Schlüsselloch-OP Üben in der Box statt im Patienten
Das Wort klingt harmlos, verniedlichend gar: Schlüsselloch-Operation. Gemeint ist das endoskopische Operieren. Durch kleine Schnitte in der Haut schieben die Chirurgen lange Stäbe in den Körper des Patienten, an deren Enden Instrumente wie Scheren oder Klemmen, Licht und Kamera montiert sind.
Der Operateur verfolgt auf einem Monitor, was im Patienten passiert, während er über Griffe außerhalb des Körpers die Instrumente lenkt. Ist der Eingriff überstanden, sind von außen nur die kurzen Hautschnitte zu sehen.
Was aus Patientensicht hervorragend klingt, bedeutet für den Chirurgen doppelten Aufwand: Statt sich durch einen großen Schnitt freie Sicht auf das Operationsgebiet zu verschaffen, muss er die technischen Hilfsmittel mit Bedacht einsetzen. Bereits die Anordnung der Schnitte in der Haut entscheidet darüber, was mit den Instrumenten erreichbar ist und wohin der Chirurg mit den starren Greifern auch mit viel Geschick nicht kommt, welche Winkel die Kamera abbildet und wo kein Licht hinfällt.
So intuitiv wie das Fliegen eines Airbus
Für Nachwuchsärzte ist das endoskopische Operieren ungefähr so intuitiv wie für Laien das Fliegen eines Verkehrsflugzeugs: Der Chirurg sieht zwar auf dem Bildschirm das Operationsgebiet, kann dafür aber nicht auf seine Hände blicken, während er die Instrumente im Körper des Patienten bewegt. Und während das Fernsehbild zweidimensional ist, muss er dreidimensionale Knoten binden, um zum Beispiel ein Gefäß zu verschließen.
Damit Ärzte das Operieren durchs Schlüsselloch trainieren können, vertreiben die Hersteller endoskopischer Instrumente verschiedene Übungsgeräte. Die meisten der Simulatoren sind jedoch teuer, aufwendig zu benutzen und stehen vor allem Anfängern selten zur Verfügung. Eine Gruppe von Chirurgen der Uniklinik Lübeck hat deshalb eine eigene Übungsbox für den Endoskopienachwuchs entwickelt.
Neu an der Toolbox ist vor allem, dass die Lübecker Ärzte alles aus einer Hand günstig anbieten: Sie haben nicht nur die Box gebaut, sondern auch ein passendes Lernkonzept inklusive Anleitungsvideos entwickelt. Das Komplettpaket soll es für unter 2000 Euro geben - ein Preis, der auch für kleine Krankenhäuser bezahlbar erscheint. Prototypen erproben die Lübecker Entwickler derzeit noch in der eigenen Klinik: In dem unscheinbaren Gerät wird nicht etwa ein Operationsgebiet nachgestellt, stattdessen müssen die Übenden mit endoskopischen Instrumenten Geschicklichkeitsübungen absolvieren .
Um sicherzugehen, dass die Übungen sinnvoll sind, haben die Chirurgen ihr Paket von Praktikern überprüfen lassen. "Jeder Schritt der Entwicklung, von Größe und Form der Box über die Position der Kamera bis hin zu den Inhalten der Lernmodule wurde von Testpersonen erprobt", sagt Tilman Laubert vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck. "Wir waren mit unserer Toolbox auf vier großen Chirurgiekongressen, haben die Prototypen vorgestellt und von Teilnehmern testen lassen."
In mehreren kleinen Studien ließen Laubert, Mitentwickler Hamed Esnaashari und ihre Kollegen erfahrene endoskopische Operateure und Medizinstudenten antreten. Zunächst ermittelten sie, wie lange ein Profi für eine bestimmte Aufgabe braucht, zum Beispiel das Aufheben und Ablegen kleiner Ringe. Anschließend stellten die Entwickler die Studenten vor dieselben Aufgaben und verglichen, ob die Anfänger durch Wiederholungen besser und schneller wurden. Zudem achteten sie darauf, dass alle Trockenübungen sinnvoll für die spätere praktische Arbeit im Operationssaal sind.
Niemand gibt ein Konzert, ohne vorher zu üben
"Der OP ist der Konzertsaal. Und in den geht niemand, der nicht vorher geübt hat", sagt Martin Strik. Als Strik ausgebildet wurde, habe man das Handwerk vor allem im Operationssaal erlernt, erzählt der Chirurg. Heute ist er Chefarzt für Chirurgie im Helios Klinikum Berlin-Buch - und Fan der Lübecker Übungsbox.
Das Learning-by-Doing-Konzept der alten Schule sei aus zwei Gründen schlecht für den Patienten, so Strik: Einerseits seien die Nachwuchschirurgen unsicher, auch wenn immer ein erfahrener Kollege neben ihnen stehe, andererseits dauere die Operation unter Umständen wesentlich länger. Und auch die Operationsdauer erhöht das Risiko für unerwünschte Zwischenfälle.
Strik erprobt als einer der ersten Operateure in Deutschland die Lübecker Übungsbox bereits in seiner Klinik. Bevor Nachwuchsärzte in Berlin-Buch anfangen, mit einem Oberarzt an der Seite eigenständig zu operieren, müssen sie das Lübecker Programm durchlaufen haben. Bis auch andere Krankenhäuser die Übungsbox einsetzen können, wird es allerdings noch bis zum Frühjahr dauern.
Die Nachfrage nach ihrer Entwicklung ist vorhanden, sind sich die Lübecker Chirurgen sicher. "Das Feedback ist extrem positiv", sagt Tilman Laubert. "Besonders die jungen Kollegen und Studenten haben großes Interesse an einer einfachen Übungsmöglichkeit." Stößt die Toolbox auf die erhoffte Resonanz, könnten auch die Patienten profitieren - schließlich würden die Operateure ihre ersten Schnitte dann nicht mehr im Patienten, sondern in der Übungskiste machen.