Michael Schumachers Skiunfall "Die ersten Tage sind am kritischsten"
Hamburg - Michael Schumacher kennt Risiken. Siebenmal war er Formel-1-Weltmeister. Er ist mit einem Fallschirm vom Himmel gesprungen, auf Berge geklettert, mit dem Motorrad Rennen gefahren. Er hat schwere Unfälle überlebt und Verletzungen überstanden. Wenn einer mit Gefahren rechnet, dann Schumacher.
Auch beim Skifahren im französischen Méribel hat der ehemalige Rennfahrer einen Helm getragen, und das hat ihm bei einem schweren Sturz am Sonntag vorerst das Leben gerettet. "Sein Helm hat ihn geschützt", sagte Jean-François Payen, Chef der Anästhesie des Universitätsklinikums im französischen Grenoble, wo Schumacher derzeit behandelt wird. "Jemand, der diesen Unfall ohne Helm gehabt hätte, hätte es wohl nicht bis ins Krankenhaus geschafft."
Doch wie geht es jetzt weiter? Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie kommt es jedes Jahr zu 400 Schädel-Hirn-Verletzungen pro 100.000 Einwohner. 300 von ihnen müssen im Krankenhaus behandelt werden, 180 tragen bleibende Schäden davon, 40 sterben. Die schwere Schädel-Hirn-Verletzung ist die häufigste Todesursache bei unter 45-Jährigen.

Formel-1-Legende: Bangen um Michael Schumacher
Der Zustand Schumachers ist weiterhin äußerst kritisch. Schweres Schädel-Hirn-Trauma lautet die Diagnose. Der 44-Jährige sei kurze Zeit nach dem Unfall ins Koma gefallen, berichten seine Ärzte. Er habe Blutungen im Kopf und Hirnprellungen erlitten und leide nun unter einer diffusen Hirnschwellung. Bei einem mittelschweren oder leichten Schädel-Hirn-Trauma hingegen ist das Bewusstsein deutlich geringer und kürzer gestört.
Direkt nach dem Sturz war Schumacher nach Angaben seiner Ärzte noch ansprechbar, doch er habe fahrig reagiert und auf Fragen nicht richtig geantwortet. Erst später sei er ins Koma gefallen. "Ich bewerte es als gutes Zeichen, dass er nach dem Unfall noch auf Ansprache reagiert hat", sagt Oliver Sakowitz, stellvertretender Direktor der Neurochirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg. "Das zeigt, dass der initiale Schaden nicht so schwer war."
Zu den primären Folgen eines solchen Unfalls zählen Knochenbrüche, Blutungen und Verletzungen der Hirnhäute und Hirnsubstanz. Bei der Therapie des Schädel-Hirn-Traumas ist dieser initiale Schaden ebenso entscheidend wie eine schnelle Behandlung, denn Hirngewebe, das einmal zerstört ist, regeneriert sich nicht wieder. Wichtig ist auch, wo die Blutung liegt, ob direkt unter der Schädelkalotte, zwischen den Hirnhäuten oder direkt im Nervengewebe. Über die genaue Lokalisation machten die Ärzte auch mit Rücksicht auf die Angehörigen keine Angaben.
"Einen Teil muss der Körper allein schaffen"
Hat das Trauma stattgefunden, setzen sich die sekundären Folgen oftmals wie eine Kaskade in Gang und entziehen sich mitunter der Kontrolle der Ärzte. "Durch eine Blutung steigt der Druck im Gehirn, gleichzeitig schwillt das Gewebe an, und es sammelt sich Wasser", erklärt Sakowitz. Weil das Gehirn aufgrund des Schädelknochens keine Möglichkeit hat, sich auszudehnen, wird der Hirnstamm komprimiert, der für die lebensnotwendigen Funktionen wie Atmung, Blutdruck und Temperaturregelung zuständig ist.
"Die ersten zwei oder drei Tage nach einem Trauma sind am kritischsten", so Sakowitz zu SPIEGEL ONLINE. "Wir können das Gewebe durch eine Operation entlasten, Medikamente geben und die Körpertemperatur herabsetzen. Aber einen Teil muss der Körper allein schaffen." Wie gut ein Organismus es schafft, sich selbst auch nach einem schweren Trauma zu regulieren, hängt von vielen Faktoren ab wie etwa dem Alter, chronischen Krankheiten und der körperlichen Konstitution. Die französischen Mediziner spekulieren, dass es Schumacher helfen könnte, dass er als Sportler in ausgezeichneter körperlicher Verfassung gewesen sei.
Schumacher musste nach dem Unfall notoperiert werden, die Chirurgen haben seinen Schädel aufgebohrt und das Blut entfernt. Jetzt liegt er auf der Intensivstation, seinen Körper haben die Ärzte auf etwa 34 Grad Celsius abgekühlt, damit sein Gehirn den vorhandenen Sauerstoff bestmöglich nutzen kann. Er befindet sich im künstlichen Koma, also in einer Narkose, die Intensivmediziner mit starken Schmerzmitteln kombinieren. Das Hirnödem versuchen sie zusätzlich mit Medikamenten zu beherrschen.
Eine konkrete Prognose für Michael Schumacher wollte keiner der französischen Ärzte abgeben. "Es gibt für diese Verletzungen keine allgemeine Entwicklung", sagte der Neurochirurg Stephan Chabardes, "jede hat ihren eigenen Verlauf." In der Medizin sei alles möglich. Konkrete Hoffnung wollten sie dennoch nicht wecken: "Wir denken von Stunde zu Stunde", so Anästhesist Payen.