Osteoporose So werden spröde Knochen wieder stark

Millionen Deutsche haben poröse Knochen - und deshalb Angst vor zu großer Belastung. Ein Trugschluss? Neue Erkenntnisse zeigen: Gerade Sport kann gegen Knochenschwund helfen.
Modell eines Wirbelknochens: Kann spezifisches Training bei Osteoporose den Knochenschwund stoppen?

Modell eines Wirbelknochens: Kann spezifisches Training bei Osteoporose den Knochenschwund stoppen?

Foto: Rainer_Jensen/ picture-alliance / dpa/dpaweb

Rund 212 Knochen verleihen dem menschlichen Körper Stabilität und widerstehen enormen Belastungen. Doch die stabile Knochenmasse eines Menschen nimmt ab dem 40. Lebensjahr ab, bei manchen sehr viel schneller als bei anderen. Dann genügen schon kleinste Belastungen, und der Knochen bricht. An einer solchen Osteoporose leiden in Deutschland Millionen Menschen.

Jetzt gibt es neue Erkenntnisse, die für Betroffene Hoffnung stiften und wichtig im Kampf gegen die tückische Erkrankung sein können. Lange Zeit dachte man, dass Knochen starre Gebilde seien. Die Entdeckung des Berliner Chirurgen Julius Wolff und des pfälzischen Bauingenieurs Karl Culmann 1871 aber war ein Meilenstein in der Knochenforschung. Sie erkannten, dass die Knochenmasse in Wahrheit viel anpassungsfähiger ist, als man dachte.

Heute weiß man, dass im Skelett ein permanentes Gleichgewicht zwischen knochenaufbauenden (Osteoblasten) und -fressenden Zellen (Osteoklasten) herrscht. Bestimmte Sensorzellen (Osteozyten) im Knochen messen, welche Belastungen in allen Raumrichtungen auftreten. Sind die Kräfte sehr niedrig, wirft der Körper Ballast ab und reduziert die Knochenmasse. Bei hohen Belastungen dagegen baut der Knochen Substanz auf.

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Brüchige Knochen: Wie entseht Osteoporose?

Foto: Corbis

Um die Knochen möglichst stark zu halten, kommt es also auf das richtige Ausmaß an Belastung an. Bewegung gilt als wichtigster Faktor zur Vorbeugung von Osteoporose. Doch kann Belastung den übermäßigen Knochenschwund auch aufhalten? Und falls ja: Wie hoch müssen die Kräfte sein?

Jon Tobias, Professor für Rheumatologie an der University of Bristol, etwa glaubt, dass Knochenmasse erst bei Belastungen oberhalb der vierfachen Erdbeschleunigung (4 g) aufgebaut wird. Weniger als 3 g dagegen führen laut Tobias zu einem schleichenden Verlust der Knochenmasse. Unterhalb von 2 g sind die Knochen quasi verloren.

Möglichst abrupte Lastwechsel

"Je größer die Kräfte, desto größer der Knochenaufbau", sagt auch Georg Duda, Direktor des Julius Wolff Instituts für Biomechanik und Muskuloskeletale Regeneration an der Berliner Charité. Allerdings müsse man mit genauen Zahlen vorsichtig sein: "Da gibt es individuelle Unterschiede." Interessanterweise scheinen nicht die absoluten Kräfte entscheidend zu sein. "Viel wichtiger", so Duda, "scheinen möglichst abrupte Lastwechsel zu sein."

Das legte auch schon eine Studie vor rund zehn Jahren nahe , die 255 Athletinnen vor der Menopause in ihrer Knochendichte verglich. Interessanterweise hatten nicht etwa Gewichtheberinnen die stärksten Knochen, sondern Volleyballerinnen - deren Skelett bei jedem Sprung so richtig durchgeschüttelt wurde.

Noch härter rangenommen wurden 60 Frauen zwischen 25 und 50 Jahren in einer Anfang 2014 erschienenen Studie : 16 Wochen lang mussten sie täglich ein heftiges Sprungtraining absolvieren. Ein Teil führte zweimal täglich zehn Sprünge mit jeweils 30 Sekunden Pause dazwischen aus, ein anderer Teil der Probandinnen machte das gleiche Programm mit 20 Sprüngen. Dabei wurden Spitzenbelastungen von über 7 g erreicht. Im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Sprungtraining erhöhte sich die Knochendichte der springenden Frauen deutlich.

Das Problem: Würde jemand mit bereits beginnender Osteoporose ein solches Training versuchen, könnten seine Knochen einfach wegkrachen. "Bei abrupten Spitzenlasten kommt es zu sogenannten Mikrofrakturen, die sich verbinden können und dann auch schon mal einen Wirbelkörper kollabieren lassen", warnt Duda. "Das ist übrigens auch die Ursache, warum Patienten mit Osteoporose im Alter kleiner werden."

Mit Pech könnte das sogar schon auf den in Mode gekommenen Rüttelplattformen passieren . Und das, obwohl die im Hüftgelenk auftretenden Kräfte  sogar kleiner sein können als beim normalen Gehen. Eine Zwickmühle, sagt der Rheumatologe Tobias: Da Patienten mit fortgeschrittener Osteoporose kaum auf Spitzenbelastungen über 2 g kämen, sei ein effektives Aufbautraining für das Skelett praktisch aussichtslos.

Bewegung ist wichtig für den Erhalt der Knochen

Das sieht der Biomechaniker Duda anders: "Wir konnten zeigen, dass die Betroffenen selbst von gemäßigten Belastungen in der Knochendichte profitieren." Im Gegensatz zu Mäusen  sei das menschliche Skelett in der Lage, bis ins hohe Alter die Knochenbildung anzuregen. Dabei scheint sich das Training primär auf den Knochenaufbau auszuwirken, nicht so sehr dagegen auf den Knochenabbau.

"Der Knochen wird im Alter immer spröder und die Osteozyten immer weniger sensibel für mechanische Belastungen", sagt Duda: "Man kann sich das wie eine Schwerhörigkeit vorstellen." Hinzu kommt, dass man sich mit dem Alter immer weniger bewegt. Dadurch komme immer weniger Kraft bei den Zellen an. "Damit fehlen wichtige Signale zum Erhalt und Aufbau des Knochens", sagt der Knochenforscher. "Das Fenster der mechanischen Belastung wird kleiner und enger."

Duda rät daher zu so viel körperlicher Aktivität wie möglich: "Wichtig ist, dass sich Menschen bis ins hohe Alter aktiv bewegen." Statt eines Schwingplattentrainings empfiehlt er eher Laufen oder ein moderates Krafttraining. "Damit lassen sich Muskulatur und Knochen immer noch am besten erhalten."

OSTEOPOROSE VORBEUGEN
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Welche Risikofaktoren gibt es?Wie viel Kalzium sollte man nehmen?Produziert der Mensch genug Vitamin D?

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