Gesetzentwurf Bundeskabinett will Preise für Arzneimittel deckeln

Hilfreiche Medikamente, stabile Kosten
Foto: Matthias Hiekel/ picture alliance / dpaMit rund 35 Milliarden Euro machten die Kosten für Arzneimittel 2015 gut 17 Prozent der Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung aus. In diesem Jahr steigt der Trend noch weiter nach oben. Das Bundeskabinett verabschiedete am Mittwoch einen Gesetzentwurf , der diese Preissteigerungen begrenzen soll. Es handelt sich dabei um das sogenannte Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz.
Zugleich sollten sich die Patienten darauf verlassen können, dass sie auch in Zukunft mit hochwertigen und innovativen Arzneimitteln versorgt werden, sagte Gesundheitsminister Hermann Gröhe.
Ein Überblick über die Neuerungen, die noch vom Bundestag beschlossen werden müssen:
Umsatzschwelle: Die Pharmafirmen können im ersten Jahr nach der Markteinführung die Preise beliebig festlegen. Seit 2011 gilt, dass nach zwölf Monaten zwischen dem Kassen-Spitzenverband und dem Unternehmen ein niedrigerer Erstattungsbetrag ausgehandelt werden muss. Kritiker werfen den Herstellern vor, die Preise im ersten Jahr zu hoch anzusetzen. Die Regierung will nun, dass ab einer Umsatzschwelle von 250 Millionen Euro die Preise für neue Arzneimittel schon vor Ablauf des ersten Jahres rückwirkend auf den niedrigeren Wert abgesenkt werden.
Laut GKV-Spitzenverband erreichten 2015 drei neue Medikamente in den ersten zwölf Monaten nach der Zulassung einen Umsatz von mehr als einer Viertelmilliarde Euro: Das Hepatitis-C-Präparat Harvoni von Gilead Sciences, das laut Kassenverband in Deutschland einen Umsatz von rund 783 Millionen Euro hatte, das Hepatitis-C-Medikament Sovaldi vom selben Hersteller (495 Millionen Euro) und das Multiple-Sklerose-Mittel Tecfidera vom US-Hersteller Biogen (326 Millionen Euro).
Preismoratorium: Die Hersteller erhalten für Medikamente, die keinen anderen Preisregulierungen unterliegen, die Kosten auf dem Stand des Jahres 2009 erstattet. Dieses Preismoratorium soll anders als geplant nicht im Jahr 2017 auslaufen, sondern bis Ende 2022 weiter gelten. Die Verlängerung soll den Kassen Einsparungen bis zum Jahr 2022 von 1,5 bis zwei Milliarden Euro bringen. Ab 2018 ist aber ein Inflationsausgleich geplant, der die Einsparungen um 150 bis 200 Millionen Euro senkt.
Preislisten: Die in Deutschland ausgehandelten Erstattungspreise für neue Medikamente sollen nicht mehr veröffentlicht werden. Diese Vertraulichkeit entspricht einer Forderung der Pharmaindustrie, nach deren Angaben die deutschen Preise bei Verhandlungen im Ausland als Referenzpreise gesehen werden. Die Krankenkassen halten die Bedeutung jedoch für überschätzt. Nun sollen nur Institutionen Zugang erhalten, die diese Infos zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben benötigen - etwa bei der Berechnung von Zuschlägen. Die Details soll eine Verordnung klären.
Arzt-Infos: Ärzte sollen in ihrem Praxis-Informationssystem künftig einfach erkennen können, welchen Zusatznutzen ein neues Medikament hat, ob es besser wirkt als ein anderes, und welches einfach nur teurer ist. Die Ergebnisse von Nutzenbewertungen sollen ihnen so im Praxisalltag schnell zur Verfügung stehen.
Rabattverträge: Unternehmen haben nach Abschluss eines Rabattvertrags mit einer Kasse künftig sechs Monate Zeit, bis sie den Wirkstoff liefern müssen. Dies soll Engpässen vorbeugen und auch mittelständischen Unternehmen eine Bewerbung ermöglichen, die oft mehr Zeit zur Vorbereitung benötigen als große Hersteller.
Krebsmedikamente: Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Apotheken zur Herstellung speziell für Krebskranke angefertigter Arzneien (Zytostatika) soll es nicht mehr geben. Die Regierung will damit Nachteile für die Patienten vermeiden, die bestimmte Präparate dadurch bislang meist nur in bestimmten Apotheken erhalten. Allerdings sollen Rabattverträge der Kassen mit den Herstellern für die Basisstoffe möglich sein.
Antibiotika: Herkömmliche Antibiotika stoßen immer mehr an ihre Grenzen, weil multiresistente Keime weltweit zunehmen. Helfen könnten neue Präparate, die als Reserve dienen, wenn alle anderen Mittel versagen. Doch für Unternehmen sind diese wenig lukrativ. Die Bedeutung dieser Mittel und die Resistenzsituation sollen bei der Preisgestaltung stärker berücksichtigt werden. Bisherige Preisgrenzen sollen aufgehoben werden können.
Apotheker: Die Vergütung der Apotheker wird um 100 Millionen Euro pro Jahr zulasten der Krankenkassen angehoben. Unter anderem soll der Festzuschlag für Standardrezepturen ausgedehnt werden. Dabei handelt es sich etwa um Hautcremes oder Zäpfchen, die in den Apotheken direkt angefertigt werden.
Nutzenbewertung: Arzneien, die schon vor 2011 auf dem Markt waren, sollen weiter keiner Nutzenbewertung unterzogen werden. Eine Ausnahme soll es geben, wenn ein bekannter Wirkstoff in einem wesentlich neuen Anwendungsgebiet zugelassen wird.