Schweinegrippe Forscher fürchtet Ausbreitung resistenter H1N1-Viren

Die Grippewelle fiel in dieser Saison besonders stark aus. Jetzt warnt ein australischer Forscher vor einer möglichen Ausbreitung resistenter Schweinegrippe-Erreger. Bisher sind zwar nur wenige Fälle von Tamiflu-resistenten H1N1-Viren bekannt. Die Behörden bleiben aber alarmiert.
H1N1-Viren (rot): WHO warnt vor möglicher Ausbreitung Tamiflu-resistenter Stämme

H1N1-Viren (rot): WHO warnt vor möglicher Ausbreitung Tamiflu-resistenter Stämme

Foto: Reuters/Yoshihiro Kawaoka/University of Wisconsin-Madison

Hamburg - Noch vor zwei Jahren war der Begriff Schweinegrippe einer, vor dem sich die Welt fürchtete. Heute aber, während die aktuelle Grippewelle weltweit wütet, nimmt kaum einer Notiz davon, dass es sich bei etwa 30 Prozent aller registrierten Influenza-Fälle um H1N1-Erreger, also Schweinegrippeviren, handelt.

Jetzt lässt ein australischer Wissenschaftler zumindest die Fachwelt aufhorchen: Auf der Jahrestagung der australischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten in Melbourne berichtete Aeron Hurt, dass es sich bei etwa zwei Prozent aller H1N1-Fälle in der australischen Bevölkerung um resistente Erreger handele. Gemeint sind sogenannte Oseltamivir-resistente H1N1-Viren, gegen die das Grippemittel Oseltamivir (Tamiflu) aufgrund einer speziellen Mutation nichts ausrichten kann.

Wie "BBC News" berichtet , sagte Hurt auf dem Kongress, dass er angesichts der Zahlen besorgt sei. "Die größte Sorge ist, dass sich diese resistenten Viren weltweit verbreiten könnten", so der Wissenschaftler des WHO-Kollaborationszentrums für Influenza in Melbourne. Ähnlich sei es 2008 auch der Fall gewesen, als das zuvor saisonale H1N1-Virus eine Oseltamivir-Resistenz erworben hätte und sich anschließend in weniger als 12 Monaten weltweit verbreitet hätte.

Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE heißt es seitens des Robert Koch-Instituts (RKI), dass in Deutschland seit der 40. Kalenderwoche 2012 Proben von 142 H1N1-Patienten untersucht wurden. Bei drei der Patienten haben die Viren demnach im Verlauf der Tamiflu-Therapie eine Resistenz entwickelt. Laboruntersuchungen bestätigten, dass es sich um H1N1-Viren mit der Mutation H275Y handelte, die für Oseltamivir-resistente Influenza-Viren typisch ist. Insgesamt verzeichnete das RKI laut seinem aktuellen Wochenbericht  seit der 40. Kalenderwoche in 2012 bis zur 10. Kalenderwoche in diesem Jahr 1476 Fälle von Influenza, 599 davon waren Influenza A des Typs H1N1, 508 des Typs H3N2 und 369 Influenza B. 103 Menschen starben bisher nachweislich an einer Influenza-Infektion.

Zahl resistenter Influenzaviren in Deutschland und Europa gering

Europaweit wurden nach Angaben des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC)  in der aktuellen Grippesaison bisher 287 H1N1-Proben untersucht, in sechs wurde eine Tamiflu-Resistenz registriert. In vier der Fälle hätten die Viren die Resistenz aber erst im Verlauf der Therapie mit dem Medikament entwickelt. Deshalb sei davon auszugehen, dass es sich europaweit in weniger als einem Prozent aller H1N1-Infektionen um Oseltamivir-resistente Viren handelt.

Angesichts dieser Statistiken geben sich die hiesigen Behörden bisher weitgehend gelassen. "Obwohl eine plötzliche Entstehung und Verbreitung resistenter Viren generell nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, zeigen sich zur Zeit keine Hinweise auf eine verstärkte Zirkulation resistenter Viren", sagt Susanne Duwe, die im Nationalen Referenzzentrum für Influenza des RKI für die Untersuchung der zirkulierenden Stämme zuständig ist.

Dennoch sei es wichtig, die Verbreitung resistenter Viren weiterhin streng zu überwachen, sagte Influenza-Forscher Aeron Hurt auf der Tagung. "Oseltamivir-resistente H1N1-Viren bleiben ein Risiko für die Zukunft."

Dabei ist die Wirksamkeit des Grippemedikaments Tamiflu, das von Roche hergestellt wird, derzeit heftig umstritten. Dem Pharmakonzern wird vorgeworfen, dass er sich weigere, die erforderlichen Daten zu veröffentlichen, die für eine abschließende Bewertung der Wirksamkeit von Tamiflu notwendig wären. Der Hersteller behauptet, Tamiflu könne schwere Grippe-Komplikationen wie Lungenentzündungen verhindern - daran zweifeln jedoch die Experten des unabhängigen Netzwerks Cochrane Collaboration.

Seit die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 2002 den Regierungen empfohlen hatte, Vorräte von Tamiflu anzulegen, lagerten viele Nationen das antivirale Mittel ein. Auch 2009, als Fälle der Schweinegrippe bekannt wurden, orderten viele Länder neue Vorräte - um sie in die Depots zu legen. Allein der Bund kaufte damals für 90 Millionen Euro Tamiflu ein. Seit 2002 hat Roche mit seinem Grippemittel einen Umsatz von rund 12 Milliarden US-Dollar gemacht.

cib
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