Analyse von Patientenbeschwerden Tausende Kranke werden falsch beraten

Zahnarztbesuch: Besonders häufig Anlass zur Beratung
Foto: CorbisEigentlich wollte Maria K. nur wissen, warum ihr Hausarzt ihr ein neues Medikament verschrieben hatte. Sie litt unter Diabetes, starkem Übergewicht und Bluthochdruck. Doch die Antwort schockierte sie: Er müsse an sein Budget denken, sagte der Mediziner. Und schickte Frau K. mit dem Hinweis aus dem Behandlungszimmer, sie solle einfach mal die Kekse weglassen und abnehmen. Dann bräuchte sie auch keine teuren Medikamente mehr.
Die 56-Jährige wechselte den Hausarzt und bat ihren alten Mediziner mehrmals um ihre Krankenakte. Sie wollte verhindern, dass sie alle Untersuchungen noch einmal wiederholen sollte. Als nichts passierte, wendete sie sich schließlich an die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD).
Maria K. ist nur ein Fall, den die UPD exemplarisch in einem aktuellen Bericht schildert. Erstmals hat die Organisation systematisch alle 75.068 Gespräche ausgewertet, die ihre 75 Berater zwischen dem 1. April 2012 und dem 31. März 2013 geführt haben. Der "Monitor Patientenberatung", den die UPD jetzt vorgelegt hat, offenbart Misstände, von denen Tausende Patienten betroffen sind. Die Daten basieren dabei allerdings nur auf den Schilderungen der Patienten - die Berater haben nicht die Möglichkeit, die Angaben auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.
Die Hauptergebnisse im Überblick:
- Ein Großteil der Ratsuchenden wandte sich mit rechtlichen Fragen an die unabhängige Patientenberatung. Mehr als 10.000-mal drehten sich die Gespräche um Patientenrechte. Dabei ging es um einfachere Themen wie das Recht auf Einsichtnahme in Krankenunterlagen. Der Arzt ist dazu verpflichtet, jedem Patienten auf Wunsch die Krankenakte komplett auszuhändigen.
- In 7340 Fällen kamen die Berater zu dem Schluss, dass die Patienten von ihrem Arzt, Therapeuten oder einem anderem Akteur des Gesundheitssystems unvollständig, widersprüchlich oder falsch informiert wurden. 4900-mal gab es Probleme beim Zugang zur Versorgung - größtenteils, weil Ärzte, Kliniken oder Kassen Patienten den Zugang zu Unrecht verweigerten. Hier ging es in den meisten Fällen um abgelehntes Krankengeld oder stationäre Rehabilitation. 4143-mal fanden die Berater Hinweise auf eine mangelhafte Versorgungsqualität.
- Besonders häufig (mehr als 5000-mal) war ein Besuch beim Zahnarzt Anlass für die Beratung. Dabei ging es neben Patientenrechten und Behandlungsfehlern vor allem um die Prüfung entstandener Kosten bei der Behandlung. Ebenfalls zu den häufigsten Diagnosen gehören psychische Erkrankungen (2184 Gespräche). Hier drehten sich die Beratungen vor allem um die ambulante psychotherapeutische Versorgung sowie das Thema Krankengeld.
- Rund jeder Elfte (6781 der Patienten) vermutete einen Behandlungsfehler. Besonders häufig ging es dabei um zahnmedizinische Behandlungen sowie Therapien und Eingriffe bei der Arthrose von Hüft- und Kniegelenken.
Die Ergebnisse der Untersuchung gelten zwar nicht als repräsentativ - unter anderem, weil die Menschen, die sich mit ihren Problemen an die Unabhängige Patientenberatung wenden, nicht den Durchschnitt der deutschen Bevölkerung widerspiegeln. "In der Summe liefern sie jedoch wichtige und ernst zu nehmende Anhaltspunkt und Hinweise auf mögliche Problemlagen, die seitens der Politik und der Wissenschaft weiter verfolgt werden sollten", heißt es in dem Bericht.
Für viele Ratsuchende sei die UPD die "letzte (Vertrauens-)Instanz" nach einem langen Weg durch Einrichtungen und Institutionen, so die Organisation. Die ratsuchenden Patienten seien sich mitunter nicht einmal im Klaren darüber, dass sie Rechte haben: "Nicht selten befinden sie sich in einer Konfliktsituation mit Leistungserbringern oder Kostenträgern und glauben nicht daran, dass sie in der Auseinandersetzung überhaupt eine Chance haben", heißt es in einem Bericht.
Die UPD hat ihren Bericht jetzt beim Patientenbeauftragten der Bundesregierung Wolfgang Zöller abgegeben. Dieser appelliert laut einer Mitteilung an Ärzte und Krankenkassen, sich kritisch zu hinterfragen. Doch auch er verspricht Großes: "Selbstverständlich werde ich die Hinweise des Berichts auch in die Politik tragen, damit wenn nötig auch gesetzgeberische Konsequenzen gezogen werden können - zum Nutzen der Patienten."