Ohrentzündung nach dem Schwimmen Bitte nicht kratzen!

Gelangen beim Baden Keime ins Ohr, kann es sich entzünden. Vor allem Kinder holen sich im Strandurlaub oder Freibad häufiger solche schmerzenden Infektionen. Was dann hilft, erklärt ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt.
Foto: Getty Images/Cultura RF

Zur Person: Jörg Lindemann ist Oberarzt in der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Ulm.

SPIEGEL ONLINE: Sommer, Ferienzeit, Strandurlaub - und plötzlich tun die Ohren weh. Was sollte man in solchen Fällen tun?

Lindemann: Ganz wichtig ist es, eines zu lassen: kratzen, auch wenn es noch so sehr juckt. Schmerzt das Ohr mehrere Stunden, ist ein Besuch beim Hals-Nasen-Ohrenarzt oder beim Kinderarzt angeraten. In den meisten Fällen ist das Ganze harmlos, es handelt sich im Badeurlaub oft um eine Entzündung des äußeren Gehörgangs, die unter Ärzten auch "Bade-Otitis" genannt wird. Keime aus dem Wasser sind in den äußeren Gehörgang gelangt und haben sich dort festgesetzt.

SPIEGEL ONLINE: Und das verursacht Schmerzen?

Lindemann: Die Symptome reichen von leichtem Juckreiz über richtige Schmerzen bis hin zu eitrigem Ausfluss. Meist ist auch die Haut des Gehörgangs verändert, sie kann zum Beispiel gerötet oder geschwollen sein. Ein typisches Symptom ist ein Schmerz, wenn man auf den Knorpel am Eingang des Gehörganges drückt.

SPIEGEL ONLINE: Wie lässt sich die "Bade-Otitis" behandeln?

Lindemann: Dazu werden antibiotische Tropfen ins Ohr geträufelt. Meist reicht das, damit der äußere Gehörgang ohne Komplikationen innerhalb weniger Tage ausheilt. Bei der Mittelohrentzündung kann es schon mal länger Probleme geben.

SPIEGEL ONLINE: Kann man sich beim Baden auch eine Mittelohrentzündung zuziehen?

Lindemann: Prinzipiell ja. In diesem Fall gelangen die Keime aber nicht durch den Gehörgang ins Ohr, sondern durch den Nasen-Rachen-Raum. Der ist nämlich durch einen Gang, die sogenannte Ohrtrompete, mit dem Mittelohr verbunden. Wenn ein Kind jetzt Wasser in die Nase bekommt, dann können Keime über die Ohrtrompete bis ins Mittelohr aufsteigen und dort zu einer Entzündung führen.

SPIEGEL ONLINE: Passiert das oft?

Lindemann: Die Mittelohrentzündung ist an sich sehr häufig, sie gehört in den ersten Lebensjahren zu den häufigsten Infektionskrankheiten. Fast jedes Kind hat bis zum sechsten Geburtstag mindestens eine Mittelohrentzündung. Es gibt aber keine verlässlichen Zahlen dazu, wie häufig sie durch Badwasser ausgelöst wird.

SPIEGEL ONLINE: Warum haben Kinder so oft Mittelohrentzündungen?

Lindemann: Dafür gibt es mehrere Gründe. Einmal lässt es sich ganz einfach anatomisch erklären: Kinder sind kleiner, ihre Ohrtrompete ist kürzer, also brauchen die Keime weniger Wegstrecke zurückzulegen, um ins Ohr zu kommen. Außerdem sind Kinder oft enger zusammen als Erwachsene, etwa in Krippen oder Kindergärten. Sie haben insgesamt häufiger Infekte, da kann natürlich eher mal ein Erreger den Weg ins Mittelohr finden. Viele Kinder haben auch vergrößerte Rachenmandeln, sogenannte kindliche Polypen, die bisweilen die Ohrtrompete blockieren und so den Abfluss von Flüssigkeit verlangsamen oder verhindern. Ich gehe davon aus, dass eben auch häufigere Schwimmbadbesuche zu einem vermehrten Auftreten von Mittelohrentzündungen beitragen.

SPIEGEL ONLINE: Wie kann man unterscheiden, ob der äußere Gehörgang oder das Mittelohr entzündet ist?

Lindemann: Ist der äußere Gehörgang betroffen, schmerzt es - wie schon erwähnt - vor allem beim Drücken auf den knorpeligen Eingang zum Gehörgang. Eine akute Mittelohrentzündung hingegen tut auch ohne diesen Druck weh. Zusätzlich haben Betroffene oft weitere Beschwerden, etwa Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl.

SPIEGEL ONLINE: Wie wird eine Mittelohrentzündung behandelt?

Lindemann: Meist heilt sie in ein paar Tagen von selbst aus. Abschwellende Nasensprays oder Nasentropfen können helfen, die Ohrtrompete wieder durchgängig zu machen, den Abfluss aus dem Mittelohr zu verbessern und damit die Heilung etwas beschleunigen. Nur bei längeren Krankheitsverläufen mit Fieber und Ohrenlaufen kann die Einnahme eines Antibiotikums notwendig sein. Und in ganz seltenen Fällen sind da auch noch Risiken für sehr problematische Verläufe bei Kindern.

SPIEGEL ONLINE: Welche sind das?

Lindemann: Eine Mittelohrentzündung ist eben tiefer drin im Ohr und im Schädel. Deshalb können die Keime schwerwiegende Komplikationen verursachen, so kann es etwa zu einer akuten Knochenentzündung des Warzenfortsatzes ("Mastoiditis") oder zu einer lebensgefährlichen Hirnhautentzündung kommen. Das ist aber sehr selten. Normalerweise sind das Unangenehmste die Schmerzen, die meist nach ein, zwei Tagen deutlich nachlassen. Dann weiß man, dass alles auf einem guten Weg ist.

SPIEGEL ONLINE: Gibt es Möglichkeiten, vorm Baden einer Infektion des Ohres vorzubeugen?

Lindemann: Viel lässt sich nicht tun, aber wenn man den äußeren Gehörgang zum Beispiel mit Babyöl oder fetthaltigen Salben eincremt, kann das schützend auf die Haut im Gehörgang wirken. Wichtig ist, dass man Manipulationen wie Kratzen und Ohrstäbchen vermeidet, weil so die Gehörgangshaut verletzt werden kann. Gut ist auch lauwarmes Fönen nach dem Duschen oder Baden, weil dies die Haut trocknet.

SPIEGEL ONLINE: Was ist mit dem Ohrenschmalz? Hilft es, diesen vor einem Badeurlaub entfernen zu lassen?

Lindemann: Nur wenn man viel zu viel hat, kann der Ohrschmalz den Gehörgang ganz verschließen - und dann ist es sinnvoll, diesen vom HNO-Arzt entfernen zu lassen. Das ist aber eher die Ausnahme. In normalen Mengen ist Ohrschmalz wichtig und notwendig, er schützt das Ohr, er ist auch steril. Normalerweise sollte der Ohrschmalz daher nicht angerührt werden.

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