Der gebürtige Ire und Parasitologe William C. Campbell und der japanische Biochemiker Satoshi Omura teilen sich die eine Hälfte des Nobelpreises, der mit mehr als 850.000 Euro dotiert ist. Das Komitee zeichnet die Forscher für ihre Entwicklung des Wirkstoffs Avermectin aus, das Infektionen mit Fadenwürmern bekämpft. Die chinesische Pharmakologin Youyou Tu bekommt die andere Hälfte für ihre Entdeckung, dass ein Extrakt aus dem Einjährigen Beifuß, das sogenannte Artemisinin, das Wachstum von Plasmodien hemmt, die Malaria auslösen.

Zu viel Hitze für die Wirkstoffe?

Tu, mittlerweile 84 Jahre alt, wurde im Jahr 1967 buchstäblich in die Felder geschickt, um nach wirksamen Kräutern gegen die Malaria auslösenden Parasiten zu suchen. Die Infektionskrankheit kehrte damals mit voller Wucht zurück, nachdem sich immer mehr Parasitenstämme entwickelt hatten, die gegen die damals eingesetzten Medikamente wie etwa Chloroquin resistent waren. Als Leiterin einer staatlich beauftragten Forschungsgruppe stand ihr damit eine heikle Aufgabe bevor.

"Wir sammelten zunächst mehr als 2000 chinesische Kräuter", beschreibt Tu 2011 im Fachmagazin "Nature" ihre Suche . Der Erfolg blieb aus, bis die Gruppe den Einjährigen Beifuß untersuchte. Der daraus extrahierte Wirkstoff Artemisinin hemmte tatsächlich das Wachstum der Malaria-Erreger - allerdings unzuverlässig.

Tu ließ sich davon nicht beirren, sondern suchte beharrlich nach Erklärungen. In einem Handbuch las die Pharmakologin den Satz, der sie auf die entscheidende Idee brachte: "Eine Handvoll qinghao (der chinesische Name für den Einjährigen Beifuß) in zwei Litern Wasser tränken, den Saft auswringen und alles austrinken", stand da.

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Ehrung: Nobelpreis für Parasitenforscher

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Hatten die Forscher die Pflanzenextrakte möglicherweise zu stark erhitzt? Und die Wirkstoffe dabei zerstört? Bei weiteren Versuchen mit geringeren Temperaturen waren sie alsbald erfolgreich: Die Pflanzenauszüge wirkten nun wesentlich besser gegen die Parasiten.

Vor 44 Jahren war es dann so weit: "Am 4. Oktober 1971 hielten wir ein ungiftiges Extrakt in den Händen", schreibt Tu in "Nature". Dieses wirkte gegen verschiedene Plasmodien, mit denen die Forscher Mäuse und Affen infiziert hatten. "Dieser Fund markierte den Durchbruch in der Entdeckung von Artemisinin", so Tu.

Trotzdem keine heile Welt

Nach einem langen Weg hin zu einem ungefährlichen, aber wirksamen Medikament für den Menschen wird Artemisinin heute von Pharmakonzernen hergestellt und als Kombinationspräparat eingesetzt. Schätzungen zufolge rettet es jährlich rund 100.000 Menschen das Leben.

Beendet ist der Kampf gegen Malaria damit nicht: Seit einigen Jahren gibt es zunehmend Plasmodien-Stämme, die der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge resistent sind, beziehungsweise auf eine Behandlung mit Artemisinin nicht mehr richtig ansprechen und es gehäuft zu Rückfällen kommt. Laut (WHO) sterben jedes Jahr vermutlich mehr als 500.000 Menschen an Malaria - darunter zahlreiche Kinder in Afrika.

Auch die jetzt ausgezeichnete Arbeit der über 80-jährigen Forscher Campbell und Omura hat schon Millionen Menschen schweres Leid erspart - und liegt dementsprechend bereits Jahrzehnte zurück. Die zwei Wissenschaftler hatten sich zur Aufgabe gemacht, ein Mittel gegen Wurmerkrankungen zu entwickeln. Infektionen mit Fadenwürmern sind in Afrika die Hauptursache für Erblindung, weil sie eine chronische Entzündung der Hornhaut und damit die Flussblindheit (Onchozerkose) auslösen.

An der Schwelle zur Ausrottung

Die sogenannte Elephantiasis (lymphatische Filariose), ebenfalls von Würmern hervorgerufen, bereitet starke Schmerzen und entstellt den Körper. Wie der Name suggeriert, schwellen einzelne Körperteile durch einen Lymphstau stark an, meist sind die Beine oder das äußere Genital betroffen.

Omura nahm sich als Forschungsobjekt das Bodenbakterium Streptomyces vor, weil es bekannt dafür ist, mit einer Vielzahl von Inhaltsstoffen andere Bakterien abtöten zu können. Er legte Tausende von Kulturen an und wählte jene aus, die ihm besonders vielversprechend erschienen.

An diesem Punkt kam William Campbell ins Spiel, der damals in den USA forschte. Er kaufte Bakterienstränge, die Omura gezüchtet hatte, und überprüfte, welcher am wirksamsten Parasiten bekämpfte. Ein Inhaltsstoff entpuppte sich dabei als besonders effektiv, Campbell nannte ihn Avermectin. Wird Avermectin chemisch weiter verarbeitet, entsteht das noch wirksamere Ivermectin.

"Ivermectin ist hoch wirksam gegen eine Reihe von Parasiten und hat überschaubare Nebenwirkungen", heißt es in der Begründung des Nobelpreis-Komitees. Die Behandlung sei so erfolgreich, dass die Flussblindheit und die Elephantiasis an der Schwelle zur Ausrottung stünden.

Schutz vor Malaria

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