Aktionsplan Regierung beschließt Hilfe für Menschen mit seltenen Krankheiten

Menschen mit seltenen Erkrankungen haben oft eine jahrelange Ärzte-Odyssee hinter sich, bis endlich die richtige Diagnose gestellt ist. Nun startet eine Regierungsoffensive, um den rund vier Millionen Betroffenen zu helfen. Auch die Pharmaindustrie steht in der Pflicht.
Aktionsplan: Gesundheitsminister Bahr (links) bei der Vorstellung in Berlin

Aktionsplan: Gesundheitsminister Bahr (links) bei der Vorstellung in Berlin

Foto: Tim Brakemeier/ dpa

Berlin - Ärzte lernen bereits im Studium, sie sollten bei Hufgetrappel nicht an Zebras denken, sondern an Pferde. Gemeint ist damit, dass häufige Krankheiten wahrscheinlicher sind als seltene, auch wenn die Symptome eines Patienten zu beidem passen würden. Doch für rund vier Millionen Menschen in Deutschland ist genau das ein Problem: Sie sind Zebras, denn sie leiden an seltenen Krankheiten; die richtige Diagnose bekommen sie von Ärzten häufig erst nach Jahren.

Um das zu ändern, will die Bundesregierung mit einem "Nationalen Aktionsplan" die Behandlung von Menschen mit seltenen Krankheiten verbessern. Das Kabinett billigte dazu am Mittwoch in Berlin einen 52 Maßnahmen umfassenden Plan. "Selten ist gar nicht so selten", sagte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) über die Krankheiten, unter denen häufig Kinder leiden.

"Es ist nicht böser Wille, sondern mangelndes Wissen"

Künftig sollen Mediziner, Patienten und ihre Angehörigen besser informiert werden. "Es ist nicht böser Wille, sondern häufig mangelndes Wissen", sagte Bahr über das Problem, dass bis zur richtigen Diagnose oft viel Zeit vergeht. Geplant ist ein "Atlas seltener Erkrankungen", mit dessen Hilfe Betroffene leichter die richtigen Spezialisten finden sollen.

Ein besserer Informationsaustausch zwischen Fachzentren könne helfen, Doppeluntersuchungen und überflüssige Krankenhausaufenthalte zu vermeiden, sagte der Minister. "Hier geht es auch darum, Strukturen so effizient besser zu machen, dass wir möglicherweise auch Kosten einsparen können."

Medizinische Versorgungsstrukturen sollen ausgebaut werden, flankiert von verbesserter Forschung zu seltenen Erkrankungen. Dafür stellt das Bundesbildungsministerium in den nächsten fünf Jahren bis zu 27 Millionen Euro Fördermittel bereit.

Die Arzneimittelhersteller begrüßen den Aktionsplan. "Gemeinsam mit den anderen Bündnispartnern steht die Pharmaindustrie nun in der Pflicht, diesen Plan durch eigene Aktivitäten mit Leben zu erfüllen", teilte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie, Henning Fahrenkamp, mit. Der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (UVD) lobte, dass spezialisierte Zentren gefördert werden sollen.

Der am Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Erkrankungen (Namse ) beteiligte Patientenverband Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (Achse ) hatte seit Jahren gefordert, seltene Erkrankungen stärker in der ärztlichen Ausbildung zu berücksichtigen. Seit Jahren kritisieren Patientenvertreter und Ärzte, dass für viele der rund 6000 seltenen Krankheiten Arzneimittel fehlen. Für die Hersteller lohnt sich in vielen Fällen der Forschungsaufwand nicht. Mittlerweile lindern Förderprogramme das Problem. Als selten gilt eine Krankheit, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen in der Europäischen Union betroffen sind.

dba/dpa
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