Transplantationen Wie Sie Organspender werden könnten - oder eben nicht

Organspendeausweis: Wird er bald überflüssig?
Foto: Axel Heimken/ DPAZuschauer des "heute-journals" dürften am Montagabend überrascht gewesen sein, als Annalena Baerbock im Interview mit Claus Kleber sagte: "Ich bin als Spenderin registriert." Denn bislang gibt es überhaupt kein offizielles Register, in dem Daten aus Organspendeausweisen erfasst werden. Hat Baerbock also geschwindelt? "Nein", teilte ein Sprecher der Grünen-Vorsitzenden auf Anfrage mit: Es handele sich um einen bedauerlichen Versprecher. Nach eigenen Angabe hat Baerbock aber einen Organspendeausweis.
Der Patzer passt zu den Unsicherheiten, die die Diskussion um Organspende prägt. Laut Umfragen stehen zwar 81 Prozent der Deutschen einer Organspende positiv gegenüber. Aber nur 32 Prozent haben einen Organspendeausweis ausgefüllt. Es gibt viele Gründe für diese Diskrepanz. Viele wollen schlicht nicht über den eigenen Tod nachdenken oder wissen nicht, was sie machen müssen, um Organspender zu werden.
Für Menschen, die auf ein lebensrettendes Organ warten, ist das ein Problem. In Deutschland stehen derzeit etwa 10.450 Patienten auf der Warteliste für ein Spenderorgan, viele werden vergebens warten. Im vergangenen Jahr wurden nur 3599 Transplantationen vorgenommen.
In Deutschland wird deshalb gerade über zwei Gesetzesvorschläge diskutiert:
- Eine parteiübergreifende Gruppe um Baerbock fordert ein Spenderregister. Demnach sollen Behörden abfragen, ob jemand als Organspender registriert werden will oder nicht - beispielsweise, wenn derjenige einen Personalausweis beantragt. Die Entscheidung wird dann in einem Spendenregister vermerkt.
- Der Gegenvorschlag von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach geht noch weiter. Sie fordern eine Widerspruchslösung, nach der jeder zum Organspender wird, der nicht zu Lebzeiten widersprochen hat. Im Zweifel sollen die Hinterbliebenen über eine Organspende entscheiden dürfen.
Was bedeutet eine Widerspruchslösung für Betroffene?
Durch die Widerspruchslösung würden voraussichtlich mehr Menschen zu potentiellen Organspendern. Patienten, die ein Organ brauchen, hätten dadurch höhere Überlebenschancen. Gleichzeitig müssten fortan diejenigen aktiv werden, die nicht spenden wollen. Die Entscheidung soll laut den aktuellen Plänen in einem Register erfasst werden, zunächst beim Arzt und später auch online. Die Einträge können jederzeit geändert werden, versichern Spahn und Lauterbach. Geplant ist auch eine große Informationskampagne, bei der alle Meldepflichtigen ab 16 Jahren dreimal angeschrieben werden sollen.
Welche Rollen spielen dann noch die Hinterbliebenen?
Kommt jemand als Organspender in Frage, sollen Ärzte künftig im Organspenderegister prüfen, ob derjenige sich zu Lebzeiten gegen eine Organspende ausgesprochen hat. Liegt in dem Register kein Antrag vor, soll der nächste Verwandte gefragt werden, ob es Hinweise gibt, dass der Verstorbene gegen eine Organspende war. Das könnte beispielsweise ein Organspendeausweis sein, auf dem das vermerkt ist oder auch ein formloser Zettel. Entscheidend ist dabei der Wille des Verstorbenen. Das bisherige Entscheidungsrecht der Hinterbliebenen soll gestrichen werden.
Ist der potenzielle Organspender minderjährig, müssen in der Regel die Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten entscheiden. Bei Menschen, die die Tragweite einer solchen Entscheidung nicht erkennen können - etwa wegen einer geistigen Behinderung -, sollen Organspenden grundsätzlich unzulässig sein.
Was müssen Menschen jetzt tun, die Organe spenden wollen?
Ob es tatsächlich zu einer Widerspruchslösung kommt, ist unklar. Die Entscheidung wird sich voraussichtlich über Monate hinziehen und läuft fraktionsoffen. Das heißt, die Bundestagsabgeordneten entscheiden nach eigenem Ermessen, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit. Schon jetzt werden beide Pläne parteiübergreifend unterstützt.
Wer bereits jetzt festhalten will, Organe spenden zu wollen, sollte einen Organspendeausweis ausfüllen und diesen mit sich führen. Die Ausweise gibt es bei Apotheken, Ärzten oder können hier bestellt oder heruntergeladen werden . Auf dem Ausweis können einzelne Organe und Gewebe von der Spende ausgeschlossen werden. Die Entscheidung für eine Organspende kann auch in einer Patientenverfügung festgehalten werden. Ein Testament ist dagegen dafür nicht geeignet, weil dieses erst eröffnet wird, wenn es für eine Organspende bereits zu spät ist.
Was, wenn ich keine Organe spenden will?
Auch wer keine Organe spenden will, kann dies auf dem Organspendeausweis eindeutig angeben. Dasselbe gilt für die Patientenverfügung. Kommt es tatsächlich zu einer Widerspruchslösung, müssten Betroffene aktiv werden und ihre Entscheidung in dem geplanten Register eintragen lassen.
In vielen Ländern gilt bereits eine Widerspruchslösung und zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Stirbt ein Deutscher beispielsweise in Spanien, kann er oder sie automatisch zum Organspender oder Organspenderin werden. Wer das nicht möchte, sollte vor seinem Urlaub einen Organspendeausweis in der jeweiligen Landessprache ausfüllen und darauf eine Spende ausschließen.
Ist ein Hirntoter wirklich tot?
Ein hirntoter Mensch kann nichts mehr wahrnehmen, empfinden oder entscheiden. Und das unwiederbringlich. Eine Rückkehr ins Leben ist ausgeschlossen. Selbst mit künstlicher Beatmung baut sich das Hirngewebe vollständig ab. "Mit der Diagnose Hirntod ist der Tod des Menschen sicher festgestellt", heißt es auf der Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung .
Einige Ethiker erkennen den Hirntod nicht als endgültigen Tod an, weil einige Prozesse auch unabhängig vom Gehirn weiterlaufen, wie beispielsweise die Immunabwehr. Dabei geht es aber vor allem um eine philosophische Frage. Der Deutsche Ethikrat ist sich jedoch einig, dass eine Organspende im Fall eines Hirntods zulässig ist.
Im Fall einer Organspende müssen zwei Ärzte den Hirntod unabhängig voneinander feststellen, die nicht in die spätere Entnahme oder Transplantation involviert sein dürfen. Das Diagnoseverfahren ist eindeutig geregelt. Wird es korrekt angewendet, ist eine Verwechslung beispielsweise mit einem Koma ausgeschlossen.