Skorbut bei Diabetikern Kehrt die alte Seemanskrankheit zurück?

Frische Paprika ist besonders reich an Vitamin C
Foto:Marc Tirl/ dpa
In Australien sind mehrere Fälle der alten Seemannskrankheit Skorbut diagnostiziert worden. Grund dafür seien falsche Ernährungsgewohnheiten, sagte Jenny Gunton vom Garvan Institute of Medical Research. Die Medizinerin hatte die Fälle bei einer kleinen Studie mit Diabetespatienten entdeckt. Skorbut entsteht durch einen Vitamin-C-Mangel, Folgen sind Zahnfleischbluten, mangelnde Wundheilung und Hautentzündungen.
"Ich konnte es gar nicht glauben", sagte die Patientin Penelope Jackson dem "Sydney Morning Herald" . "Ich dachte, stopp mal, Skorbut gibt es schon seit Jahrhunderten nicht mehr." Sie habe die Krankheit mit dem Weltenbummler Captain Cook verbunden. Von James Cook ist überliefert, dass er als einer der ersten den Zusammenhang zwischen dem mangelnden Verzehr von frischen Früchten und Skorbut nachvollzog.
"Der menschliche Körper kann Vitamin C nicht bilden, daher müssen wir Nahrungsmittel zu uns nehmen, in denen es enthalten ist", so Gunton. Aufgrund ihrer Untersuchungen rät sie Medizinern dazu, auf ein besonderes Skorbut-Risiko bei Diabetespatienten zu achten.
"Menschlicher Körper kann Vitamin C nicht bilden"
Für ihre kleine Studie hatte Gunton elf Diabetespatienten auf einen Vitamin-C-Mangel untersucht, die in ihre Klinik gekommen waren. Alle litten mindestens unter einem schlecht heilenden Geschwür am Fuß oder berichteten von einer Ernährung mit wenig Obst und Gemüse. Eine Skorbut-Patientin der Studie erklärte etwa, dass sie quasi kein Obst esse und Gemüse so lange koche, bis es bei Berührungen zerfällt. Vitamin C geht jedoch bei Hitze verloren.
Bei sieben der elf Patienten stellte die Ärztin tatsächlich einen Vitamin-C-Mangel fest:
- Von sieben Patienten mit einem schlecht heilenden Geschwür waren sechs betroffen.
- Bei den vier Patienten ohne Geschwür hingegen diagnostizierten die Ärzte nur bei einer Person einen Vitamin-C-Mangel.
Die Untersuchung ist äußerst klein. Deshalb kann sie nur auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Diabetes, Geschwüren und einem Vitamin-C-Mangel hinweisen. Bei fünf der sechs Patienten mit einem Vitamin-C-Mangel entwickelten sich die Geschwüre jedoch zurück, nachdem sie Nahrungsergänzungsmittel einnahmen - und das innerhalb von zwei bis drei Wochen. Zuvor hatten die Betroffenen zwischen drei und 22 Monate erfolglos versucht, die Geschwüre zu behandeln.
Vor diesem Hintergrund müsste ein Vitamin-C-Mangel bei Diabetespatienten mit einem nicht heilenden Geschwür zumindest in Betracht gezogen werden, schreibt die Ärztin in ihrem Fazit im Fachmagazin "Diabetic Medicine" . "Es ist wichtig zu beachten, dass es trotz Übergewicht und Fettleibigkeit zu einem Mangel von Mikronährstoffen kommen kann - auch in Gegenden, in denen Vitamin-C-reiche Nahrungsmittel einfach verfügbar sind." Trotzdem sollte niemand ohne eine vorherige Untersuchung einfach Vitamin-C-Tabletten oder -Pulver schlucken.
Vitamin-C-Mangel: An sich sehr unwahrscheinlich
Denn trotz der Ergebnisse: Wer sich halbwegs ausgewogen ernährt und ab und an etwas rohes Obst oder Gemüse isst, muss Skorbut nicht fürchten. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) entwickelt der Körper die Krankheit nur, wenn er dauerhaft kaum Vitamin C erhält. Bereits zehn Milligramm des Vitamins pro Tag können vorbeugen. Zur Orientierung: Allein eine halbe Paprika und ein Glas Orangensaft übertreffen die Menge mit mehr als 150 Milligramm um ein Vielfaches.
Grundsätzlich empfiehlt die DGE erwachsenen Männern, 110 Milligramm des Vitamins pro Tag zu sich zu nehmen, Frauen 95 Milligramm. Bei Rauchern ist der Bedarf höher: Hier empfiehlt die DGE 135 Milligramm für Frauen und 155 Milligramm für Männer.
In Deutschland erreichen fast alle Erwachsenen die empfohlenen Vitamin-C-Werte annähernd, wie die Daten der Nationalen Verzehrsstudie II zeigen. Der Low Income Diet and Nutrition Survey aus Großbritannien legt jedoch nahe, dass die Versorgung innerhalb der Bevölkerung stark schwanken kann. Demnach nahmen im Zeitraum von 2003 bis 2005 bis zu 25 Prozent der Männer und bis zu 16 Prozent der Frauen mit einem geringen Einkommen zu wenig Vitamin C zu sich - allerdings noch, ohne Beschwerden zu haben.
Überdosis Vitamin C schadet ebenfalls
Das Risiko für einen Vitamin-C-Mangel steigt neben dem Rauchen mit dem Alter, Alkoholismus, Krebs, psychischen Erkrankungen und Nierenschwächen, schreibt Gunton. Auch Diabetespatienten sind möglicherweise stärker gefährdet, was die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung erklären könnte. So weisen Studien darauf hin, dass Diabetiker einen höheren Vitamin-C-Verbrauch haben - und somit auch gefährdeter für einen Mangel sind.
Wer gegensteuern möchte, muss nicht zu Tabletten greifen: Große Mengen Vitamin C stecken unter anderem in Orangen, Brokkoli, Kiwi, Paprika, Grapefruit und Erdbeeren. Gemüse sollte dabei schonend gegart, also möglichst kurz und wenig erhitzt werden, damit das Vitamin nicht zerfällt. Außerdem dient Vitamin C (auch Ascorbinsäure genannt) aber auch als beliebtes Konservierungsmittel und ist unter anderem in manchen Sorten Salami enthalten. Zu erkennen ist das Vitamin als Zusatzstoff unter den Nummern E300 bis E304, E315 und E316.
Tabletten hingegen bergen ein Risiko für Überdosierungen. Wer zu seiner Ernährung drei bis vier Gramm Vitamin C durch Nahrungsergänzungsmittel einnimmt, riskiert laut DGE vorübergehend Magendarmbeschwerden wie Durchfall. Besonders aufpassen müssen Personen mit Nierenschäden, einer Veranlagung für Harn- und Nierensteine oder einer Störung bei der Verwertung von Nahrungseisen. Vor dem Schlucken sollte deshalb immer der Gang zum Arzt stehen.