Organspendeskandal
Minister will Sonderkontrolleure in den Kliniken
Ein Mehr-Augen-Prinzip soll Manipulationen bei der Vergabe von Organspenden verhindern. Gesundheitsminister Daniel Bahr will diesen Vorschlag bei einem Krisentreffen am Montag durchsetzen. Derweil wird über neue Fehler bei der Vergabe von Spenderherzen berichtet.
Mehr-Augen-Prinzip: Organspenden sollen durch mehrere Ärzte überwacht werden
Foto: Christopher Furlong/ Getty Images
Als Konsequenz aus den Manipulationen bei der Vergabe von Spenderorganen will Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr strengere Regeln durchsetzen. "Wir brauchen ein Mehr-Augen-Prinzip bei der Vergabe von Spenderorganen, damit noch eine unabhängige Person, die nicht Teil der Abläufe der Transplantation ist, alles prüft", sagte Bahr der "Rheinischen Post" ("RP"). Diese Person solle unmittelbar der Klinikleitung unterstellt sein, damit auch die Klinikleitung direkt Verantwortung trage.
Als Sonderkontrolleur könnte zum Beispiel ein Arzt aus einer anderen Abteilung eingesetzt werden. Bahr forderte zudem, das Personal der Prüfkommissionen aufzustocken, die unangemeldet in Transplantationskliniken gehen.
Am Montag ist wegen des Organspenden-Skandals ein neuerliches Krisentreffen mit Vertretern aus der Ärzteschaft, den Krankenkassen und Ländern angesetzt. An den Gesprächen in Berlin nehmen unter anderem Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery, der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, und eine Reihe von Gesundheitsministern der Länder teil. Bahr sagte, er erwarte weitere Vorschläge zur Verbesserung der Strukturen. Für Ärzte, die gegen Regeln verstießen, müsse es harte Strafen geben.
Überprüft werden soll auch, warum bei dem Vorfall in Regensburg keine Konsequenzen gezogen worden seien, sagte Bahr gegenüber der "RP". "Es kann nicht sein, dass solche Vorgänge keinerlei Folgen haben." Bei der Untersuchung der Strukturen werde auch die für die Organisation der Organspende zuständige "Deutsche Stiftung Organtransplantation" (DSO) nicht ausgenommen.
Die Kernkompetenz bei der Organspende müsse auch weiterhin bei den Ärzten liegen, sagte Bahr. "Da es bei der Organvergabe im Kern immer um medizinische Entscheidungen geht, können diese nur von Medizinern gefällt werden."
Manipulation bei Spenderherzvergabe
Die "Frankfurter Rundschau" ("FR") berichtet in ihrer Samstagsausgabe über neuerliche Auffälligkeiten bei der Verteilung von Spenderorganen. Neun von zehn Spenderherzen würden inzwischen mit einem Verfahren an Organempfänger vergeben, das selbst die Ärzteschaft als manipulationsanfällig ansehen.
Belegen würden dies neue Zahlen der europäischen Organvermittlungsstelle Eurotransplant, die der Zeitung vorliegen. Wurden noch vor zehn Jahren weniger als die Hälfte (43,5 Prozent) der Herzen an Patienten vergeben, die aufgrund von akuter Lebensgefahr auf der Warteliste einen "Hochdringlichkeitsstatus" hatten, sei der Anteil bis 2011 auf 88,5 Prozent hochgeschnellt. Chancen auf ein neues Herz hätte damit praktisch nur derjenige Patient, der diesen Status bekomme. Die Kriterien dafür seien jedoch nicht einheitlich. Damit läge es weitgehend im Ermessen des behandelnden Arztes, wie er den Patienten einstuft, so die "FR".
Die Bundesärztekammer hatte die neuen Daten mit der abnehmenden Zahl von Spenderorganen begründet. Sie betonte außerdem, die Prüfungskommission von Kassen, Ärzteschaft und Kliniken habe bei Kontrollen in Herztransplantationszentren im Zeitraum 2009/10 zwei und im Zeitraum 2010/11 keine Unregelmäßigkeiten bei den gemeldeten Patientendaten festgestellt.
Die Justiz ermittelt derzeit an den Uni-Kliniken in Göttingen und Regensburg, ob im Zusammenhang mit Transplantationen Akten manipuliert und so bestimmten Patienten bevorzugt Spenderorgane verschafft wurden. Ein zu den jeweiligen Zeiträumen an den Kliniken arbeitender Arzt gilt als Hauptverdächtiger.