Nach Transplantationsskandal Zahl der Organspenden bricht dramatisch ein
Frankfurt am Main - Seit Jahren werben die deutschen Transplantationsmediziner um das Vertrauen der Deutschen. Sie wünschen sich, dass möglichst viele Menschen einen Organspendeausweis ausfüllen und für den Fall, dass sie als Spender in Frage kommen, tatsächlich totkranken Patienten auf der Warteliste das Weiterleben ermöglichen.
Doch das Vertrauen scheint durch einen monatelangen Skandal verspielt, der seit dem zweiten Halbjahr 2012 die deutsche Transplantationsmedizin erschüttert: An verschiedenen Standorten hatten Ärzte Patientenunterlagen gefälscht, in Regensburg, Göttingen, München rechts der Isar und zuletzt Leipzig.
Der Skandal um Manipulationen hat die Spendenbereitschaft in Deutschland auf den niedrigsten Stand seit 2002 sinken lassen, hat die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) jetzt mitgeteilt. Im vergangenen Jahr hätten 1046 Menschen nach ihrem Tod Organe gespendet, 12,8 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Die Zahl der gespendeten Organe sei von 3917 (2011) auf 3508 gesunken. Pro eine Million Einwohner hätten im vergangenen Jahr 12,8 Menschen nach ihrem Tod Organe gespendet, ein Jahr zuvor seien es noch 14,7 gewesen.
Am deutlichsten sei der Rückgang im zweiten Halbjahr nach Bekanntwerden der Manipulationen in mehreren deutschen Transplantationszentren gewesen. Diese Vorfälle seien durch nichts zu entschuldigen, sagte der Medizinische Vorstand der DSO, Günter Kirste, in einer Mitteilung. "Mit großer Sorge sehen wir allerdings, dass im Zuge dessen auch das Vertrauen in die postmortale Organspende massiv erschüttert wurde und die nachlassende Spendenbereitschaft das eigentliche Grundproblem, den Organmangel, weiter verschärft."
"Das Vertrauen müssen wir uns neu verdienen"
Um das Vertrauen zurückzugewinnen, seien eindeutige Konsequenzen notwendig, forderte Kirste. Bundesweit warteten rund 12.000 Menschen dringend auf eine Transplantation. Mit der Entscheidungslösung und der bundesweiten Einführung von Transplantationsbeauftragten seien wichtige Weichen gestellt worden.
Rainer Hess, seit Jahresbeginn hauptamtlicher DSO-Vorstand, appellierte an alle Beteiligten, für mehr Transparenz zu sorgen und über eine strengere Qualitätssicherung künftig einen Missbrauch des Systems zu verhindern. "Das Vertrauen müssen wir uns neu verdienen", sagte Hess, der bis 2012 Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses war. Zwar seien Organspende und Organübertragung getrennte Bereiche mit eigenen Regeln. "Aber wenn Ärzte bei der Transplantation manipulieren, ist das gesamte System betroffen." Die DSO koordiniert die Organspenden in Deutschland.
Nach dem Bekanntwerden der Leipziger Fälle war das nach den ersten Manipulationen neu geschaffene Kontrollsystem in die Kritik geraten. Es gebe zu wenig staatliche Kontrolle bei den von der Bundesärztekammer verantworteten Prüfungen. So forderte zum Beispiel der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Johannes Singhammer (CSU): "Die Richtlinien der Bundesärztekammer für Organtransplantationen müssen gesetzlich verankert werden. Nur so gibt es die Möglichkeit für Sanktionen." Gleichzeitig befürchtete der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, es würden künftig noch weitere Fälle von Manipulationen ans Licht kommen.