Gesundheitsstudie DEGS So krank ist Deutschland

Menschenmasse in der Großstadt: Forscher sammelten Daten von 7200 Deutschen
Foto: Patrick Seeger/ dpaDie Deutschen gehen unter ihrem eigenen Körpergewicht ächzend trübsinnig durchs Leben. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man die ersten Ergebnisse der umfassendsten "Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland" (DEGS) liest, die das Robert Koch-Institut (RKI) am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat.
Der Report zeichnet erstmals ein eindeutiges Bild für die Gesamtbevölkerung Deutschlands - und beweist, was Experten seit Jahren aus den Beobachtungen einzelner Bevölkerungsgruppen fürchten: Die Zahl der stark Übergewichtigen nimmt zu. Ebenso wächst die Gruppe von Menschen mit Diabetes. Passend dazu gibt es immer mehr Menschen, die unter einer Depression oder einem Burnout-Syndrom leiden.
Besonders besorgniserregend ist ein Ergebnis aus der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen: Dort ist der Anteil der depressiven Patienten am höchsten. Hoffnung macht dagegen die wachsende Zahl jener Deutschen, die körperlich aktiv sind: Der DEGS zufolge treiben vor allem Frauen mehr Sport als 1998.

Diabetes, Übergewicht und Depressionen: Wie gesund leben die Deutschen?
Damals wurden im Rahmen des Bundesgesundheitssurvey (BGS) zuletzt vergleichbare Daten erhoben. Für die DEGS befragte das RKI zwischen November 2008 und Dezember 2011 mehr als 7000 Menschen zwischen 18 bis 91 Jahren. Das Besondere an dem aktuellen Gesundheitsreport ist die Vergleichbarkeit mit alten Daten: Von den jetzt untersuchten Teilnehmern waren knapp 4000 bereits 1998 im BGS dabei. So lässt sich nicht nur feststellen, woran die Deutschen gerade leiden - sondern auch, wie sich die Krankheiten der Menschen über die Jahre entwickeln. Bis die für die gesamte in Deutschland lebende Bevölkerung repräsentativen Daten komplett ausgewertet sind, werden aber noch Jahre vergehen.
Wenige Monate nach dem Ende der Untersuchung gibt es die wichtigsten Ergebnisse im Überblick: 1. Die dicken Deutschen werden noch dicker
Insgesamt stagniert die Zahl der übergewichtigen Deutschen auf hohem Niveau, die Zahl der übergewichtigen Männer und Frauen ist gegenüber 1998 sogar um 1,5 Prozentpunkte gesunken. Damit sind aber immer noch mehr als zwei Drittel der deutschen Männer zwischen 18 und 79 Jahren übergewichtig, nämlich 67,1 Prozent. Bei den Frauen fallen 53,0 Prozent in die Kategorie mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 25.
Allerdings hat zwischen 1998 und heute die Zahl der stark übergewichtigen Deutschen mit einem BMI von mehr als 30 stark zugenommen. Die Zahl der adipösen, also fettsüchtigen Menschen ist um knapp ein Fünftel auf heute 23,3 Prozent der Männer und 23,9 Prozent der Frauen gestiegen. Im BGS von 1998 waren dagegen nur 19,5 Prozent der Männer und 23,1 Prozent der Frauen adipös. Insbesondere der Anteil der adipösen Männer bei den Jüngeren ist gestiegen.
Dieser Trend gibt Anlass zur Sorge: Gerade die stark übergewichtigen Menschen sind in Gefahr, im Laufe ihres Lebens an Folgekrankheiten ihrer Körpermasse zu erkranken. Die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Folgen von Stürzen sind bei dieser Gruppe besonders schwerwiegend.
2. Es gibt immer mehr erwachsene Diabetiker
Die Folgen des Übergewichts werden mit der Zunahme der zuckerkranken Deutschen offensichtlich: Insgesamt leben schon mehr als 4,5 Millionen Deutsche mit Diabetes (Typ 1 und Typ 2). Besonders ausgeprägt ist der Anstieg von Diabetes bei stark übergewichtigen Männern und Frauen, außerdem bei Männern über 70 Jahren und Frauen unter 40 Jahren. Gegenüber 1998 ist der Anteil der diabeteskranken Menschen von damals 5,2 Prozent der Gesamtbevölkerung auf heute 7,2 Prozent angestiegen. Außerdem gehen die RKI-Forscher davon aus, dass noch einmal bis zu zwei Prozent der Bevölkerung einen unerkannten Diabetes haben. Auch wenn sie - noch - nichts von ihrer Krankheit wissen, werden auch diese Patienten irgendwann unter den Folgen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Nierenschäden leiden.
3. Mehr Menschen bewegen sich
Ein Hoffnungsschimmer der DEGS sind die Antworten der mehr als 7000 zufällig ausgewählten Menschen auf die Frage, ob und wie sie sich bewegen: Mehr als 70 Prozent der Männer und knapp zwei Drittel der Frauen geben an, mindestens einmal in der Woche körperlich aktiv zu sein. Auf immerhin eine Stunde regelmäßigen Sport kommt rund die Hälfte aller Befragten. Das ist ein Anstieg bei Männern und Frauen um deutlich mehr als zehn Prozent im Vergleich zum Bundesgesundheitssurvey 1998. Nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation WHO ist das aber dennoch zu wenig: Demnach sollten Menschen idealerweise 2,5 Stunden pro Woche Sport treiben.
4. Junge Menschen sind depressiv, ältere leiden unter Burnout
Überraschend und besorgniserregend sind die Ergebnisse zu psychischen Erkrankungen, von Stress über Schlafstörungen bis hin zu Depressionen und Burnout. Zum Zeitpunkt der Studie litten 8,1 Prozent der befragten Teilnehmer an einer Depression. Die Wahrscheinlichkeit war dabei unter den 18- bis 29-Jährigen mit fast zehn Prozent am höchsten. Die niedrigsten Werte fanden die Forscher bei den über 65-Jährigen (6,3 Prozent).
Anders als die Depression, die den Zahlen nach offenbar vor allem ein Problem der jüngeren Menschen ist, steigt die Zahl der Patienten mit Diagnose Burnout im Alter an. Nur 1,4 Prozent der 18- bis 29-Jährigen leidet darunter, aber 6,6 Prozent der 50- bis 59-Jährigen.
Während bei der Depression die Häufigkeit abnimmt, je höher der sozioökonomische Status ist, wird ein Burnout-Syndrom immer wahrscheinlicher, je besser es einem Menschen wirtschaftlich geht und je höher seine Bildung ist.
5. Im Alter lassen die körperlichen Fähigkeiten nach
Wenig überraschend sind die Ergebnisse zu den Funktionseinschränkungen älterer Menschen. Demnach lässt ab dem 65. Lebensjahr sowohl die Greifkraft der Hand nach, als auch die Fähigkeit, in einer bestimmten Zeit von einem Stuhl aufzustehen, eine definierte Strecke zurückzulegen und sich wieder hinzusetzen.
Den RKI-Forschern geht es dabei aber auch gar nicht um Neuigkeiten. Vielmehr will die Behörde Daten sammeln, anhand derer Bevölkerungsgruppen mit einem hohen Risiko für zukünftige gesundheitliche Probleme identifiziert werden können. Die Ergebnisse sollen helfen, vorbeugende Maßnahmen zu entwickeln.
Für Mai 2013 hat das Robert Koch-Institut ausführlichere Ergebnisse der DEGS angekündigt. Darin wird es nicht nur um Diabetes, Übergewicht und Depressionen gehen: Von Bluthochdruck, Allergien bis hin zu den allgemeinen Lebensumständen erfasst die DEGS noch eine Vielzahl von belastbaren Daten zu verschiedenen Themen. "Das was wir heute vorstellen, ist nur die Spitze des Eisbergs", sagte Bärbel-Maria Kurth, Leiterin der Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung am RKI. Anschließend sollen die anonymisierten Daten Wissenschaftlern zur Verfügung gestellt werden. Die Forscher sollen so eigene Fragestellungen anhand der repräsentativen Daten beantworten können.