Schockraum Ganzkörper-CT erhöht Überlebensrate von Schwerstverletzten

Trotz Zeitdruck: Die Minuten für ein Ganzkörper-CT sollten sich Ärzte im Schockraum möglichst nehmen
Foto: Klinikum rechts der IsarÄrzte, Pfleger und radiologisches Personal arbeiten im Schockraum Seite an Seite, ihr Ziel: den Kreislauf eines schwerstverletzten Patienten zu stabilisieren, der häufig in Lebensgefahr schwebt, und ihn für die weitere Behandlung vorzubereiten. Die Abläufe sind durchgeplant, Chaos und Zeitverschwendung darf es nicht geben. Für eine Methode aber sollten sich die Ärzte ein paar Minuten nehmen.
Wie eine Auswertung des Traumaregisters der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) jetzt zeigt, steigert eine Ganzkörper-CT-Aufnahme im Schockraum die Chancen deutlich, dass Schwerstverletzte überleben. Mit Hilfe der Bilder könnten die Mediziner etwa Blutungen erkennen und die Behandlung besser planen, schreiben die Forscher um den Unfallchirurgen Stefan Huber-Wagner vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München im Fachmagazin "Plos One" .
Die Wissenschaftler konnten mit der Studie erstmals belegen, dass auch kreislaufinstabile Unfallpatienten von der Methode profitieren können. Die Überlebenschancen der Schwerstverletzten stiegen durch ein Ganzkörper-CT um mehr als 25 Prozent, so die Studie. Bisher lehnen viele Experten die Methode bei Schwerstverletzten ab, weil sie Bedenken haben, die Zeit bis zur Not-OP unnötig in die Länge zu ziehen.
Drei bis sechs Minuten für eine bessere Überlebenschance
Für die Untersuchung analysierte das Team die Daten von 16.719 schwerstverletzten Patienten aus Kliniken in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien und Slowenien. Dabei verglichen die Forscher die tatsächliche und die erwartete Sterblichkeitsrate von Patienten, die ein Ganzkörper-CT erhalten hatten, und solchen, die nicht mit dieser Methode untersucht worden waren.
Das Besondere: Die Forscher unterschieden zwischen Patienten mit schwerem Kreislaufschock, mit moderatem Kreislaufschock und Patienten ohne Schock. Für Letztere konnten Wissenschaftler den Nutzen des Ganzkörper-CTs im Schockraum bereits wissenschaftlich nachweisen. Für Patienten mit Kreislaufschock hingegen gingen viele Experten bisher davon aus, dass eine körperliche Untersuchung, Röntgenaufnahmen von Brustkorb, Becken und Halswirbelsäule sowie eine Ultraschalluntersuchung des Bauches ausreichten.
Die aktuellen Ergebnisse deuten darauf hin, dass das nicht grundsätzlich stimmt: 9233 Patienten (55 Prozent) wurden nach der Einlieferung in die Klinik mittels Ganzkörper-CT untersucht. Durchschnittlich dauerte eine solche Untersuchung drei bis sechs Minuten. Kreislaufinstabile Patienten, die mittels Ganzkörper-CT diagnostiziert wurden, zeigten signifikant niedrige Sterblichkeitsraten als anhand ihrer Verletzungen erwartet. Auch war die tatsächliche Sterblichkeit bei diesen Patienten signifikant niedriger als die erwartete, verglichen mit den Patienten, die kein Ganzkörper-CT erhalten hatten.
Wenn die Expertise fehlt, kann es gefährlich werden
Die Zeitverzögerung hat dabei offensichtlich keinen negativen Effekt. "Wenn wir dank der Untersuchung das komplette Verletzungsmuster des Patienten kennen, können wir viel zielgerichteter therapieren", sagte Unfallchirurg Huber-Wagner SPIEGEL ONLINE. Dann komme es darauf an, mit Hilfe dieser Informationen möglichst schnell einen klugen Behandlungsplan zu entwickeln. Auch die Verletzungen, die zu der instabilen Kreislaufsituation des Patienten am meisten beitragen, können so gut und schnell identifiziert werden.
Die Forscher betonen allerdings, dass nur Zentren, die auch über die entsprechende Technik und spezialisiertes Personal verfügen, eine solche Untersuchung bei kreislaufinstabilen Unfallpatienten durchführen sollten. "Sonst kann das tatsächlich gefährlich werden", sagt Huber-Wagner.
Er geht davon aus, dass in Zukunft der Trend dahin gehen werde, noch leistungsstärkere Computertomografen in den Schockraum zu integrieren. Bereits heute fordert die DGU für alle Traumazentren die 24-Stunden-Verfügbarkeit einer Ganzkörper-Computertomographie in Schockraumnähe. Die Forscher hoffen, künftig durch den gezielten Einsatz solcher Technologien im Schockraum die Sterblichkeitsrate von schwerstverletzten Unfallopfern weiter senken zu können.