Pseudoallergien Juckreiz durch Geschmacksverstärker

Ob Tiefkühlpizza oder Tütensuppe: Fast Food ist praktisch, doch längst nicht jeder verträgt die Geschmacksverstärker darin. Auch Farb- und Konservierungsstoffe können Pseudoallergien auslösen. Die Beschwerden gleichen denen echter Allergien, die Diagnose aber ist deutlich komplexer.
Leckere Pizza: Möglicherweise der Grund für juckende Haut?

Leckere Pizza: Möglicherweise der Grund für juckende Haut?

Foto: Corbis

Die Haut juckt, die Nase läuft, der Rachen schwillt an: Alles weist auf eine normale Allergie hin und doch findet der Arzt keinerlei Hinweise auf eine allergische Reaktion. In solchen Fällen können sogenannte Pseudoallergien hinter den Beschwerden stecken. Die Symptome entsprechen denen einer echten Allergie, doch die Beschwerden haben eine ganz andere Ursache. Die Probleme können vor allem von Farb- und Konservierungsstoffen in Lebensmitteln hervorgerufen werden. Für die Betroffenen ist die Suche nach den Auslösern oft mühsam.

Auch wenn der Name Pseudoallergien oft missverstanden wird: Er bedeutet nicht, dass sich jemand die allergischen Symptome nur einbildet. Die Betroffenen leiden oft stark, sagt Richard Raedsch vom Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) in Wiesbaden. Anders als bei echten Allergien ist bei Pseudoallergien aber nicht das Immunsystem beteiligt - auch wenn sich die Beschwerden bei beiden bis ins Detail gleichen.

In der Praxis sind Pseudoallergien sehr viel seltener als echte Allergien. Studien gehen davon aus, dass höchstens einer von hundert Menschen daran leidet. "Wenn ein Patient mit den typischen Symptomen in die Praxis kommt, wird der Arzt deshalb zunächst einmal einen Allergietest machen. Bei den meisten hat man den Auslöser für die Symptome damit gefunden", sagt Jörg Kleine-Tebbe von der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie. "Erst wenn der Allergietest ohne Befund bleibt, denkt ein Arzt darüber nach, was noch dahinterstecken kann." Die Pseudoallergie sei dann eine Möglichkeit.

Keine Blut- und Hauttests verfügbar

Der Verdacht auf eine Pseudoallergie lässt sich jedoch nur schwer überprüfen. "Es gibt keine Blut- oder Hauttests, mit denen man eine Pseudoallergie bestätigen könnte", sagt Raedsch, der als Chefarzt am St.-Josephs-Hospital in Wiesbaden arbeitet. Stattdessen erwartet Ärzte und Patienten eine langwierige Diagnostik. "Als erstes lasse ich mir von einem Patienten ganz genau erzählen, was er zu sich genommen hat. Dann kann man versuchen, einzugrenzen, auf welche Zusatzstoffe ein Patient mit Beschwerden reagiert", sagt Raedsch.

Als nächstes müssen Patienten häufig eine sogenannte Eliminationsdiät machen. "Das heißt, man muss einige Wochen lang alle Inhaltsstoffe, die eine Pseudoallergie auslösen können, komplett vermeiden", erklärt Christine Behr-Völtzer, Professorin für Ernährungswissenschaft und Diätetik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Viele Obstsorten, Fertiggerichte und Süßigkeiten werden erstmal vom Speiseplan gestrichen.

Wenn sich die Symptome durch eine solche Diät deutlich verbessern, sei man auf der richtigen Spur, sagt Behr-Völtzer. "Im nächsten Schritt muss man herausfinden, gegen welchen Zusatzstoff genau ein Patient mit Symptomen reagiert." Dafür werden entweder nach einem genauen Diätplan Lebensmittel mit bestimmten Zusatzstoffen nach und nach wieder eingeführt oder Patienten nehmen in der Arztpraxis oder sogar im Krankenhaus einzelne Zusatzstoffe in Tablettenform zu sich.

Mögliche Auslöser: Konservierungs-, Aroma-, Farbstoffe

Die Zahl der möglichen Auslöser für eine Pseudoallergie ist enorm. "In Frage kommen etwa Konservierungsstoffe wie Sorbinsäure, Benzoesäure oder Schwefeldioxid", sagt Raedsch. "Auch Aromastoffe in Limonade, in Nudelfüllungen oder Fertiggerichten zählen zu den Auslösern. Hinzu kommen künstliche Farbstoffe." Viele von ihnen stehen mit ihrer E-Nummer auf der Verpackung, einige der Aromastoffe sind aber auch in natürlichen Lebensmitteln wie Obst enthalten.

Diese Vielzahl an Auslösern mache die Diagnose so aufwendig, betont Raedsch. "Das Ziel ist in jedem Fall, die Auslöser möglichst eng einzugrenzen", sagt Behr-Völtzer. Wenn klar ist, was genau die Probleme verursacht, kann der Patient mit Hilfe einer Diätberatung lernen, welche Lebensmittel er trotz seiner Pseudoallergie gefahrlos essen darf. "Am Ende geht es darum, dass sich ein Patient wieder weitgehend normal ernähren kann", so die Expertin.

Trotzdem warnen die Experten vor übertriebener Vorsicht in Zusammenhang mit künstlichen Zusatzstoffen im Essen. "Es gibt nur sehr wenige Patienten, die moderne Zusatzstoffe in der Nahrung nicht vertragen", sagt Kleine-Tebbe. "Unsere Ernährung hat einen sehr hohen Qualitätsstandard. Trotzdem sind immer mehr Menschen besorgt, durch moderne Ernährung Schaden zu erleiden." Viele seien heute einfach übervorsichtig und witterten hinter jedem Unwohlsein gleich eine Unverträglichkeit.

Einige Zusatzstoffe hätten auch einen großen Nutzen, betont Behr-Völtzer. "Wir leben heute nun mal so, dass wir unser Essen nur noch selten ganz frisch herstellen. Ohne Konservierungsstoffe würde es durch die lange Lagerung schnell zu schwerwiegenden Erkrankungen nach dem Verzehr kommen." Wer nicht unter einer Allergie oder einer Unverträglichkeit gegen solche Inhaltsstoffe leide, müsse sich deshalb auch keine Sorgen um seine Gesundheit machen.

Von Marc Herwig, dpa
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